Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Nach der alten strengen Kleiderordnung, die vor der französischen Revolution in Göckingks Jugendzeit gegolten, durfte Niemand, der auf gute Erziehung irgend Anspruch machte, bei einem Besuche anders als in Schuhen und Strümpfen erscheinen. Denen, welche sich der edeln Reitkunst befleißigten, wurden zwar Stiefel gestattet, sie mußten aber mit Sporen versehn sein. Dieser alten Sitte huldigte Göckingk mit unverbrüchlicher Treue, ohne von den Wandlungen der Mode Notiz zu nehmen. Man sah den alten gebrechlichen Herrn oft die Linden herunterhinken in einem weiten blauen Roquelaure mit goldenen Knöpfen, darüber eine blaue Pikesche mit Schnüren besetzt, Stulpenstiefel mit kleinen silbernen Sporen, auf dem gepuderten Kopfe einen dreieckigen Hut, und unter dem Arme den oben erwähnten weißen Bologneser. Tante Jettchen, die zuweilen ihre anmuthigen Erzählungen etwas ausschmückte, behauptete sogar, sie habe ihn in einem scharlachrothen Fracke mit dem Hündchen unter dem Arme lustwandeln gesehn. Zu meinem Geburtstage schenkte er mir einmal, als er erfahren, daß ich Reitstunde nehme, ein paar schöne Sporen mit der Zuschrift: An meinen Pathen Gustav Parthey. Zwar wird nimmer Dein Pferd des Stachels der Sporen bedürfen, Denn ein edles Roß spornet sich selber an's Ziel. Aber sie sind, bey hoch die Nase tragenden Damen Ein' Entschuldigung Dir, wenn Du gestiefelt erscheinst. Göckingk. Obgleich Göckingk wenig eigenes Vermögen besaß, und nur von der Pension als preußischer Geheimer Finanz- Nach der alten strengen Kleiderordnung, die vor der französischen Revolution in Göckingks Jugendzeit gegolten, durfte Niemand, der auf gute Erziehung irgend Anspruch machte, bei einem Besuche anders als in Schuhen und Strümpfen erscheinen. Denen, welche sich der edeln Reitkunst befleißigten, wurden zwar Stiefel gestattet, sie mußten aber mit Sporen versehn sein. Dieser alten Sitte huldigte Göckingk mit unverbrüchlicher Treue, ohne von den Wandlungen der Mode Notiz zu nehmen. Man sah den alten gebrechlichen Herrn oft die Linden herunterhinken in einem weiten blauen Roquelaure mit goldenen Knöpfen, darüber eine blaue Pikesche mit Schnüren besetzt, Stulpenstiefel mit kleinen silbernen Sporen, auf dem gepuderten Kopfe einen dreieckigen Hut, und unter dem Arme den oben erwähnten weißen Bologneser. Tante Jettchen, die zuweilen ihre anmuthigen Erzählungen etwas ausschmückte, behauptete sogar, sie habe ihn in einem scharlachrothen Fracke mit dem Hündchen unter dem Arme lustwandeln gesehn. Zu meinem Geburtstage schenkte er mir einmal, als er erfahren, daß ich Reitstunde nehme, ein paar schöne Sporen mit der Zuschrift: An meinen Pathen Gustav Parthey. Zwar wird nimmer Dein Pferd des Stachels der Sporen bedürfen, Denn ein edles Roß spornet sich selber an’s Ziel. Aber sie sind, bey hoch die Nase tragenden Damen Ein’ Entschuldigung Dir, wenn Du gestiefelt erscheinst. Göckingk. Obgleich Göckingk wenig eigenes Vermögen besaß, und nur von der Pension als preußischer Geheimer Finanz- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0220" n="208"/> </p><lb/> <p>Nach der alten strengen Kleiderordnung, die vor der französischen Revolution in Göckingks Jugendzeit gegolten, durfte Niemand, der auf gute Erziehung irgend Anspruch machte, bei einem Besuche anders als in Schuhen und Strümpfen erscheinen. Denen, welche sich der edeln Reitkunst befleißigten, wurden zwar Stiefel gestattet, sie mußten aber mit Sporen versehn sein. Dieser alten Sitte huldigte Göckingk mit unverbrüchlicher Treue, ohne von den Wandlungen der Mode Notiz zu nehmen. Man sah den alten gebrechlichen Herrn oft die Linden herunterhinken in einem weiten blauen Roquelaure mit goldenen Knöpfen, darüber eine blaue Pikesche mit Schnüren besetzt, Stulpenstiefel mit kleinen silbernen Sporen, auf dem gepuderten Kopfe einen dreieckigen Hut, und unter dem Arme den oben erwähnten weißen Bologneser. Tante Jettchen, die zuweilen ihre anmuthigen Erzählungen etwas ausschmückte, behauptete sogar, sie habe ihn in einem scharlachrothen Fracke mit dem Hündchen unter dem Arme lustwandeln gesehn. </p><lb/> <p>Zu meinem Geburtstage schenkte er mir einmal, als er erfahren, daß ich Reitstunde nehme, ein paar schöne Sporen mit der Zuschrift: </p><lb/> <p>An meinen Pathen Gustav Parthey. </p><lb/> <p>Zwar wird nimmer Dein Pferd des Stachels der Sporen bedürfen, </p><lb/> <p>Denn ein edles Roß spornet sich selber an’s Ziel. </p><lb/> <p>Aber sie sind, bey hoch die Nase tragenden Damen </p><lb/> <p>Ein’ Entschuldigung Dir, wenn Du gestiefelt erscheinst. </p><lb/> <p>Göckingk. </p><lb/> <p>Obgleich Göckingk wenig eigenes Vermögen besaß, und nur von der Pension als preußischer Geheimer Finanz- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0220]
Nach der alten strengen Kleiderordnung, die vor der französischen Revolution in Göckingks Jugendzeit gegolten, durfte Niemand, der auf gute Erziehung irgend Anspruch machte, bei einem Besuche anders als in Schuhen und Strümpfen erscheinen. Denen, welche sich der edeln Reitkunst befleißigten, wurden zwar Stiefel gestattet, sie mußten aber mit Sporen versehn sein. Dieser alten Sitte huldigte Göckingk mit unverbrüchlicher Treue, ohne von den Wandlungen der Mode Notiz zu nehmen. Man sah den alten gebrechlichen Herrn oft die Linden herunterhinken in einem weiten blauen Roquelaure mit goldenen Knöpfen, darüber eine blaue Pikesche mit Schnüren besetzt, Stulpenstiefel mit kleinen silbernen Sporen, auf dem gepuderten Kopfe einen dreieckigen Hut, und unter dem Arme den oben erwähnten weißen Bologneser. Tante Jettchen, die zuweilen ihre anmuthigen Erzählungen etwas ausschmückte, behauptete sogar, sie habe ihn in einem scharlachrothen Fracke mit dem Hündchen unter dem Arme lustwandeln gesehn.
Zu meinem Geburtstage schenkte er mir einmal, als er erfahren, daß ich Reitstunde nehme, ein paar schöne Sporen mit der Zuschrift:
An meinen Pathen Gustav Parthey.
Zwar wird nimmer Dein Pferd des Stachels der Sporen bedürfen,
Denn ein edles Roß spornet sich selber an’s Ziel.
Aber sie sind, bey hoch die Nase tragenden Damen
Ein’ Entschuldigung Dir, wenn Du gestiefelt erscheinst.
Göckingk.
Obgleich Göckingk wenig eigenes Vermögen besaß, und nur von der Pension als preußischer Geheimer Finanz-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/220>, abgerufen am 16.02.2025. |