Konnte ich dies Versäumniss nur von Herzen bedauern, so hinterliess doch die kurze Audienz ein sehr wohlthätiges Gefühl. War auch damals schon längst der Nimbus verbli- chen, der sich früher um ein gekröntes Haupt von Gottes Gnaden gezogen, so gewährte es eine um so tiefere Genugthuung, in der Person des Grossherzogs neben dem tüchtigen Regen- ten, den Goethe so schön in den venetianischen Epigrammen geschildert (1, 282), alle Tugen- den eines edlen Herzens verehren zu dürfen.
Bald darauf kam der Grossherzog in den Saal zurück, und unterhielt sich mit Frau von Eichendorff sehr angelegentlich über das Schau- spiel, das dem Könige Ludwig zu Ehren am Abend gegeben werden sollte. Damit dieser aber nichts merke, waren sie hinter die Thüre des Saales in das Vorhaus getreten. Sie musste so laut sprechen, dass die Namen der vorge- schlagenen Stücke niemandem im Saale ein Geheimniss bleiben konnten, als dem Könige Ludwig selbst, der bekanntlich auch etwas taub ist.
Um 12 Uhr entliess unser olympischer Wirth seine fürstlichen, adlichen und bürger-
5
Konnte ich dies Versäumniss nur von Herzen bedauern, so hinterliess doch die kurze Audienz ein sehr wohlthätiges Gefühl. War auch damals schon längst der Nimbus verbli- chen, der sich früher um ein gekröntes Haupt von Gottes Gnaden gezogen, so gewährte es eine um so tiefere Genugthuung, in der Person des Grossherzogs neben dem tüchtigen Regen- ten, den Goethe so schön in den venetianischen Epigrammen geschildert (1, 282), alle Tugen- den eines edlen Herzens verehren zu dürfen.
Bald darauf kam der Grossherzog in den Saal zurück, und unterhielt sich mit Frau von Eichendorff sehr angelegentlich über das Schau- spiel, das dem Könige Ludwig zu Ehren am Abend gegeben werden sollte. Damit dieser aber nichts merke, waren sie hinter die Thüre des Saales in das Vorhaus getreten. Sie musste so laut sprechen, dass die Namen der vorge- schlagenen Stücke niemandem im Saale ein Geheimniss bleiben konnten, als dem Könige Ludwig selbst, der bekanntlich auch etwas taub ist.
Um 12 Uhr entliess unser olympischer Wirth seine fürstlichen, adlichen und bürger-
5
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0070"n="65"/><pxml:id="ID_229"> Konnte ich dies Versäumniss nur von<lb/>
Herzen bedauern, so hinterliess doch die kurze<lb/>
Audienz ein sehr wohlthätiges Gefühl. War<lb/>
auch damals schon längst der Nimbus verbli-<lb/>
chen, der sich früher um ein gekröntes Haupt<lb/>
von Gottes Gnaden gezogen, so gewährte es<lb/>
eine um so tiefere Genugthuung, in der Person<lb/>
des Grossherzogs neben dem tüchtigen Regen-<lb/>
ten, den Goethe so schön in den venetianischen<lb/>
Epigrammen geschildert (1, 282), alle Tugen-<lb/>
den eines edlen Herzens verehren zu dürfen. </p><lb/><pxml:id="ID_230"> Bald darauf kam der Grossherzog in den<lb/>
Saal zurück, und unterhielt sich mit Frau von<lb/>
Eichendorff sehr angelegentlich über das Schau-<lb/>
spiel, das dem Könige Ludwig zu Ehren am<lb/>
Abend gegeben werden sollte. Damit dieser<lb/>
aber nichts merke, waren sie hinter die Thüre<lb/>
des Saales in das Vorhaus getreten. Sie musste<lb/>
so laut sprechen, dass die Namen der vorge-<lb/>
schlagenen Stücke niemandem im Saale ein<lb/>
Geheimniss bleiben konnten, als dem Könige<lb/>
Ludwig selbst, der bekanntlich auch etwas taub ist. </p><lb/><pxml:id="ID_231"next="#ID_232"> Um 12 Uhr entliess unser olympischer<lb/>
Wirth seine fürstlichen, adlichen und bürger- </p><lb/><fwtype="sig"place="bottom">5</fw></div></body></text></TEI>
[65/0070]
Konnte ich dies Versäumniss nur von
Herzen bedauern, so hinterliess doch die kurze
Audienz ein sehr wohlthätiges Gefühl. War
auch damals schon längst der Nimbus verbli-
chen, der sich früher um ein gekröntes Haupt
von Gottes Gnaden gezogen, so gewährte es
eine um so tiefere Genugthuung, in der Person
des Grossherzogs neben dem tüchtigen Regen-
ten, den Goethe so schön in den venetianischen
Epigrammen geschildert (1, 282), alle Tugen-
den eines edlen Herzens verehren zu dürfen.
Bald darauf kam der Grossherzog in den
Saal zurück, und unterhielt sich mit Frau von
Eichendorff sehr angelegentlich über das Schau-
spiel, das dem Könige Ludwig zu Ehren am
Abend gegeben werden sollte. Damit dieser
aber nichts merke, waren sie hinter die Thüre
des Saales in das Vorhaus getreten. Sie musste
so laut sprechen, dass die Namen der vorge-
schlagenen Stücke niemandem im Saale ein
Geheimniss bleiben konnten, als dem Könige
Ludwig selbst, der bekanntlich auch etwas taub ist.
Um 12 Uhr entliess unser olympischer
Wirth seine fürstlichen, adlichen und bürger-
5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-08-05T13:43:06Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: gekennzeichnet;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): keine Angabe;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/70>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.