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Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.

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und weiblichen Abendschulen bei richtiger Leitung in der Bekämpfung des Mädchenhandels Großes erreichen kann.

Die besprochenen Anstalten sind dazu eingerichtet, dem Volke Bildung und Erziehung außerhalb der Familie zuzuführen. Auf die Familie üben sie eine Wirkung aus, die von allergrößter Bedeutung ist; doch genügt sie nicht, wenn sie nicht durch entsprechende Hauslektüre ergänzt wird. Das Bedürfnis nach einer speziell jüdischen Volksliteratur wurde von den Lehrern der Baron Hirsch-Schulen auf den ersten Zeilen ihrer pädagogischen Zeitschrift "Swiatlo" erkannt, und einige Lehrer gaben bald darauf einige Kindererzählungen aus dem jüdischen Leben in sehr billigen Broschüren heraus. Die bestehende Kinderliteratur genügt für die Bedürfnisse jüdischer Volkskinder nicht, sie führt sie in ein ganz unbekanntes Milieu hinein, das den Begriffen und Gewohnheiten der Kinder ganz fern liegt, und spricht zu ihnen eine Sprache, die sie nicht verstehen; so kann die bestehende Kinderliteratur, so lange besondere Verhältnisse im Charakter und Leben der Juden bestehen, nicht zum geistigen Eigentum des jüdischen Kindes werden. Dasselbe läßt sich von der allgemeinen Volksliteratur sagen. Sie kann sich nicht im jüdischen Volk einwurzeln. Während aber eine jüdische Kinderliteratur erst geschaffen werden muß, gibt es literarische Werke genug, die das jüdische Leben berühren und darum dem jüdischen Volke zugänglich sein müssen. Es wäre die Aufgabe eines jüdischen Volksverlages, diese Werke auszusuchen, zu billigen Preisen herauszugeben und durch Übersetzungen aus fremden Sprachen zu ergänzen. Daneben müßten jüdische Volksbibliotheken bestehen, in denen diese Bücher verliehen oder in Lesehallen ausgestellt werden. Ebenso wertvoll könnte die Herausgabe eines allgemeinen jüdischen Lesebuches für jüdische Volksschulen werden.

Die Lesestücke, die in den vorhandenen Lesebüchern enthalten sind, passen nicht immer für das Verständnis der jüdischen Kinder. Ein gutes Lesebuch für jüdische Kinder müßte erstens eine Anzahl von Lesestücken enthalten, die dem jüdischen Milieu entnommen sind, zweitens in einem Stil gehalten sein, der auf den kleinen Wörterschatz der jüdischen Kinder Rücksicht nimmt und sie allmählich in die Reichtümer der Sprache einführt, drittens aber Lesestücke, die die Ideen einer modernen Volkserziehung in einer populären Weise darstellen.

und weiblichen Abendschulen bei richtiger Leitung in der Bekämpfung des Mädchenhandels Großes erreichen kann.

Die besprochenen Anstalten sind dazu eingerichtet, dem Volke Bildung und Erziehung außerhalb der Familie zuzuführen. Auf die Familie üben sie eine Wirkung aus, die von allergrößter Bedeutung ist; doch genügt sie nicht, wenn sie nicht durch entsprechende Hauslektüre ergänzt wird. Das Bedürfnis nach einer speziell jüdischen Volksliteratur wurde von den Lehrern der Baron Hirsch-Schulen auf den ersten Zeilen ihrer pädagogischen Zeitschrift „Swiatlo“ erkannt, und einige Lehrer gaben bald darauf einige Kindererzählungen aus dem jüdischen Leben in sehr billigen Broschüren heraus. Die bestehende Kinderliteratur genügt für die Bedürfnisse jüdischer Volkskinder nicht, sie führt sie in ein ganz unbekanntes Milieu hinein, das den Begriffen und Gewohnheiten der Kinder ganz fern liegt, und spricht zu ihnen eine Sprache, die sie nicht verstehen; so kann die bestehende Kinderliteratur, so lange besondere Verhältnisse im Charakter und Leben der Juden bestehen, nicht zum geistigen Eigentum des jüdischen Kindes werden. Dasselbe läßt sich von der allgemeinen Volksliteratur sagen. Sie kann sich nicht im jüdischen Volk einwurzeln. Während aber eine jüdische Kinderliteratur erst geschaffen werden muß, gibt es literarische Werke genug, die das jüdische Leben berühren und darum dem jüdischen Volke zugänglich sein müssen. Es wäre die Aufgabe eines jüdischen Volksverlages, diese Werke auszusuchen, zu billigen Preisen herauszugeben und durch Übersetzungen aus fremden Sprachen zu ergänzen. Daneben müßten jüdische Volksbibliotheken bestehen, in denen diese Bücher verliehen oder in Lesehallen ausgestellt werden. Ebenso wertvoll könnte die Herausgabe eines allgemeinen jüdischen Lesebuches für jüdische Volksschulen werden.

