Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

und bei solchen Gelegenheiten erfuhren wir von den alten mittheilsamen Bürgersleuten, daß jeder preußische König einen Beinamen im Volke habe.

Friedrich I. hieß der schiefe König, weil er verwachsen war.

Friedrich Wilhelm I., der schnüfflige König, weil er durch die Nase sprach.

Friedrich II., der große König oder der alte Fritz.

Friedrich Wilhelm II., der dicke König, wegen seines ungemein stattlichen Bauches.

Friedrich Wilhelm III. hatte damals noch keinen Beinamen. Später erhielt er von einigen Schmeichlern den des Gerechten, doch zweifle ich, daß dieser Name im Volke Wurzel fassen werde; wenigstens erregten in meiner Jugend die überaus harten Demagogenverfolgungen bei allen Ständen den Eindruck der grösten Ungerechtigkeit.

Zwar hatte man auch von dem großen Könige manche Züge der Eigenmächtigkeit behalten, allein sie verschwanden wie Sonnenflecken vor dem Glanze seines Ruhmes. Die Geschichte von dem Müller Arnold wurde mit den abentheuerlichsten Zusätzen herumgetragen, die mir nicht mehr erinnerlich sind. Des Verfahrens gegen den reichen Ephraim wurde nicht ohne einiges Behagen erwähnt, weil es dem damals noch sehr kräftigen Judenhasse der Berliner zusagte.

Ephraim war bekanntlich während des siebenjährigen Krieges von dem Könige zu allerhand, mehr als zweideutigen Operationen benutzt worden, die sich kaum durch eine große finanzielle Bedrängniß rechtfertigen lassen. Die schlechten Zweigroschenstücke, Ephraimiten genannt, mit dem fast unkenntlichen Bildnisse des Königs, waren

und bei solchen Gelegenheiten erfuhren wir von den alten mittheilsamen Bürgersleuten, daß jeder preußische König einen Beinamen im Volke habe.

Friedrich I. hieß der schiefe König, weil er verwachsen war.

Friedrich Wilhelm I., der schnüfflige König, weil er durch die Nase sprach.

Friedrich II., der große König oder der alte Fritz.

Friedrich Wilhelm II., der dicke König, wegen seines ungemein stattlichen Bauches.

Friedrich Wilhelm III. hatte damals noch keinen Beinamen. Später erhielt er von einigen Schmeichlern den des Gerechten, doch zweifle ich, daß dieser Name im Volke Wurzel fassen werde; wenigstens erregten in meiner Jugend die überaus harten Demagogenverfolgungen bei allen Ständen den Eindruck der grösten Ungerechtigkeit.

Zwar hatte man auch von dem großen Könige manche Züge der Eigenmächtigkeit behalten, allein sie verschwanden wie Sonnenflecken vor dem Glanze seines Ruhmes. Die Geschichte von dem Müller Arnold wurde mit den abentheuerlichsten Zusätzen herumgetragen, die mir nicht mehr erinnerlich sind. Des Verfahrens gegen den reichen Ephraim wurde nicht ohne einiges Behagen erwähnt, weil es dem damals noch sehr kräftigen Judenhasse der Berliner zusagte.

Ephraim war bekanntlich während des siebenjährigen Krieges von dem Könige zu allerhand, mehr als zweideutigen Operationen benutzt worden, die sich kaum durch eine große finanzielle Bedrängniß rechtfertigen lassen. Die schlechten Zweigroschenstücke, Ephraimiten genannt, mit dem fast unkenntlichen Bildnisse des Königs, waren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0158" n="146"/>
und bei solchen Gelegenheiten erfuhren wir von den alten mittheilsamen Bürgersleuten, daß jeder preußische König einen Beinamen im Volke habe. </p><lb/>
          <p>Friedrich I. hieß der schiefe König, weil er verwachsen war. </p><lb/>
          <p>Friedrich Wilhelm I., der schnüfflige König, weil er durch die Nase sprach. </p><lb/>
          <p>Friedrich II., der große König oder der alte Fritz. </p><lb/>
          <p>Friedrich Wilhelm II., der dicke König, wegen seines ungemein stattlichen Bauches. </p><lb/>
          <p>Friedrich Wilhelm III. hatte damals noch keinen Beinamen. Später erhielt er von einigen Schmeichlern den des Gerechten, doch zweifle ich, daß dieser Name im Volke Wurzel fassen werde; wenigstens erregten in meiner Jugend die überaus harten Demagogenverfolgungen bei allen Ständen den Eindruck der grösten Ungerechtigkeit. </p><lb/>
          <p>Zwar hatte man auch von dem großen Könige manche Züge der Eigenmächtigkeit behalten, allein sie verschwanden wie Sonnenflecken vor dem Glanze seines Ruhmes. Die Geschichte von dem Müller Arnold wurde mit den abentheuerlichsten Zusätzen herumgetragen, die mir nicht mehr erinnerlich sind. Des Verfahrens gegen den reichen Ephraim wurde nicht ohne einiges Behagen erwähnt, weil es dem damals noch sehr kräftigen <hi rendition="#b">Judenhasse der Berliner</hi> zusagte. </p><lb/>
          <p>Ephraim war bekanntlich während des siebenjährigen Krieges von dem Könige zu allerhand, mehr als zweideutigen Operationen benutzt worden, die sich kaum durch eine große finanzielle Bedrängniß rechtfertigen lassen. Die schlechten Zweigroschenstücke, Ephraimiten genannt, mit dem fast unkenntlichen Bildnisse des Königs, waren
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0158] und bei solchen Gelegenheiten erfuhren wir von den alten mittheilsamen Bürgersleuten, daß jeder preußische König einen Beinamen im Volke habe. Friedrich I. hieß der schiefe König, weil er verwachsen war. Friedrich Wilhelm I., der schnüfflige König, weil er durch die Nase sprach. Friedrich II., der große König oder der alte Fritz. Friedrich Wilhelm II., der dicke König, wegen seines ungemein stattlichen Bauches. Friedrich Wilhelm III. hatte damals noch keinen Beinamen. Später erhielt er von einigen Schmeichlern den des Gerechten, doch zweifle ich, daß dieser Name im Volke Wurzel fassen werde; wenigstens erregten in meiner Jugend die überaus harten Demagogenverfolgungen bei allen Ständen den Eindruck der grösten Ungerechtigkeit. Zwar hatte man auch von dem großen Könige manche Züge der Eigenmächtigkeit behalten, allein sie verschwanden wie Sonnenflecken vor dem Glanze seines Ruhmes. Die Geschichte von dem Müller Arnold wurde mit den abentheuerlichsten Zusätzen herumgetragen, die mir nicht mehr erinnerlich sind. Des Verfahrens gegen den reichen Ephraim wurde nicht ohne einiges Behagen erwähnt, weil es dem damals noch sehr kräftigen Judenhasse der Berliner zusagte. Ephraim war bekanntlich während des siebenjährigen Krieges von dem Könige zu allerhand, mehr als zweideutigen Operationen benutzt worden, die sich kaum durch eine große finanzielle Bedrängniß rechtfertigen lassen. Die schlechten Zweigroschenstücke, Ephraimiten genannt, mit dem fast unkenntlichen Bildnisse des Königs, waren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/158
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/158>, abgerufen am 22.11.2024.