Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

Bild:
<< vorherige Seite

gehabt, wie er in vorkommenden dringenden
Fällen immer bereit gewesen sei, selbst mit
Hand anzulegen, und wie dann vor seinem
genialen Ueberblicke, seinem ächt-praktischen
Verstande, endlich vor seiner siegenden Per-
sönlichkeit und Beredtsamkeit alle Schwierig-
keiten sich ebneten.

Ueberrascht wurde ich durch Töpfers Aeus-
serung: er finde mich so überaus jung aus-
sehend, dass er kaum begreife, wie ich schon
so grosse Reisen gemacht. Jch glaubte damals
mit 29 Jahren schon ein recht männliches An-
sehn zu haben.

Goethe fragte, ob ich zu Wasser von Ae-
gypten nach Syrien gegangen, oder zu Lande
den Spuren des neuen Alexander gefolgt sei.
Jch erwiederte, dass eine ruhige Meerfahrt von
drei Tagen mich von Damiette nach Akre ge-
bracht. Die Lage von Jerusalem auf zerschnit-
tenem Hügellande, mit der ernsten Bergkette
am Todten Meere als Hintergrund, erregte
Goethes ganze Aufmerksamkeit. Jch bedauerte
nun in meinem Herzen, den Plan von Jeru-
salem in Halle bei Gesenius gelassen zu haben;

gehabt, wie er in vorkommenden dringenden
Fällen immer bereit gewesen sei, selbst mit
Hand anzulegen, und wie dann vor seinem
genialen Ueberblicke, seinem ächt-praktischen
Verstande, endlich vor seiner siegenden Per-
sönlichkeit und Beredtsamkeit alle Schwierig-
keiten sich ebneten.

Ueberrascht wurde ich durch Töpfers Aeus-
serung: er finde mich so überaus jung aus-
sehend, dass er kaum begreife, wie ich schon
so grosse Reisen gemacht. Jch glaubte damals
mit 29 Jahren schon ein recht männliches An-
sehn zu haben.

Goethe fragte, ob ich zu Wasser von Ae-
gypten nach Syrien gegangen, oder zu Lande
den Spuren des neuen Alexander gefolgt sei.
Jch erwiederte, dass eine ruhige Meerfahrt von
drei Tagen mich von Damiette nach Akre ge-
bracht. Die Lage von Jerusalem auf zerschnit-
tenem Hügellande, mit der ernsten Bergkette
am Todten Meere als Hintergrund, erregte
Goethes ganze Aufmerksamkeit. Jch bedauerte
nun in meinem Herzen, den Plan von Jeru-
salem in Halle bei Gesenius gelassen zu haben;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0080" n="75"/>
        <p xml:id="ID_253" prev="#ID_252">     gehabt, wie er in vorkommenden dringenden<lb/>
Fällen immer bereit gewesen sei, selbst mit<lb/>
Hand anzulegen, und wie dann vor seinem<lb/>
genialen Ueberblicke, seinem ächt-praktischen<lb/>
Verstande, endlich vor seiner siegenden Per-<lb/>
sönlichkeit und Beredtsamkeit alle Schwierig-<lb/>
keiten sich ebneten.     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_254"> Ueberrascht wurde ich durch Töpfers Aeus-<lb/>
serung: er finde mich so überaus jung aus-<lb/>
sehend, dass er kaum begreife, wie ich schon<lb/>
so grosse Reisen gemacht. Jch glaubte damals<lb/>
mit 29 Jahren schon ein recht männliches An-<lb/>
sehn zu haben.     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_255" next="#ID_256">     Goethe fragte, ob ich zu Wasser von Ae-<lb/>
gypten nach Syrien gegangen, oder zu Lande<lb/>
den Spuren des neuen Alexander gefolgt sei.<lb/>
Jch erwiederte, dass eine ruhige Meerfahrt von<lb/>
drei Tagen mich von Damiette nach Akre ge-<lb/>
bracht. Die Lage von Jerusalem auf zerschnit-<lb/>
tenem Hügellande, mit der ernsten Bergkette<lb/>
am Todten Meere als Hintergrund, erregte<lb/>
Goethes ganze Aufmerksamkeit. Jch bedauerte<lb/>
nun in meinem Herzen, den Plan von Jeru-<lb/>
salem in Halle bei Gesenius gelassen zu haben;     </p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0080] gehabt, wie er in vorkommenden dringenden Fällen immer bereit gewesen sei, selbst mit Hand anzulegen, und wie dann vor seinem genialen Ueberblicke, seinem ächt-praktischen Verstande, endlich vor seiner siegenden Per- sönlichkeit und Beredtsamkeit alle Schwierig- keiten sich ebneten. Ueberrascht wurde ich durch Töpfers Aeus- serung: er finde mich so überaus jung aus- sehend, dass er kaum begreife, wie ich schon so grosse Reisen gemacht. Jch glaubte damals mit 29 Jahren schon ein recht männliches An- sehn zu haben. Goethe fragte, ob ich zu Wasser von Ae- gypten nach Syrien gegangen, oder zu Lande den Spuren des neuen Alexander gefolgt sei. Jch erwiederte, dass eine ruhige Meerfahrt von drei Tagen mich von Damiette nach Akre ge- bracht. Die Lage von Jerusalem auf zerschnit- tenem Hügellande, mit der ernsten Bergkette am Todten Meere als Hintergrund, erregte Goethes ganze Aufmerksamkeit. Jch bedauerte nun in meinem Herzen, den Plan von Jeru- salem in Halle bei Gesenius gelassen zu haben;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-08-05T13:43:06Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/80
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/80>, abgerufen am 24.11.2024.