Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].hingeworfenen Punkten und Strichen, die im Ganzen wohl einigen Effekt machen, aber durch das Ungraziöse und Rohe des Machwerks abstoßen. Die Zeichnung ist meistentheils korrekt, die Anordnung der Figuren nicht ohne Einsicht, aber es fehlt jedes höhere Gefühl, und die Monotonie der Köpfe hat etwas ermüdendes. Der Kaiser Barbarossa sieht eben so aus wie Albrecht Achilles und Derflinger; die Königin Semiramis ist von der Kleopatra und Agrippina nicht zu unterscheiden. Daher war es uns unbegreiflich, daß dieser Rode derselbe sein sollte, an den Ramler eine schwungvolle Ode gerichtet, die wir in der Schule auswendig lernten, und die also anhebt: Der du dem blutenden Caesar beim Dolche des Freundes das Antlitz, Das noch den Mörder liebreich straft, in Thränen hüllst, Philipps Sohn zu des schnöde gefesselten Königes Leichnam Voll Wehmuth hinführst u. s. w. Diese letzte Vorstellung: der Tod des Darius ist ein kleines, höchst unscheinbares Blatt, das uns nicht das mindeste Gefallen abgewinnen konnte. Mehr Anziehungskraft besaßen die Blätter mit den Köpfen der sterbenden Krieger, nach Schlüters meisterhaften Reliefs im Hofe des Zeughauses; rasch überschlagen wurden die langweiligen Grabmonumente für die im siebenjährigen Kriege und später gestorbenen Generale. Gingen wir in der Reihe der Folianten weiter fort, so stießen wir auf eine unendliche Menge Bildnisse von Gelehrten und Künstlern in 12 Bänden, die Nicolai während seines langen Lebens im litterarhistorischen Interesse ge- hingeworfenen Punkten und Strichen, die im Ganzen wohl einigen Effekt machen, aber durch das Ungraziöse und Rohe des Machwerks abstoßen. Die Zeichnung ist meistentheils korrekt, die Anordnung der Figuren nicht ohne Einsicht, aber es fehlt jedes höhere Gefühl, und die Monotonie der Köpfe hat etwas ermüdendes. Der Kaiser Barbarossa sieht eben so aus wie Albrecht Achilles und Derflinger; die Königin Semiramis ist von der Kleopatra und Agrippina nicht zu unterscheiden. Daher war es uns unbegreiflich, daß dieser Rode derselbe sein sollte, an den Ramler eine schwungvolle Ode gerichtet, die wir in der Schule auswendig lernten, und die also anhebt: Der du dem blutenden Caesar beim Dolche des Freundes das Antlitz, Das noch den Mörder liebreich straft, in Thränen hüllst, Philipps Sohn zu des schnöde gefesselten Königes Leichnam Voll Wehmuth hinführst u. s. w. Diese letzte Vorstellung: der Tod des Darius ist ein kleines, höchst unscheinbares Blatt, das uns nicht das mindeste Gefallen abgewinnen konnte. Mehr Anziehungskraft besaßen die Blätter mit den Köpfen der sterbenden Krieger, nach Schlüters meisterhaften Reliefs im Hofe des Zeughauses; rasch überschlagen wurden die langweiligen Grabmonumente für die im siebenjährigen Kriege und später gestorbenen Generale. Gingen wir in der Reihe der Folianten weiter fort, so stießen wir auf eine unendliche Menge Bildnisse von Gelehrten und Künstlern in 12 Bänden, die Nicolai während seines langen Lebens im litterarhistorischen Interesse ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0175" n="163"/> hingeworfenen Punkten und Strichen, die im Ganzen wohl einigen Effekt machen, aber durch das Ungraziöse und Rohe des Machwerks abstoßen. Die Zeichnung ist meistentheils korrekt, die Anordnung der Figuren nicht ohne Einsicht, aber es fehlt jedes höhere Gefühl, und die Monotonie der Köpfe hat etwas ermüdendes. Der Kaiser Barbarossa sieht eben so aus wie Albrecht Achilles und Derflinger; die Königin Semiramis ist von der Kleopatra und Agrippina nicht zu unterscheiden. </p><lb/> <p>Daher war es uns unbegreiflich, daß dieser Rode derselbe sein sollte, an den Ramler eine schwungvolle Ode gerichtet, die wir in der Schule auswendig lernten, und die also anhebt: </p><lb/> <p>Der du dem blutenden Caesar beim Dolche des Freundes das Antlitz, </p><lb/> <p>Das noch den Mörder liebreich straft, in Thränen hüllst, </p><lb/> <p>Philipps Sohn zu des schnöde gefesselten Königes Leichnam </p><lb/> <p>Voll Wehmuth hinführst u. s. w. </p><lb/> <p>Diese letzte Vorstellung: der Tod des Darius ist ein kleines, höchst unscheinbares Blatt, das uns nicht das mindeste Gefallen abgewinnen konnte. Mehr Anziehungskraft besaßen die Blätter mit den Köpfen der sterbenden Krieger, nach Schlüters meisterhaften Reliefs im Hofe des Zeughauses; rasch überschlagen wurden die langweiligen Grabmonumente für die im siebenjährigen Kriege und später gestorbenen Generale. </p><lb/> <p>Gingen wir in der Reihe der Folianten weiter fort, so stießen wir auf eine unendliche Menge Bildnisse von Gelehrten und Künstlern in 12 Bänden, die Nicolai während seines langen Lebens im litterarhistorischen Interesse ge- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [163/0175]
hingeworfenen Punkten und Strichen, die im Ganzen wohl einigen Effekt machen, aber durch das Ungraziöse und Rohe des Machwerks abstoßen. Die Zeichnung ist meistentheils korrekt, die Anordnung der Figuren nicht ohne Einsicht, aber es fehlt jedes höhere Gefühl, und die Monotonie der Köpfe hat etwas ermüdendes. Der Kaiser Barbarossa sieht eben so aus wie Albrecht Achilles und Derflinger; die Königin Semiramis ist von der Kleopatra und Agrippina nicht zu unterscheiden.
Daher war es uns unbegreiflich, daß dieser Rode derselbe sein sollte, an den Ramler eine schwungvolle Ode gerichtet, die wir in der Schule auswendig lernten, und die also anhebt:
Der du dem blutenden Caesar beim Dolche des Freundes das Antlitz,
Das noch den Mörder liebreich straft, in Thränen hüllst,
Philipps Sohn zu des schnöde gefesselten Königes Leichnam
Voll Wehmuth hinführst u. s. w.
Diese letzte Vorstellung: der Tod des Darius ist ein kleines, höchst unscheinbares Blatt, das uns nicht das mindeste Gefallen abgewinnen konnte. Mehr Anziehungskraft besaßen die Blätter mit den Köpfen der sterbenden Krieger, nach Schlüters meisterhaften Reliefs im Hofe des Zeughauses; rasch überschlagen wurden die langweiligen Grabmonumente für die im siebenjährigen Kriege und später gestorbenen Generale.
Gingen wir in der Reihe der Folianten weiter fort, so stießen wir auf eine unendliche Menge Bildnisse von Gelehrten und Künstlern in 12 Bänden, die Nicolai während seines langen Lebens im litterarhistorischen Interesse ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |