Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Manchmal erzählte er etwas von seinem Leipziger Studentenleben, und wußte besonders das dortige Stadttheater höchst ergötzlich zu beschreiben. Das Parterre der kleinen, finstern Bretterbude wurde fast ausschließlich von den Studenten eingenommen und beherrscht. Zu der schmalen Eingangsthür führte von außen eine wackelnde Holztreppe von 5 Stufen hinan, und eine eben solche führte inwendig gleich wieder hinab. Bei starkem Zudrang wurde man die äußere Treppe fast hinaufgehoben, und oben angelangt konnte man nichts besseres thun, als mit vorwärts eingesetztem Ellenbogen die 6 inneren Stufen hinabzutanzen, um in dem dunkeln Gewühle so weit vorwärts zu dringen, als die ballistische Kraft des Armes reichte. Da der Boden des Parterres nur aus locker zusammengelegten Brettern bestand, so läßt sich denken, welchen Lärm jeder neue Ankömmling verursachte. Unter den Schauspielern befand sich einer von mittelmäßigen Gaben, der aber zur Unterhaltung des Publikums dadurch viel beitrug, daß ihm auf der Bühne von Zeit zu Zeit einige freiwillige und unfreiwillige Unglücksfälle begegneten. Als er einst nach einer kräftigen Tirade aus der Seitenthür abstürzen sollte, fand er diese zufällig verschlossen, und mußte unter allgemeinem Gelächter um die Kulisse herumlaufen. Im Vergessen der Requisiten trieb er's weit. Als er gegen seinen Feind den Degen ziehn sollte, fand sich's, daß er ihn gar nicht umgeschnallt. Daß bei den abzufeuernden Schüssen ihm jedesmal die Pistole versagte, verstand sich von selbst. Einmal sollte er als verstorbener Geist im langen weißen Gewande aus der Versenkung steigen. Der Zipfel des Tuches verwickelte sich in die Schraube und zog ihn nieder, so daß er zwar Manchmal erzählte er etwas von seinem Leipziger Studentenleben, und wußte besonders das dortige Stadttheater höchst ergötzlich zu beschreiben. Das Parterre der kleinen, finstern Bretterbude wurde fast ausschließlich von den Studenten eingenommen und beherrscht. Zu der schmalen Eingangsthür führte von außen eine wackelnde Holztreppe von 5 Stufen hinan, und eine eben solche führte inwendig gleich wieder hinab. Bei starkem Zudrang wurde man die äußere Treppe fast hinaufgehoben, und oben angelangt konnte man nichts besseres thun, als mit vorwärts eingesetztem Ellenbogen die 6 inneren Stufen hinabzutanzen, um in dem dunkeln Gewühle so weit vorwärts zu dringen, als die ballistische Kraft des Armes reichte. Da der Boden des Parterres nur aus locker zusammengelegten Brettern bestand, so läßt sich denken, welchen Lärm jeder neue Ankömmling verursachte. Unter den Schauspielern befand sich einer von mittelmäßigen Gaben, der aber zur Unterhaltung des Publikums dadurch viel beitrug, daß ihm auf der Bühne von Zeit zu Zeit einige freiwillige und unfreiwillige Unglücksfälle begegneten. Als er einst nach einer kräftigen Tirade aus der Seitenthür abstürzen sollte, fand er diese zufällig verschlossen, und mußte unter allgemeinem Gelächter um die Kulisse herumlaufen. Im Vergessen der Requisiten trieb er’s weit. Als er gegen seinen Feind den Degen ziehn sollte, fand sich’s, daß er ihn gar nicht umgeschnallt. Daß bei den abzufeuernden Schüssen ihm jedesmal die Pistole versagte, verstand sich von selbst. Einmal sollte er als verstorbener Geist im langen weißen Gewande aus der Versenkung steigen. Der Zipfel des Tuches verwickelte sich in die Schraube und zog ihn nieder, so daß er zwar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0210" n="198"/> </p><lb/> <p>Manchmal