Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].nachdem seine Frau ihm schon längere Zeit vorangegangen war. Der zweite Sohn des Direktors Bellermann, mit dem ich eine dauernde Freundschaft unterhalten, trat ganz in die Fußtapfen seines Vaters, wurde auch Direktor des Grauen Klosters, und gab durch die großartigsten und umfassendsten Bauten dem altehrwürdigen Gymnasium eine ganz neue Gestalt. Neben dem älteren Direktor Bellermann stand zunächst in der Reihe der Lehrer Professor Fischer, dem seine vortrefflichen mathematischen Schriften einen Platz in der Berliner Akademie verschafft hatten. Er war zu meiner Zeit schon ein Siebziger, und unterrichtete nur noch in Prima. Sein helles blaues Auge und sein silberweißes Haar erfüllten uns mit Liebe und Ehrfurcht. Die Methode seines Unterrichtes war von einer unvergleichlichen Klarheit, Ruhe und Präcision. Das Heft über die Kegelschnitte, welches ich bei ihm ausgearbeitet, betrachte ich noch jetzt mit inniger Zufriedenheit. Weil das Aufzeichnen der Parabeln, Hyperbeln und Ellipsen aus freier Hand immer sehr unvollkommen ausfiel, so feilte ich mir aus Messingblech drei Normallinien, die in den meisten Fällen an den Rand des Heftes gesetzt werden konnten. Diese erregten in der Klasse große Bewunderung, und ich mußte einige Kopien davon in Pappe machen. Professor Köpke stand wegen seines energischen Auftretens in großem Ansehn, und hieß deshalb "der Unteroffizier." Er hatte den Plautus zu seinem Lieblingsschriftsteller erwählt, und wußte bei der Lesung desselben die mancherlei Klippen geschickt zu umschiffen, die in einer treuen Sittenschilderung des Alterthumes für die heran- nachdem seine Frau ihm schon längere Zeit vorangegangen war. Der zweite Sohn des Direktors Bellermann, mit dem ich eine dauernde Freundschaft unterhalten, trat ganz in die Fußtapfen seines Vaters, wurde auch Direktor des Grauen Klosters, und gab durch die großartigsten und umfassendsten Bauten dem altehrwürdigen Gymnasium eine ganz neue Gestalt. Neben dem älteren Direktor Bellermann stand zunächst in der Reihe der Lehrer Professor Fischer, dem seine vortrefflichen mathematischen Schriften einen Platz in der Berliner Akademie verschafft hatten. Er war zu meiner Zeit schon ein Siebziger, und unterrichtete nur noch in Prima. Sein helles blaues Auge und sein silberweißes Haar erfüllten uns mit Liebe und Ehrfurcht. Die Methode seines Unterrichtes war von einer unvergleichlichen Klarheit, Ruhe und Präcision. Das Heft über die Kegelschnitte, welches ich bei ihm ausgearbeitet, betrachte ich noch jetzt mit inniger Zufriedenheit. Weil das Aufzeichnen der Parabeln, Hyperbeln und Ellipsen aus freier Hand immer sehr unvollkommen ausfiel, so feilte ich mir aus Messingblech drei Normallinien, die in den meisten Fällen an den Rand des Heftes gesetzt werden konnten. Diese erregten in der Klasse große Bewunderung, und ich mußte einige Kopien davon in Pappe machen. Professor Köpke stand wegen seines energischen Auftretens in großem Ansehn, und hieß deshalb „der Unteroffizier.“ Er hatte den Plautus zu seinem Lieblingsschriftsteller erwählt, und wußte bei der Lesung desselben die mancherlei Klippen geschickt zu umschiffen, die in einer treuen Sittenschilderung des Alterthumes für die heran- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0185" n="173"/> nachdem seine Frau ihm schon längere Zeit vorangegangen war. </p><lb/> <p>Der zweite Sohn des Direktors Bellermann, mit dem ich eine dauernde Freundschaft unterhalten, trat ganz in die Fußtapfen seines Vaters, wurde auch Direktor des Grauen Klosters, und gab durch die großartigsten und umfassendsten Bauten dem altehrwürdigen Gymnasium eine ganz neue Gestalt. </p><lb/> <p>Neben dem älteren Direktor Bellermann stand zunächst in der Reihe der Lehrer Professor Fischer, dem seine vortrefflichen mathematischen Schriften einen Platz in der Berliner Akademie verschafft hatten. Er war zu meiner Zeit schon ein Siebziger, und unterrichtete nur noch in Prima. Sein helles blaues Auge und sein silberweißes Haar erfüllten uns mit Liebe und Ehrfurcht. Die Methode seines Unterrichtes war von einer unvergleichlichen Klarheit, Ruhe und Präcision. Das Heft über die Kegelschnitte, welches ich bei ihm ausgearbeitet, betrachte ich noch jetzt mit inniger Zufriedenheit. Weil das Aufzeichnen der Parabeln, Hyperbeln und Ellipsen aus freier Hand immer sehr unvollkommen ausfiel, so feilte ich mir aus Messingblech drei Normallinien, die in den meisten Fällen an den Rand des Heftes gesetzt werden konnten. 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nachdem seine Frau ihm schon längere Zeit vorangegangen war.
Der zweite Sohn des Direktors Bellermann, mit dem ich eine dauernde Freundschaft unterhalten, trat ganz in die Fußtapfen seines Vaters, wurde auch Direktor des Grauen Klosters, und gab durch die großartigsten und umfassendsten Bauten dem altehrwürdigen Gymnasium eine ganz neue Gestalt.
Neben dem älteren Direktor Bellermann stand zunächst in der Reihe der Lehrer Professor Fischer, dem seine vortrefflichen mathematischen Schriften einen Platz in der Berliner Akademie verschafft hatten. Er war zu meiner Zeit schon ein Siebziger, und unterrichtete nur noch in Prima. Sein helles blaues Auge und sein silberweißes Haar erfüllten uns mit Liebe und Ehrfurcht. Die Methode seines Unterrichtes war von einer unvergleichlichen Klarheit, Ruhe und Präcision. Das Heft über die Kegelschnitte, welches ich bei ihm ausgearbeitet, betrachte ich noch jetzt mit inniger Zufriedenheit. Weil das Aufzeichnen der Parabeln, Hyperbeln und Ellipsen aus freier Hand immer sehr unvollkommen ausfiel, so feilte ich mir aus Messingblech drei Normallinien, die in den meisten Fällen an den Rand des Heftes gesetzt werden konnten. Diese erregten in der Klasse große Bewunderung, und ich mußte einige Kopien davon in Pappe machen.
Professor Köpke stand wegen seines energischen Auftretens in großem Ansehn, und hieß deshalb „der Unteroffizier.“ Er hatte den Plautus zu seinem Lieblingsschriftsteller erwählt, und wußte bei der Lesung desselben die mancherlei Klippen geschickt zu umschiffen, die in einer treuen Sittenschilderung des Alterthumes für die heran-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/185>, abgerufen am 27.07.2024. |