Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].zu hoch schwebte, um ihn erreichen zu können, so ward er wenigstens durch den Knall verscheucht, vor dem die Kinder sich bis auf den Heuboden geflüchtet hatten. Das Schießen durfte nicht ohne obrigkeitliche Genehmigung geschehen. Es hat sich bei den Hausakten ein Schein vom 19. Mai 1809 erhalten, worin der Brigade General von Kleist, Interims-Kommandant der Residenz Berlin, dem "Herrn Buchhändler Nicolai die Erlaubniß ertheilt, in seinem Garten, in der Lehmgasse No. 18 gelegen, zur Vertilgung der daselbst in Menge sich aufhaltenden Elstern, Krähen und anderer Raubvögel mit Feuergewehren schießen zu dürfen." Der Holzstall war gewöhnlich durch zwei ansehnliche Flügelthüren geschlossen. In der einen bemerkte man oben ein ziemlich weites viereckiges Loch, das der Grosvater Nicolai besonders hatte einschneiden lassen, damit im Frühjahr die an den inneren Balken nistenden Schwalben ungehindert aus- und einfliegen konnten. Diese Schwalbennester nahmen wegen ihrer Unnahbarkeit das Interesse der Kinder fast noch mehr in Anspruch, als die junge Brut der Hühner und Enten, die den Hof bevölkerte. Von der Grasemücke ist es bekannt, daß sie manchmal an Orten nistet, die man nicht dazu geeignet halten würde, z. B. unter den Schienen einer Eisenbahn. Etwas ähnliches kam einmal in unserem großen Garten vor; eine Grasemücke nistete unter dem Brunnendeckel, dicht neben dem widerwärtig kreischenden Schwengel. Im Frühjahre fand mein Vater nicht selten Gefallen daran, die entlegenen Theile des Wäldchens von Unkraut zu reinigen. Unsre gröste Freude war, ihm dabei nach Kräften zu helfen, indem eines den Spaten, ein anderes zu hoch schwebte, um ihn erreichen zu können, so ward er wenigstens durch den Knall verscheucht, vor dem die Kinder sich bis auf den Heuboden geflüchtet hatten. Das Schießen durfte nicht ohne obrigkeitliche Genehmigung geschehen. Es hat sich bei den Hausakten ein Schein vom 19. Mai 1809 erhalten, worin der Brigade General von Kleist, Interims-Kommandant der Residenz Berlin, dem „Herrn Buchhändler Nicolai die Erlaubniß ertheilt, in seinem Garten, in der Lehmgasse No. 18 gelegen, zur Vertilgung der daselbst in Menge sich aufhaltenden Elstern, Krähen und anderer Raubvögel mit Feuergewehren schießen zu dürfen.“ Der Holzstall war gewöhnlich durch zwei ansehnliche Flügelthüren geschlossen. In der einen bemerkte man oben ein ziemlich weites viereckiges Loch, das der Grosvater Nicolai besonders hatte einschneiden lassen, damit im Frühjahr die an den inneren Balken nistenden Schwalben ungehindert aus- und einfliegen konnten. Diese Schwalbennester nahmen wegen ihrer Unnahbarkeit das Interesse der Kinder fast noch mehr in Anspruch, als die junge Brut der Hühner und Enten, die den Hof bevölkerte. Von der Grasemücke ist es bekannt, daß sie manchmal an Orten nistet, die man nicht dazu geeignet halten würde, z. B. unter den Schienen einer Eisenbahn. Etwas ähnliches kam einmal in unserem großen Garten vor; eine Grasemücke nistete unter dem Brunnendeckel, dicht neben dem widerwärtig kreischenden Schwengel. Im Frühjahre fand mein Vater nicht selten Gefallen daran, die entlegenen Theile des Wäldchens von Unkraut zu reinigen. Unsre gröste Freude war, ihm dabei nach Kräften zu helfen, indem eines den Spaten, ein anderes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="114"/> zu hoch schwebte, um ihn erreichen zu können, so ward er wenigstens durch den Knall verscheucht, vor dem die Kinder sich bis auf den Heuboden geflüchtet hatten. </p><lb/> <p>Das Schießen durfte nicht ohne obrigkeitliche Genehmigung geschehen. Es hat sich bei den Hausakten ein Schein vom 19. Mai 1809 erhalten, worin der Brigade General von Kleist, Interims-Kommandant der Residenz Berlin, dem „Herrn Buchhändler Nicolai die Erlaubniß ertheilt, in seinem Garten, in der Lehmgasse No. 18 gelegen, zur Vertilgung der daselbst in Menge sich aufhaltenden Elstern, Krähen und anderer Raubvögel mit Feuergewehren schießen zu dürfen.“ </p><lb/> <p>Der Holzstall war gewöhnlich durch zwei ansehnliche Flügelthüren geschlossen. In der einen bemerkte man oben ein ziemlich weites viereckiges Loch, das der Grosvater Nicolai besonders hatte einschneiden lassen, damit im Frühjahr die an den inneren Balken nistenden Schwalben ungehindert aus- und einfliegen konnten. Diese Schwalbennester nahmen wegen ihrer Unnahbarkeit das Interesse der Kinder fast noch mehr in Anspruch, als die junge Brut der Hühner und Enten, die den Hof bevölkerte. </p><lb/> <p>Von der Grasemücke ist es bekannt, daß sie manchmal an Orten nistet, die man nicht dazu geeignet halten würde, z. 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zu hoch schwebte, um ihn erreichen zu können, so ward er wenigstens durch den Knall verscheucht, vor dem die Kinder sich bis auf den Heuboden geflüchtet hatten.
Das Schießen durfte nicht ohne obrigkeitliche Genehmigung geschehen. Es hat sich bei den Hausakten ein Schein vom 19. Mai 1809 erhalten, worin der Brigade General von Kleist, Interims-Kommandant der Residenz Berlin, dem „Herrn Buchhändler Nicolai die Erlaubniß ertheilt, in seinem Garten, in der Lehmgasse No. 18 gelegen, zur Vertilgung der daselbst in Menge sich aufhaltenden Elstern, Krähen und anderer Raubvögel mit Feuergewehren schießen zu dürfen.“
Der Holzstall war gewöhnlich durch zwei ansehnliche Flügelthüren geschlossen. In der einen bemerkte man oben ein ziemlich weites viereckiges Loch, das der Grosvater Nicolai besonders hatte einschneiden lassen, damit im Frühjahr die an den inneren Balken nistenden Schwalben ungehindert aus- und einfliegen konnten. Diese Schwalbennester nahmen wegen ihrer Unnahbarkeit das Interesse der Kinder fast noch mehr in Anspruch, als die junge Brut der Hühner und Enten, die den Hof bevölkerte.
Von der Grasemücke ist es bekannt, daß sie manchmal an Orten nistet, die man nicht dazu geeignet halten würde, z. B. unter den Schienen einer Eisenbahn. Etwas ähnliches kam einmal in unserem großen Garten vor; eine Grasemücke nistete unter dem Brunnendeckel, dicht neben dem widerwärtig kreischenden Schwengel.
Im Frühjahre fand mein Vater nicht selten Gefallen daran, die entlegenen Theile des Wäldchens von Unkraut zu reinigen. Unsre gröste Freude war, ihm dabei nach Kräften zu helfen, indem eines den Spaten, ein anderes
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/126>, abgerufen am 16.02.2025. |