erzählte er etwas von seinem Leipziger Studentenleben, und wußte besonders das dortige Stadttheater höchst ergötzlich zu beschreiben. Das Parterre der kleinen, finstern Bretterbude wurde fast ausschließlich von den Studenten eingenommen und beherrscht. Zu der schmalen Eingangsthür führte von außen eine wackelnde Holztreppe von 5 Stufen hinan, und eine eben solche führte inwendig gleich wieder hinab. Bei starkem Zudrang wurde man die äußere Treppe fast hinaufgehoben, und oben angelangt konnte man nichts besseres thun, als mit vorwärts eingesetztem Ellenbogen die 6 inneren Stufen hinabzutanzen, um in dem dunkeln Gewühle so weit vorwärts zu dringen, als die ballistische Kraft des Armes reichte. Da der Boden des Parterres nur aus locker zusammengelegten Brettern bestand, so läßt sich denken, welchen Lärm jeder neue Ankömmling verursachte. </p><lb/> <p>Unter den Schauspielern befand sich einer von mittelmäßigen Gaben, der aber zur Unterhaltung des Publikums dadurch viel beitrug, daß ihm auf der Bühne von Zeit zu Zeit einige freiwillige und unfreiwillige Unglücksfälle begegneten. Als er einst nach einer kräftigen Tirade aus der Seitenthür abstürzen sollte, fand er diese zufällig verschlossen, und mußte unter allgemeinem Gelächter um die Kulisse herumlaufen. Im Vergessen der Requisiten trieb er’s weit. Als er gegen seinen Feind den Degen ziehn sollte, fand sich’s, daß er ihn gar nicht umgeschnallt. Daß bei den abzufeuernden Schüssen ihm jedesmal die Pistole versagte, verstand sich von selbst. Einmal sollte er als verstorbener Geist im langen weißen Gewande aus der Versenkung steigen. Der Zipfel des Tuches verwickelte sich in die Schraube und zog ihn nieder, so daß er zwar </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0210]
Manchmal erzählte er etwas von seinem Leipziger Studentenleben, und wußte besonders das dortige Stadttheater höchst ergötzlich zu beschreiben. Das Parterre der kleinen, finstern Bretterbude wurde fast ausschließlich von den Studenten eingenommen und beherrscht. Zu der schmalen Eingangsthür führte von außen eine wackelnde Holztreppe von 5 Stufen hinan, und eine eben solche führte inwendig gleich wieder hinab. Bei starkem Zudrang wurde man die äußere Treppe fast hinaufgehoben, und oben angelangt konnte man nichts besseres thun, als mit vorwärts eingesetztem Ellenbogen die 6 inneren Stufen hinabzutanzen, um in dem dunkeln Gewühle so weit vorwärts zu dringen, als die ballistische Kraft des Armes reichte. Da der Boden des Parterres nur aus locker zusammengelegten Brettern bestand, so läßt sich denken, welchen Lärm jeder neue Ankömmling verursachte.
Unter den Schauspielern befand sich einer von mittelmäßigen Gaben, der aber zur Unterhaltung des Publikums dadurch viel beitrug, daß ihm auf der Bühne von Zeit zu Zeit einige freiwillige und unfreiwillige Unglücksfälle begegneten. Als er einst nach einer kräftigen Tirade aus der Seitenthür abstürzen sollte, fand er diese zufällig verschlossen, und mußte unter allgemeinem Gelächter um die Kulisse herumlaufen. Im Vergessen der Requisiten trieb er’s weit. Als er gegen seinen Feind den Degen ziehn sollte, fand sich’s, daß er ihn gar nicht umgeschnallt. Daß bei den abzufeuernden Schüssen ihm jedesmal die Pistole versagte, verstand sich von selbst. Einmal sollte er als verstorbener Geist im langen weißen Gewande aus der Versenkung steigen. Der Zipfel des Tuches verwickelte sich in die Schraube und zog ihn nieder, so daß er zwar
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/210>, abgerufen am 16.02.2025. |