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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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hielt ihr Gartenzimmer, das sie zu Nicolais Zeiten inne gehabt, und aß nur unten bei ihren Aeltern. Aus diesem dreifachen Zusammenwohnen erwuchs bei gegenseitigem Wohlwollen ein durchaus heiteres Familienleben, das mir noch jetzt die angenehmsten Empfindungen erweckt.

Unter den vielen, vom Grosvater Nicolai hinterlassenen Sachen, die nach und nach als nicht mehr brauchbar bei Seite gelegt wurden, erregte eine Schiefertafel auf seinem Nachttische unsre Aufmerksamkeit, und wir baten sie uns vom Vater aus. In den soliden braunen Rahmen waren zu beiden Seiten von oben nach unten Löcher gebohrt, und queerüber gezogene Bindfaden bildeten gleichsam ein liniirtes Blatt. Wenn dem Grosvater in der Nacht irgend etwas einfiel - und dies mochte wohl bei der Lebhaftigkeit seines Geistes oft genug vorkommen - so notirte er es flugs im Dunkeln mit dem Schieferstift, der Richtung der Bindfaden folgend, ungefähr wie Petrarca, der die in der Nacht ihm beifallenden Verse auf sein ledernes Wams schrieb. Fritz war von dieser Schiefertafel ganz entzückt und übte sich, mit verschlossenen Augen zwischen den Bindfaden zu schreiben; er legte sie auch einige Male auf seinen Nachttisch, hatte aber einen viel zu gesunden Schlaf, um jemals eine nächtliche Aufzeichnung zu machen.

Auch das grüne Reisekästchen des Grosvaters gab man uns Preis, und wir durften uns mancherlei daraus zueignen. Fritzen gefiel ganz besonders ein kleines Trinkglas, das dem Grosvater bei seiner Reise durch Deutschland gedient, und das zu den damaligen schauderhaften Wegen paßte. Es war oben ganz geschlossen bis auf zwei Oeffnungen, die eine zum einschenken, die andre zum austrinken; damit bei dem beständigen Stoßen und Schaukeln des Wagens nichts

hielt ihr Gartenzimmer, das sie zu Nicolais Zeiten inne gehabt, und aß nur unten bei ihren Aeltern. Aus diesem dreifachen Zusammenwohnen erwuchs bei gegenseitigem Wohlwollen ein durchaus heiteres Familienleben, das mir noch jetzt die angenehmsten Empfindungen erweckt.

Unter den vielen, vom Grosvater Nicolai hinterlassenen Sachen, die nach und nach als nicht mehr brauchbar bei Seite gelegt wurden, erregte eine Schiefertafel auf seinem Nachttische unsre Aufmerksamkeit, und wir baten sie uns vom Vater aus. In den soliden braunen Rahmen waren zu beiden Seiten von oben nach unten Löcher gebohrt, und queerüber gezogene Bindfaden bildeten gleichsam ein liniirtes Blatt. Wenn dem Grosvater in der Nacht irgend etwas einfiel – und dies mochte wohl bei der Lebhaftigkeit seines Geistes oft genug vorkommen – so notirte er es flugs im Dunkeln mit dem Schieferstift, der Richtung der Bindfaden folgend, ungefähr wie Petrarca, der die in der Nacht ihm beifallenden Verse auf sein ledernes Wams schrieb. Fritz war von dieser Schiefertafel ganz entzückt und übte sich, mit verschlossenen Augen zwischen den Bindfaden zu schreiben; er legte sie auch einige Male auf seinen Nachttisch, hatte aber einen viel zu gesunden Schlaf, um jemals eine nächtliche Aufzeichnung zu machen.

Auch das grüne Reisekästchen des Grosvaters gab man uns Preis, und wir durften uns mancherlei daraus zueignen. Fritzen gefiel ganz besonders ein kleines Trinkglas, das dem Grosvater bei seiner Reise durch Deutschland gedient, und das zu den damaligen schauderhaften Wegen paßte. Es war oben ganz geschlossen bis auf zwei Oeffnungen, die eine zum einschenken, die andre zum austrinken; damit bei dem beständigen Stoßen und Schaukeln des Wagens nichts

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[160/0172] hielt ihr Gartenzimmer, das sie zu Nicolais Zeiten inne gehabt, und aß nur unten bei ihren Aeltern. Aus diesem dreifachen Zusammenwohnen erwuchs bei gegenseitigem Wohlwollen ein durchaus heiteres Familienleben, das mir noch jetzt die angenehmsten Empfindungen erweckt. Unter den vielen, vom Grosvater Nicolai hinterlassenen Sachen, die nach und nach als nicht mehr brauchbar bei Seite gelegt wurden, erregte eine Schiefertafel auf seinem Nachttische unsre Aufmerksamkeit, und wir baten sie uns vom Vater aus. In den soliden braunen Rahmen waren zu beiden Seiten von oben nach unten Löcher gebohrt, und queerüber gezogene Bindfaden bildeten gleichsam ein liniirtes Blatt. Wenn dem Grosvater in der Nacht irgend etwas einfiel – und dies mochte wohl bei der Lebhaftigkeit seines Geistes oft genug vorkommen – so notirte er es flugs im Dunkeln mit dem Schieferstift, der Richtung der Bindfaden folgend, ungefähr wie Petrarca, der die in der Nacht ihm beifallenden Verse auf sein ledernes Wams schrieb. Fritz war von dieser Schiefertafel ganz entzückt und übte sich, mit verschlossenen Augen zwischen den Bindfaden zu schreiben; er legte sie auch einige Male auf seinen Nachttisch, hatte aber einen viel zu gesunden Schlaf, um jemals eine nächtliche Aufzeichnung zu machen. Auch das grüne Reisekästchen des Grosvaters gab man uns Preis, und wir durften uns mancherlei daraus zueignen. Fritzen gefiel ganz besonders ein kleines Trinkglas, das dem Grosvater bei seiner Reise durch Deutschland gedient, und das zu den damaligen schauderhaften Wegen paßte. Es war oben ganz geschlossen bis auf zwei Oeffnungen, die eine zum einschenken, die andre zum austrinken; damit bei dem beständigen Stoßen und Schaukeln des Wagens nichts

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/172>, abgerufen am 24.11.2024.