Die Lesestücke, die in den vorhandenen Lesebüchern enthalten sind, passen nicht immer für das Verständnis der jüdischen Kinder. Ein gutes Lesebuch für jüdische Kinder müßte erstens eine Anzahl von Lesestücken enthalten, die dem jüdischen Milieu entnommen sind, zweitens in einem Stil gehalten sein, der auf den kleinen Wörterschatz der jüdischen Kinder Rücksicht nimmt und sie allmählich in die Reichtümer der Sprache einführt, drittens aber Lesestücke, die die Ideen einer modernen Volkserziehung in einer populären Weise darstellen.

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[94/0094] und weiblichen Abendschulen bei richtiger Leitung in der Bekämpfung des Mädchenhandels Großes erreichen kann. Die besprochenen Anstalten sind dazu eingerichtet, dem Volke Bildung und Erziehung außerhalb der Familie zuzuführen. Auf die Familie üben sie eine Wirkung aus, die von allergrößter Bedeutung ist; doch genügt sie nicht, wenn sie nicht durch entsprechende Hauslektüre ergänzt wird. Das Bedürfnis nach einer speziell jüdischen Volksliteratur wurde von den Lehrern der Baron Hirsch-Schulen auf den ersten Zeilen ihrer pädagogischen Zeitschrift „Swiatlo“ erkannt, und einige Lehrer gaben bald darauf einige Kindererzählungen aus dem jüdischen Leben in sehr billigen Broschüren heraus. Die bestehende Kinderliteratur genügt für die Bedürfnisse jüdischer Volkskinder nicht, sie führt sie in ein ganz unbekanntes Milieu hinein, das den Begriffen und Gewohnheiten der Kinder ganz fern liegt, und spricht zu ihnen eine Sprache, die sie nicht verstehen; so kann die bestehende Kinderliteratur, so lange besondere Verhältnisse im Charakter und Leben der Juden bestehen, nicht zum geistigen Eigentum des jüdischen Kindes werden. Dasselbe läßt sich von der allgemeinen Volksliteratur sagen. Sie kann sich nicht im jüdischen Volk einwurzeln. Während aber eine jüdische Kinderliteratur erst geschaffen werden muß, gibt es literarische Werke genug, die das jüdische Leben berühren und darum dem jüdischen Volke zugänglich sein müssen. Es wäre die Aufgabe eines jüdischen Volksverlages, diese Werke auszusuchen, zu billigen Preisen herauszugeben und durch Übersetzungen aus fremden Sprachen zu ergänzen. Daneben müßten jüdische Volksbibliotheken bestehen, in denen diese Bücher verliehen oder in Lesehallen ausgestellt werden. Ebenso wertvoll könnte die Herausgabe eines allgemeinen jüdischen Lesebuches für jüdische Volksschulen werden. Die Lesestücke, die in den vorhandenen Lesebüchern enthalten sind, passen nicht immer für das Verständnis der jüdischen Kinder. Ein gutes Lesebuch für jüdische Kinder müßte erstens eine Anzahl von Lesestücken enthalten, die dem jüdischen Milieu entnommen sind, zweitens in einem Stil gehalten sein, der auf den kleinen Wörterschatz der jüdischen Kinder Rücksicht nimmt und sie allmählich in die Reichtümer der Sprache einführt, drittens aber Lesestücke, die die Ideen einer modernen Volkserziehung in einer populären Weise darstellen.

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Zitationshilfe: Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pappenheim_galizien_1904/94>, abgerufen am 21.11.2024.