Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.Auch an dem Erträgnis einer Geflügelzucht und des Gartenbaues, die im Erziehungsheim betrieben werden sollen, kann man die ältesten Zöglinge teilnehmen lassen; teils, um in den Mädchen Lust und Interesse für derartige Arbeiten zu erwecken, teils, damit man ihnen bei ihrem Austritt aus dem Heim eine kleine selbstverdiente Summe mitgeben kann. Der Ort, an dem ein solches Erziehungsheim gegründet werden könnte, scheint mir, bei allerdings nur oberflächlicher Beurteilung, Zloczow zu sein, wo, wie ich glaube, leicht ein Damenkomitee zu bilden ist, das nach der unter Vorschlag 1 angegebenen Art, mit einem westeuropäischen Verein gemeinsam das Unternehmen zu leiten hätte. Ein zweites derartiges Heim wäre vielleicht in der Nähe von Krakau zu errichten, damit den Findelkindern der Osolinkaschen Anstalt die Möglichkeit einer guten jüdischen Erziehung gegeben werde. Die Krakauer Gemeinde hätte dann die Pflicht, die Gründung finanziell zu unterstützen. Meinen, allerdings noch ungenügenden Informationen nach wären die Kosten für solche Institutionen in Galizien bedeutend geringer anzuschlagen als in Deutschland, besonders, wenn man das Prinzip sachgemäßer Einfachheit durchgehend zur Geltung kommen läßt. Aus der Absicht, wichtige, für das ganze Land vorbildlich wirkende Kulturstätten zu gründen, ergibt sich die Notwendigkeit, über eine Anzahl tüchtiger Leiterinnen verfügen zu können. An der Qualität der Beamten zu sparen, wäre natürlich sehr wenig sachgemäß. Das beste Menschenmaterial muß herangezogen werden, damit die ersten, vorgeschobenen Posten im Kampf gegen Unwissenheit und Unkultur ihrer Aufgabe gewachsen sind. Um das zu ermöglichen, müssen die westeuropäischen jüdischen Gemeinden etwas aus ihrer vornehmen Exklusivität heraustreten und dem Gedanken Raum geben, daß es auch ihre Pflicht ist, an der Kulturarbeit für Galizien in ihrer Weise teilzunehmen. Man weiß in Galizien noch kaum, was dazu gehört, eine Anstalt richtig zu führen, und es gibt auch keine Stipendien, um Studien in dem angeregten Sinne zu ermöglichen. 5. Darum sollten alle gut geleiteten jüdischen Anstalten es sich zur Pflicht machen, für einige Zeit unentgeltlich je eine galizische Hospitantin zur Ausbildung aufzunehmen. Die Kosten Auch an dem Erträgnis einer Geflügelzucht und des Gartenbaues, die im Erziehungsheim betrieben werden sollen, kann man die ältesten Zöglinge teilnehmen lassen; teils, um in den Mädchen Lust und Interesse für derartige Arbeiten zu erwecken, teils, damit man ihnen bei ihrem Austritt aus dem Heim eine kleine selbstverdiente Summe mitgeben kann. Der Ort, an dem ein solches Erziehungsheim gegründet werden könnte, scheint mir, bei allerdings nur oberflächlicher Beurteilung, Zloczow zu sein, wo, wie ich glaube, leicht ein Damenkomitee zu bilden ist, das nach der unter Vorschlag 1 angegebenen Art, mit einem westeuropäischen Verein gemeinsam das Unternehmen zu leiten hätte. Ein zweites derartiges Heim wäre vielleicht in der Nähe von Krakau zu errichten, damit den Findelkindern der Osolinkaschen Anstalt die Möglichkeit einer guten jüdischen Erziehung gegeben werde. Die Krakauer Gemeinde hätte dann die Pflicht, die Gründung finanziell zu unterstützen. Meinen, allerdings noch ungenügenden Informationen nach wären die Kosten für solche Institutionen in Galizien bedeutend geringer anzuschlagen als in Deutschland, besonders, wenn man das Prinzip sachgemäßer Einfachheit durchgehend zur Geltung kommen läßt. Aus der Absicht, wichtige, für das ganze Land vorbildlich wirkende Kulturstätten zu gründen, ergibt sich die Notwendigkeit, über eine Anzahl tüchtiger Leiterinnen verfügen zu können. An der Qualität der Beamten zu sparen, wäre natürlich sehr wenig sachgemäß. Das beste Menschenmaterial muß herangezogen werden, damit die ersten, vorgeschobenen Posten im Kampf gegen Unwissenheit und Unkultur ihrer Aufgabe gewachsen sind. Um das zu ermöglichen, müssen die westeuropäischen jüdischen Gemeinden etwas aus ihrer vornehmen Exklusivität heraustreten und dem Gedanken Raum geben, daß es auch ihre Pflicht ist, an der Kulturarbeit für Galizien in ihrer Weise teilzunehmen. Man weiß in Galizien noch kaum, was dazu gehört, eine Anstalt richtig zu führen, und es gibt auch keine Stipendien, um Studien in dem angeregten Sinne zu ermöglichen. 