Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].uns manchmal erzählt; wir alle, und besonders Fritz, waren sehr begierig, einer solchen Probe der theatralischen Kunst beizuwohnen. Das erste Mal wurde unsre Erwartung sehr getäuscht. Iffland, ein wohlgebauter, aufs sorgfältigste gekleideter Mann, eher klein als groß, mit leuchtenden Augen und nicht starker, aber melodischer Stimme, saß ganz ruhig am Theetische der Herzogin, und führte eine sehr ernsthafte Unterhaltung, von der wir nichts verstanden. Vergebens lauschten wir aus unserer Spielecke, ob nicht irgend etwas dramatisches sich entwickeln werde, und kehrten sehr misvergnügt nach Hause zurück. Das nächste Mal war das Glück uns günstiger. Iffland führte ein ganzes Gespräch zwischen mehreren Personen auf, mit der kunstreichsten Abwechslung in Stimme, Ausdruck und Gebehrden. Wir waren ganz Auge und Ohr, und verloren kein Wort von den Lippen des vollendeten Mimen. Fritz hatte nun wieder Gelegenheit, sein Talent zu üben, und kopirte die Ifflandsche Kopie auf das glücklichste. Bald sollten wir den gefeierten Schauspieler auch auf der Bühne sehn. Die Herzogin war auf eine Parketloge abonnirt, und erlaubte meinem Vater gern, wenn sie nicht hinging, davon Gebrauch zu machen. Dieser hielt mit Recht dafür, daß man den Kindern nicht allzufrüh und allzuoft dergleichen geistige Genüsse bieten müsse, und nahm uns nur selten mit. Desto größer war dann am Tage die Erwartung, und am Abende der Genuß. Neben Iffland stand in der That kein namhafter Schauspieler auf der Berliner Bühne; er genoß also unbestritten die Ehre, immer der erste zu sein. Eine Aufführung des nach dem Engelschen Romane bearbeiteten Stückes: Lorenz Stark, hat sich mir besonders eingeprägt. Iffland gab, wie uns manchmal erzählt; wir alle, und besonders Fritz, waren sehr begierig, einer solchen Probe der theatralischen Kunst beizuwohnen. Das erste Mal wurde unsre Erwartung sehr getäuscht. Iffland, ein wohlgebauter, aufs sorgfältigste gekleideter Mann, eher klein als groß, mit leuchtenden Augen und nicht starker, aber melodischer Stimme, saß ganz ruhig am Theetische der Herzogin, und führte eine sehr ernsthafte Unterhaltung, von der wir nichts verstanden. Vergebens lauschten wir aus unserer Spielecke, ob nicht irgend etwas dramatisches sich entwickeln werde, und kehrten sehr misvergnügt nach Hause zurück. Das nächste Mal war das Glück uns günstiger. Iffland führte ein ganzes Gespräch zwischen mehreren Personen auf, mit der kunstreichsten Abwechslung in Stimme, Ausdruck und Gebehrden. Wir waren ganz Auge und Ohr, und verloren kein Wort von den Lippen des vollendeten Mimen. Fritz hatte nun wieder Gelegenheit, sein Talent zu üben, und kopirte die Ifflandsche Kopie auf das glücklichste. Bald sollten wir den gefeierten Schauspieler auch auf der Bühne sehn. Die Herzogin war auf eine Parketloge abonnirt, und erlaubte meinem Vater gern, wenn sie nicht hinging, davon Gebrauch zu machen. Dieser hielt mit Recht dafür, daß man den Kindern nicht allzufrüh und allzuoft dergleichen geistige Genüsse bieten müsse, und nahm uns nur selten mit. Desto größer war dann am Tage die Erwartung, und am Abende der Genuß. Neben Iffland stand in der That kein namhafter Schauspieler auf der Berliner Bühne; er genoß also unbestritten die Ehre, immer der erste zu sein. Eine Aufführung des nach dem Engelschen Romane bearbeiteten Stückes: Lorenz Stark, hat sich mir besonders eingeprägt. Iffland gab, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0114" n="102"/> uns manchmal erzählt; wir alle, und besonders Fritz, waren sehr begierig, einer solchen Probe der theatralischen Kunst beizuwohnen. Das erste Mal wurde unsre Erwartung sehr getäuscht. 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Die Herzogin war auf eine Parketloge abonnirt, und erlaubte meinem Vater gern, wenn sie nicht hinging, davon Gebrauch zu machen. Dieser hielt mit Recht dafür, daß man den Kindern nicht allzufrüh und allzuoft dergleichen geistige Genüsse bieten müsse, und nahm uns nur selten mit. Desto größer war dann am Tage die Erwartung, und am Abende der Genuß. Neben Iffland stand in der That kein namhafter Schauspieler auf der Berliner Bühne; er genoß also unbestritten die Ehre, immer der erste zu sein. Eine Aufführung des nach dem Engelschen Romane bearbeiteten Stückes: Lorenz Stark, hat sich mir besonders eingeprägt. Iffland gab, wie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0114]
uns manchmal erzählt; wir alle, und besonders Fritz, waren sehr begierig, einer solchen Probe der theatralischen Kunst beizuwohnen. Das erste Mal wurde unsre Erwartung sehr getäuscht. Iffland, ein wohlgebauter, aufs sorgfältigste gekleideter Mann, eher klein als groß, mit leuchtenden Augen und nicht starker, aber melodischer Stimme, saß ganz ruhig am Theetische der Herzogin, und führte eine sehr ernsthafte Unterhaltung, von der wir nichts verstanden. Vergebens lauschten wir aus unserer Spielecke, ob nicht irgend etwas dramatisches sich entwickeln werde, und kehrten sehr misvergnügt nach Hause zurück. Das nächste Mal war das Glück uns günstiger. Iffland führte ein ganzes Gespräch zwischen mehreren Personen auf, mit der kunstreichsten Abwechslung in Stimme, Ausdruck und Gebehrden. Wir waren ganz Auge und Ohr, und verloren kein Wort von den Lippen des vollendeten Mimen. Fritz hatte nun wieder Gelegenheit, sein Talent zu üben, und kopirte die Ifflandsche Kopie auf das glücklichste.
Bald sollten wir den gefeierten Schauspieler auch auf der Bühne sehn. Die Herzogin war auf eine Parketloge abonnirt, und erlaubte meinem Vater gern, wenn sie nicht hinging, davon Gebrauch zu machen. Dieser hielt mit Recht dafür, daß man den Kindern nicht allzufrüh und allzuoft dergleichen geistige Genüsse bieten müsse, und nahm uns nur selten mit. Desto größer war dann am Tage die Erwartung, und am Abende der Genuß. Neben Iffland stand in der That kein namhafter Schauspieler auf der Berliner Bühne; er genoß also unbestritten die Ehre, immer der erste zu sein. Eine Aufführung des nach dem Engelschen Romane bearbeiteten Stückes: Lorenz Stark, hat sich mir besonders eingeprägt. Iffland gab, wie
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/114>, abgerufen am 16.02.2025. |