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Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

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als Brüder. Bald fragte ich meinen Nachbar,
ob er den alten Herrn in der Loge links
kenne?

Nein.

Jch hätte ihn für Goethe gehalten.

O nein; Goethe sieht doch etwas anders
aus, und ist überdies jetzt noch in Karlsbad.

Diese Nachricht wirkte so niederschmet-
ternd, dass ich verstummte, und erst nach einer
Weile zu Paul ganz kleinlaut sagte: O Karls-
bad, du Donnerwort!

Von der Operette hörten wir natürlich
kaum eine Note, und als wir nach dem
Schlusse des Theaters in die laue September-
nacht hinaustraten, erschien uns Weimar als
eine ganz ordinäre und gar nicht mehr inter-
essante kleine Residenz.

Jch kann mich noch gar nicht darein fin-
den, hob ich seufzend an, dass unser schönstes
Glück so zu nichte gehen soll!

Jch auch nicht, sagte Paul:

"Ein Zauber bleit mich nieder!"

Aber da kömmt mir, fuhr er fort, ein lu-
minöser Gedanke! Jst es denn wirklich wahr,

als Brüder. Bald fragte ich meinen Nachbar,
ob er den alten Herrn in der Loge links
kenne?

Nein.

Jch hätte ihn für Goethe gehalten.

O nein; Goethe sieht doch etwas anders
aus, und ist überdies jetzt noch in Karlsbad.

Diese Nachricht wirkte so niederschmet-
ternd, dass ich verstummte, und erst nach einer
Weile zu Paul ganz kleinlaut sagte: O Karls-
bad, du Donnerwort!

Von der Operette hörten wir natürlich
kaum eine Note, und als wir nach dem
Schlusse des Theaters in die laue September-
nacht hinaustraten, erschien uns Weimar als
eine ganz ordinäre und gar nicht mehr inter-
essante kleine Residenz.

Jch kann mich noch gar nicht darein fin-
den, hob ich seufzend an, dass unser schönstes
Glück so zu nichte gehen soll!

Jch auch nicht, sagte Paul:

„Ein Zauber bleit mich nieder!“

Aber da kömmt mir, fuhr er fort, ein lu-
minöser Gedanke! Jst es denn wirklich wahr,

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[23/0028] als Brüder. Bald fragte ich meinen Nachbar, ob er den alten Herrn in der Loge links kenne? Nein. Jch hätte ihn für Goethe gehalten. O nein; Goethe sieht doch etwas anders aus, und ist überdies jetzt noch in Karlsbad. Diese Nachricht wirkte so niederschmet- ternd, dass ich verstummte, und erst nach einer Weile zu Paul ganz kleinlaut sagte: O Karls- bad, du Donnerwort! Von der Operette hörten wir natürlich kaum eine Note, und als wir nach dem Schlusse des Theaters in die laue September- nacht hinaustraten, erschien uns Weimar als eine ganz ordinäre und gar nicht mehr inter- essante kleine Residenz. Jch kann mich noch gar nicht darein fin- den, hob ich seufzend an, dass unser schönstes Glück so zu nichte gehen soll! Jch auch nicht, sagte Paul: „Ein Zauber bleit mich nieder!“ Aber da kömmt mir, fuhr er fort, ein lu- minöser Gedanke! Jst es denn wirklich wahr,

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/28>, abgerufen am 23.11.2024.