Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Thurm eingestürzt sei. Augenscheinlich ruhe also der Segen des Himmels nicht auf dieser Stelle. Doch entschied zuletzt für den Wiederaufbau der Umstand, daß man keinen andern Platz finden konnte. Von jenem ersten Brande erzählten uns alte Leute, deren Jugendtraditionen wohl so weit hinaufreichen konnten, eine verwunderliche Geschichte, die den heftigen Sinn des Königs Friedrich Wilhelms I. karakterisirte. Während des Wiederaufbaues der Kirche hatten die Zimmergesellen einen Aufstand gemacht und höheren Lohn verlangt. Es waren arge Excesse verübt worden, die Sache kam an den König, und er schickte von Wusterhausen aus an die Behörde einen fulminanten, eigenhändigen Befehl, worin unter andern stand: "Rädel soll hängen, ehe ich nach Berlin zurückkomme." Unter den Zimmergesellen befand sich kein Rädel, allein der Befehl des Königs mußte unweigerlich vollzogen werden. Man verhaftete also einen Offizier der Garnison, Namens Rädel, der gar nicht betheiligt war, und hätte ihn vermuthlich aufgehängt, wenn nicht die Sache sich dahin aufgeklärt, daß der König habe schreiben wollen: "Rädelsführer soll hängen." Dies hatte zur Folge, daß ein rothhäriger Zimmergesell, der vielleicht ganz unschuldig war, zum Rädelsführer gestempelt, und an demselben Tage zur Genugthuung des zurückgekehrten Königs aufgeknüpft ward. Noch manche andere Erzählungen von dem ungestümen Wesen Friedrich Wilhelms I. lebten im Munde der Berliner fort und wurden bei solchen Anlässen aufgefrischt. Da er selbst ein äußerst thätiger Mann war, so haßte er allen Müßiggang, und verlangte, daß auch seine Unterthanen immerfort arbeiten sollten. Eines Abends ging er, Thurm eingestürzt sei. Augenscheinlich ruhe also der Segen des Himmels nicht auf dieser Stelle. Doch entschied zuletzt für den Wiederaufbau der Umstand, daß man keinen andern Platz finden konnte. Von jenem ersten Brande erzählten uns alte Leute, deren Jugendtraditionen wohl so weit hinaufreichen konnten, eine verwunderliche Geschichte, die den heftigen Sinn des Königs Friedrich Wilhelms I. karakterisirte. Während des Wiederaufbaues der Kirche hatten die Zimmergesellen einen Aufstand gemacht und höheren Lohn verlangt. Es waren arge Excesse verübt worden, die Sache kam an den König, und er schickte von Wusterhausen aus an die Behörde einen fulminanten, eigenhändigen Befehl, worin unter andern stand: „Rädel soll hängen, ehe ich nach Berlin zurückkomme.“ Unter den Zimmergesellen befand sich kein Rädel, allein der Befehl des Königs mußte unweigerlich vollzogen werden. Man verhaftete also einen Offizier der Garnison, Namens Rädel, der gar nicht betheiligt war, und hätte ihn vermuthlich aufgehängt, wenn nicht die Sache sich dahin aufgeklärt, daß der König habe schreiben wollen: „Rädelsführer soll hängen.“ Dies hatte zur Folge, daß ein rothhäriger Zimmergesell, der vielleicht ganz unschuldig war, zum Rädelsführer gestempelt, und an demselben Tage zur Genugthuung des zurückgekehrten Königs aufgeknüpft ward. Noch manche andere Erzählungen von dem ungestümen Wesen Friedrich Wilhelms I. lebten im Munde der Berliner fort und wurden bei solchen Anlässen aufgefrischt. Da er selbst ein äußerst thätiger Mann war, so haßte er allen Müßiggang, und verlangte, daß auch seine Unterthanen immerfort arbeiten sollten. Eines Abends ging er, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0156" n="144"/> Thurm eingestürzt sei. Augenscheinlich ruhe also der Segen des Himmels nicht auf dieser Stelle. 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Man verhaftete also einen Offizier der Garnison, Namens Rädel, der gar nicht betheiligt war, und hätte ihn vermuthlich aufgehängt, wenn nicht die Sache sich dahin aufgeklärt, daß der König habe schreiben wollen: „Rädelsführer soll hängen.“ Dies hatte zur Folge, daß ein rothhäriger Zimmergesell, der vielleicht ganz unschuldig war, zum Rädelsführer gestempelt, und an demselben Tage zur Genugthuung des zurückgekehrten Königs aufgeknüpft ward. </p><lb/> <p>Noch manche andere Erzählungen von dem ungestümen Wesen Friedrich Wilhelms I. lebten im Munde der Berliner fort und wurden bei solchen Anlässen aufgefrischt. Da er selbst ein äußerst thätiger Mann war, so haßte er allen Müßiggang, und verlangte, daß auch seine Unterthanen immerfort arbeiten sollten. Eines Abends ging er, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0156]
Thurm eingestürzt sei. Augenscheinlich ruhe also der Segen des Himmels nicht auf dieser Stelle. Doch entschied zuletzt für den Wiederaufbau der Umstand, daß man keinen andern Platz finden konnte.
Von jenem ersten Brande erzählten uns alte Leute, deren Jugendtraditionen wohl so weit hinaufreichen konnten, eine verwunderliche Geschichte, die den heftigen Sinn des Königs Friedrich Wilhelms I. karakterisirte. Während des Wiederaufbaues der Kirche hatten die Zimmergesellen einen Aufstand gemacht und höheren Lohn verlangt. Es waren arge Excesse verübt worden, die Sache kam an den König, und er schickte von Wusterhausen aus an die Behörde einen fulminanten, eigenhändigen Befehl, worin unter andern stand: „Rädel soll hängen, ehe ich nach Berlin zurückkomme.“ Unter den Zimmergesellen befand sich kein Rädel, allein der Befehl des Königs mußte unweigerlich vollzogen werden. Man verhaftete also einen Offizier der Garnison, Namens Rädel, der gar nicht betheiligt war, und hätte ihn vermuthlich aufgehängt, wenn nicht die Sache sich dahin aufgeklärt, daß der König habe schreiben wollen: „Rädelsführer soll hängen.“ Dies hatte zur Folge, daß ein rothhäriger Zimmergesell, der vielleicht ganz unschuldig war, zum Rädelsführer gestempelt, und an demselben Tage zur Genugthuung des zurückgekehrten Königs aufgeknüpft ward.
Noch manche andere Erzählungen von dem ungestümen Wesen Friedrich Wilhelms I. lebten im Munde der Berliner fort und wurden bei solchen Anlässen aufgefrischt. Da er selbst ein äußerst thätiger Mann war, so haßte er allen Müßiggang, und verlangte, daß auch seine Unterthanen immerfort arbeiten sollten. Eines Abends ging er,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/156>, abgerufen am 16.02.2025. |