5. Darum sollten alle gut geleiteten jüdischen Anstalten es sich zur Pflicht machen, für einige Zeit unentgeltlich je eine galizische Hospitantin zur Ausbildung aufzunehmen. Die Kosten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0055" n="55"/> <p> Auch an dem Erträgnis einer Geflügelzucht und des Gartenbaues, die im Erziehungsheim betrieben werden sollen, kann man die ältesten Zöglinge teilnehmen lassen; teils, um in den Mädchen Lust und Interesse für derartige Arbeiten zu erwecken, teils, damit man ihnen bei ihrem Austritt aus dem Heim eine kleine selbstverdiente Summe mitgeben kann. 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Um das zu ermöglichen, müssen die westeuropäischen jüdischen Gemeinden etwas aus ihrer vornehmen Exklusivität heraustreten und dem Gedanken Raum geben, daß es auch ihre Pflicht ist, an der Kulturarbeit für Galizien in ihrer Weise teilzunehmen.</p> <p>Man weiß in Galizien noch kaum, was dazu gehört, eine Anstalt richtig zu führen, und es gibt auch keine Stipendien, um Studien in dem angeregten Sinne zu ermöglichen.</p> <p>5. Darum sollten alle gut geleiteten jüdischen Anstalten es sich zur Pflicht machen, für einige Zeit unentgeltlich je eine galizische <hi rendition="#g">Hospitantin</hi> zur Ausbildung aufzunehmen. Die Kosten </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0055]
Auch an dem Erträgnis einer Geflügelzucht und des Gartenbaues, die im Erziehungsheim betrieben werden sollen, kann man die ältesten Zöglinge teilnehmen lassen; teils, um in den Mädchen Lust und Interesse für derartige Arbeiten zu erwecken, teils, damit man ihnen bei ihrem Austritt aus dem Heim eine kleine selbstverdiente Summe mitgeben kann. Der Ort, an dem ein solches Erziehungsheim gegründet werden könnte, scheint mir, bei allerdings nur oberflächlicher Beurteilung, Zloczow zu sein, wo, wie ich glaube, leicht ein Damenkomitee zu bilden ist, das nach der unter Vorschlag 1 angegebenen Art, mit einem westeuropäischen Verein gemeinsam das Unternehmen zu leiten hätte.
Ein zweites derartiges Heim wäre vielleicht in der Nähe von Krakau zu errichten, damit den Findelkindern der Osolinkaschen Anstalt die Möglichkeit einer guten jüdischen Erziehung gegeben werde. Die Krakauer Gemeinde hätte dann die Pflicht, die Gründung finanziell zu unterstützen.
Meinen, allerdings noch ungenügenden Informationen nach wären die Kosten für solche Institutionen in Galizien bedeutend geringer anzuschlagen als in Deutschland, besonders, wenn man das Prinzip sachgemäßer Einfachheit durchgehend zur Geltung kommen läßt.
Aus der Absicht, wichtige, für das ganze Land vorbildlich wirkende Kulturstätten zu gründen, ergibt sich die Notwendigkeit, über eine Anzahl tüchtiger Leiterinnen verfügen zu können.
An der Qualität der Beamten zu sparen, wäre natürlich sehr wenig sachgemäß. Das beste Menschenmaterial muß herangezogen werden, damit die ersten, vorgeschobenen Posten im Kampf gegen Unwissenheit und Unkultur ihrer Aufgabe gewachsen sind. Um das zu ermöglichen, müssen die westeuropäischen jüdischen Gemeinden etwas aus ihrer vornehmen Exklusivität heraustreten und dem Gedanken Raum geben, daß es auch ihre Pflicht ist, an der Kulturarbeit für Galizien in ihrer Weise teilzunehmen.
Man weiß in Galizien noch kaum, was dazu gehört, eine Anstalt richtig zu führen, und es gibt auch keine Stipendien, um Studien in dem angeregten Sinne zu ermöglichen.
5. Darum sollten alle gut geleiteten jüdischen Anstalten es sich zur Pflicht machen, für einige Zeit unentgeltlich je eine galizische Hospitantin zur Ausbildung aufzunehmen. Die Kosten
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