Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].der daher an einer gewissen Nüchternheit leidet. Dieser Mangel wurde damals vielfach empfunden; man wollte die schönen alten Gesangstücke nicht untergehn lassen, und Fasch stiftete am Ende des vorigen Jahrhundert einen Gesangverein, der diese Schätze der edelsten Geistesrichtung außerhalb der Kirche zur Hebung gelangen ließ. Welch ein Unterschied zwischen einem Chore von gebildeten und ungebildeten Stimmen Statt finde, das zeigte sich am deutlichsten bei einer Vergleichung der Aufführungen der Singakademie mit den Leistungen des Theaterchors. Körner empfand eine große Freude an dieser reinen Vokalmusik, wie sie ihm selbst die berühmte Kapelle der Dresdner katholischen Kirche nicht geboten hatte. Er besuchte die Versammlungen der Singakademie sehr regelmäßig, die ihr Repertorium nach und nach immer weiter ausdehnte. Es wurden nicht nur reine Gesangstücke gegeben, die mächtigen Oratorien von Händel, die stachligen und doch schmackhaften Arbeiten von Johann Sebastian Bach, die Werke von Benda, Graun und anderen Meistern kamen zur Aufführung. Fasch hatte für die Akademie seine schon erwähnte berühmte sechzehnstimmige Messe geschrieben, deren seltne Aufführung immer wie ein großes Ereigniß von der Berliner musikalischen Welt betrachtet wurde. Zelter wollte, als der Nachfolger von Fasch, nicht zurückbleiben, und komponirte damals ein Oratorium: die Auferstehung Christi, das zwar keinen Anspruch darauf machen konnte, mit Grauns vielgefeiertem Tod Jesu in die Schranken zu treten, das jedoch eine Reihe von Jahren gern gehört wurde. Ich war viel zu jung, um über den musikalischen Werth der Arbeit irgend ein Urtheil der daher an einer gewissen Nüchternheit leidet. Dieser Mangel wurde damals vielfach empfunden; man wollte die schönen alten Gesangstücke nicht untergehn lassen, und Fasch stiftete am Ende des vorigen Jahrhundert einen Gesangverein, der diese Schätze der edelsten Geistesrichtung außerhalb der Kirche zur Hebung gelangen ließ. Welch ein Unterschied zwischen einem Chore von gebildeten und ungebildeten Stimmen Statt finde, das zeigte sich am deutlichsten bei einer Vergleichung der Aufführungen der Singakademie mit den Leistungen des Theaterchors. Körner empfand eine große Freude an dieser reinen Vokalmusik, wie sie ihm selbst die berühmte Kapelle der Dresdner katholischen Kirche nicht geboten hatte. Er besuchte die Versammlungen der Singakademie sehr regelmäßig, die ihr Repertorium nach und nach immer weiter ausdehnte. Es wurden nicht nur reine Gesangstücke gegeben, die mächtigen Oratorien von Händel, die stachligen und doch schmackhaften Arbeiten von Johann Sebastian Bach, die Werke von Benda, Graun und anderen Meistern kamen zur Aufführung. Fasch hatte für die Akademie seine schon erwähnte berühmte sechzehnstimmige Messe geschrieben, deren seltne Aufführung immer wie ein großes Ereigniß von der Berliner musikalischen Welt betrachtet wurde. Zelter wollte, als der Nachfolger von Fasch, nicht zurückbleiben, und komponirte damals ein Oratorium: die Auferstehung Christi, das zwar keinen Anspruch darauf machen konnte, mit Grauns vielgefeiertem Tod Jesu in die Schranken zu treten, das jedoch eine Reihe von Jahren gern gehört wurde. Ich war viel zu jung, um über den musikalischen Werth der Arbeit irgend ein Urtheil <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0213" n="201"/> der daher an einer gewissen Nüchternheit leidet. 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der daher an einer gewissen Nüchternheit leidet. Dieser Mangel wurde damals vielfach empfunden; man wollte die schönen alten Gesangstücke nicht untergehn lassen, und Fasch stiftete am Ende des vorigen Jahrhundert einen Gesangverein, der diese Schätze der edelsten Geistesrichtung außerhalb der Kirche zur Hebung gelangen ließ.
Welch ein Unterschied zwischen einem Chore von gebildeten und ungebildeten Stimmen Statt finde, das zeigte sich am deutlichsten bei einer Vergleichung der Aufführungen der Singakademie mit den Leistungen des Theaterchors.
Körner empfand eine große Freude an dieser reinen Vokalmusik, wie sie ihm selbst die berühmte Kapelle der Dresdner katholischen Kirche nicht geboten hatte. Er besuchte die Versammlungen der Singakademie sehr regelmäßig, die ihr Repertorium nach und nach immer weiter ausdehnte. Es wurden nicht nur reine Gesangstücke gegeben, die mächtigen Oratorien von Händel, die stachligen und doch schmackhaften Arbeiten von Johann Sebastian Bach, die Werke von Benda, Graun und anderen Meistern kamen zur Aufführung. Fasch hatte für die Akademie seine schon erwähnte berühmte sechzehnstimmige Messe geschrieben, deren seltne Aufführung immer wie ein großes Ereigniß von der Berliner musikalischen Welt betrachtet wurde. Zelter wollte, als der Nachfolger von Fasch, nicht zurückbleiben, und komponirte damals ein Oratorium: die Auferstehung Christi, das zwar keinen Anspruch darauf machen konnte, mit Grauns vielgefeiertem Tod Jesu in die Schranken zu treten, das jedoch eine Reihe von Jahren gern gehört wurde. Ich war viel zu jung, um über den musikalischen Werth der Arbeit irgend ein Urtheil
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