Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Bein etwas gelähmt. In seinen äußerst reinlich gehaltenen Zimmern herrschte eine Atmosphäre, die auf meine Nerven eine wohlthuende Wirkung äußerte. Ein schneeweißer kleiner Bologneserhund fuhr mit rasendem Gebelle vom Sopha auf, wenn ein Fremder sich näherte, wurde aber bald von dem gestrengen Wirthe zur Ruhe gebracht. Göckingks Gespräche drehten sich meist um litterarische Gegenstände, ermüdeten aber durch allzugroße Ausführlichkeit. Er schachtelte, nach dem Ausdrucke seiner Freunde, immer eine Geschichte in die andre, aber der glockenreine Ton seiner Stimme schlug angenehm an das Ohr. Von seinem Freunde Nicolai sprach er mit der grösten Verehrung, und munterte mich mehr als einmal auf, ihm nachzustreben. Da ich immer als Nicolais Hauptwerk die Allgemeine Deutsche Bibliothek nennen hörte, und zu einer litterarischen Kritik gar keine Anlage in mir verspürte, so wußte ich nicht recht, wie ich mich bei diesen Vermahnungen benehmen sollte. Mit welchem Selbstgefühl Göckingk sein eignes poetisches Talent betrachtete, davon zeugen die folgenden Verse, die ich als ein litterarisches Curiosum hier mittheilen will. Er schenkte mir zu Weihnachten 1814 eine schöne Brieftasche mit der Zuschrift: An Gustav Parthey. Den Grosvater als Prosaisten, den Pathen als Dichter Uebertreffen sollst Du! Fort denn! Erringe das Ziel! Uebertreffen kannst Du die Eltern an Güthe des Herzens Möglicher Weise zwar nicht, aber erreiche Du sie. Berlin, d. 24. Dec. 1814. Göckingk. Da ich bereits die Vossische Homerübersetzung kannte, so ersah ich aus diesen Versen, daß mein guter Pathe mir im Baue der Hexameter nicht als Muster dienen könne. Bein etwas gelähmt. In seinen äußerst reinlich gehaltenen Zimmern herrschte eine Atmosphäre, die auf meine Nerven eine wohlthuende Wirkung äußerte. Ein schneeweißer kleiner Bologneserhund fuhr mit rasendem Gebelle vom Sopha auf, wenn ein Fremder sich näherte, wurde aber bald von dem gestrengen Wirthe zur Ruhe gebracht. Göckingks Gespräche drehten sich meist um litterarische Gegenstände, ermüdeten aber durch allzugroße Ausführlichkeit. Er schachtelte, nach dem Ausdrucke seiner Freunde, immer eine Geschichte in die andre, aber der glockenreine Ton seiner Stimme schlug angenehm an das Ohr. Von seinem Freunde Nicolai sprach er mit der grösten Verehrung, und munterte mich mehr als einmal auf, ihm nachzustreben. Da ich immer als Nicolais Hauptwerk die Allgemeine Deutsche Bibliothek nennen hörte, und zu einer litterarischen Kritik gar keine Anlage in mir verspürte, so wußte ich nicht recht, wie ich mich bei diesen Vermahnungen benehmen sollte. Mit welchem Selbstgefühl Göckingk sein eignes poetisches Talent betrachtete, davon zeugen die folgenden Verse, die ich als ein litterarisches Curiosum hier mittheilen will. Er schenkte mir zu Weihnachten 1814 eine schöne Brieftasche mit der Zuschrift: An Gustav Parthey. Den Grosvater als Prosaisten, den Pathen als Dichter Uebertreffen sollst Du! Fort denn! Erringe das Ziel! Uebertreffen kannst Du die Eltern an Güthe des Herzens Möglicher Weise zwar nicht, aber erreiche Du sie. Berlin, d. 24. Dec. 1814. Göckingk. Da ich bereits die Vossische Homerübersetzung kannte, so ersah ich aus diesen Versen, daß mein guter Pathe mir im Baue der Hexameter nicht als Muster dienen könne. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="207"/> Bein etwas gelähmt. In seinen äußerst reinlich gehaltenen Zimmern herrschte eine Atmosphäre, die auf meine Nerven eine wohlthuende Wirkung äußerte. Ein schneeweißer kleiner Bologneserhund fuhr mit rasendem Gebelle vom Sopha auf, wenn ein Fremder sich näherte, wurde aber bald von dem gestrengen Wirthe zur Ruhe gebracht. Göckingks Gespräche drehten sich meist um litterarische Gegenstände, ermüdeten aber durch allzugroße Ausführlichkeit. Er schachtelte, nach dem Ausdrucke seiner Freunde, immer eine Geschichte in die andre, aber der glockenreine Ton seiner Stimme schlug angenehm an das Ohr. </p><lb/> <p>Von seinem Freunde Nicolai sprach er mit der grösten Verehrung, und munterte mich mehr als einmal auf, ihm nachzustreben. Da ich immer als Nicolais Hauptwerk die Allgemeine Deutsche Bibliothek nennen hörte, und zu einer litterarischen Kritik gar keine Anlage in mir verspürte, so wußte ich nicht recht, wie ich mich bei diesen Vermahnungen benehmen sollte. Mit welchem Selbstgefühl Göckingk sein eignes poetisches Talent betrachtete, davon zeugen die folgenden Verse, die ich als ein litterarisches Curiosum hier mittheilen will. 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Bein etwas gelähmt. In seinen äußerst reinlich gehaltenen Zimmern herrschte eine Atmosphäre, die auf meine Nerven eine wohlthuende Wirkung äußerte. Ein schneeweißer kleiner Bologneserhund fuhr mit rasendem Gebelle vom Sopha auf, wenn ein Fremder sich näherte, wurde aber bald von dem gestrengen Wirthe zur Ruhe gebracht. Göckingks Gespräche drehten sich meist um litterarische Gegenstände, ermüdeten aber durch allzugroße Ausführlichkeit. Er schachtelte, nach dem Ausdrucke seiner Freunde, immer eine Geschichte in die andre, aber der glockenreine Ton seiner Stimme schlug angenehm an das Ohr.
Von seinem Freunde Nicolai sprach er mit der grösten Verehrung, und munterte mich mehr als einmal auf, ihm nachzustreben. Da ich immer als Nicolais Hauptwerk die Allgemeine Deutsche Bibliothek nennen hörte, und zu einer litterarischen Kritik gar keine Anlage in mir verspürte, so wußte ich nicht recht, wie ich mich bei diesen Vermahnungen benehmen sollte. Mit welchem Selbstgefühl Göckingk sein eignes poetisches Talent betrachtete, davon zeugen die folgenden Verse, die ich als ein litterarisches Curiosum hier mittheilen will. Er schenkte mir zu Weihnachten 1814 eine schöne Brieftasche mit der Zuschrift:
An Gustav Parthey.
Den Grosvater als Prosaisten, den Pathen als Dichter
Uebertreffen sollst Du! Fort denn! Erringe das Ziel!
Uebertreffen kannst Du die Eltern an Güthe des Herzens
Möglicher Weise zwar nicht, aber erreiche Du sie.
Berlin, d. 24. Dec. 1814. Göckingk.
Da ich bereits die Vossische Homerübersetzung kannte, so ersah ich aus diesen Versen, daß mein guter Pathe mir im Baue der Hexameter nicht als Muster dienen könne.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/219>, abgerufen am 16.07.2024. |