Er erging sich nun im Allgemeinen über die Philosophie, und sagte: Kant ist der erste gewesen, der ein ordentliches Fundament ge- legt. Auf diesem Grunde hat man denn in verschiedenen Richtungen weiter gebaut. Schel- ling hat das Objekt, die unendliche Breite der Natur, vorangestellt; Fichte fasste vorzugsweise das Subjekt auf, daher stammt sein Jch und Nicht-Jch, womit man in speculativer Hinsicht nicht viel anfangen kann; seine Subjektivität kömmt aber auf einer andern Seite herrlich zum Vorschein, nämlich in seinem Patriotismus; wie gross sind die Reden an die deutsche Na- tion! da war es an der Stelle, das Subjekt her- vorzuheben. Wo Objekt und Subjekt sich be- rühren, da ist Leben. Wenn Hegel mit seiner Jdentitätsphilosophie sich mitten zwischen Ob- jekt und Subjekt hineinstellt, und diesen Platz behauptet, so wollen wir ihn loben.
Jnzwischen hatten Müller, der Kammer- junker von Goethe und Hofrath Riemer sich eingefunden, und ich hörte mit Bedauern, dass Goethe der Vater an dem Feste nicht Theil nehmen werde. Dadurch verlor die Sache für
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Er erging sich nun im Allgemeinen über die Philosophie, und sagte: Kant ist der erste gewesen, der ein ordentliches Fundament ge- legt. Auf diesem Grunde hat man denn in verschiedenen Richtungen weiter gebaut. Schel- ling hat das Objekt, die unendliche Breite der Natur, vorangestellt; Fichte fasste vorzugsweise das Subjekt auf, daher stammt sein Jch und Nicht-Jch, womit man in speculativer Hinsicht nicht viel anfangen kann; seine Subjektivität kömmt aber auf einer andern Seite herrlich zum Vorschein, nämlich in seinem Patriotismus; wie gross sind die Reden an die deutsche Na- tion! da war es an der Stelle, das Subjekt her- vorzuheben. Wo Objekt und Subjekt sich be- rühren, da ist Leben. Wenn Hegel mit seiner Jdentitätsphilosophie sich mitten zwischen Ob- jekt und Subjekt hineinstellt, und diesen Platz behauptet, so wollen wir ihn loben.
Jnzwischen hatten Müller, der Kammer- junker von Goethe und Hofrath Riemer sich eingefunden, und ich hörte mit Bedauern, dass Goethe der Vater an dem Feste nicht Theil nehmen werde. Dadurch verlor die Sache für
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Er erging sich nun im Allgemeinen über
die Philosophie, und sagte: Kant ist der erste
gewesen, der ein ordentliches Fundament ge-
legt. Auf diesem Grunde hat man denn in
verschiedenen Richtungen weiter gebaut. Schel-
ling hat das Objekt, die unendliche Breite der
Natur, vorangestellt; Fichte fasste vorzugsweise
das Subjekt auf, daher stammt sein Jch und
Nicht-Jch, womit man in speculativer Hinsicht
nicht viel anfangen kann; seine Subjektivität
kömmt aber auf einer andern Seite herrlich
zum Vorschein, nämlich in seinem Patriotismus;
wie gross sind die Reden an die deutsche Na-
tion! da war es an der Stelle, das Subjekt her-
vorzuheben. Wo Objekt und Subjekt sich be-
rühren, da ist Leben. Wenn Hegel mit seiner
Jdentitätsphilosophie sich mitten zwischen Ob-
jekt und Subjekt hineinstellt, und diesen Platz
behauptet, so wollen wir ihn loben.
Jnzwischen hatten Müller, der Kammer-
junker von Goethe und Hofrath Riemer sich
eingefunden, und ich hörte mit Bedauern, dass
Goethe der Vater an dem Feste nicht Theil
nehmen werde. Dadurch verlor die Sache für
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Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/72>, abgerufen am 27.07.2024.
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