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Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.

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Es wird aber so oft von judenfeindlicher Seite auf die Tatsache "der Usurpirung des Handels durch die Juden" in einer Weise hingewiesen, daß Außenstehende leicht zu der falschen Vorstellung gelangen, als könnte ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung dadurch große Reichtümer erwerben und im Wohlstand leben.

Abgesehen von einer relativ sehr kleinen Anzahl wohlhabender Kaufleute, gehören die handeltreibenden Juden Galiziens zu dem ärmsten Proletariat, das die Welt aufweist.

Mir ist wiederholt versichert worden, daß der Verdienst manchen Familienvaters wöchentlich eben hinreiche, das Sabbatbrot und die Sabbatkerzen zu kaufen. Die ganze Lebenshaltung jener Juden, im Jargon der Antisemiten "Vampyre, die die christliche Bevölkerung aussaugen", ist eine solche, daß kein christlicher Bauer oder Handwerker im Hinblick auf dieselbe eine Regung des Neides zu empfinden braucht. Hungerkünstler sind es, deren Bedürfnislosigkeit die einfachsten Existenzbedingungen so sehr herabgedrückt hat, daß bei den meisten ein Zustand dauernder Unterernährung herrscht. "Der Magen hat kein Fenster" sagen sie, und wo noch nicht alle Energie erloschen ist, da werden Erinnerungen an vergangene gute Tage, an gute Herkunft (Jichus) mit der Hoffnung auf kommende bessere Zeiten, wie zwei Fäden, an denen das Leben hängt, fest verknüpft, und das kostbare Zwischenglied, um das man sie schlingt, sind die Kinder.

Wenn diese armen Menschen nur verstünden, diesen ihren einzigen Reichtum für die Familie und den Staat wertvoll zu gestalten.

Der Hang nach Luxus unter den Mädchen ist, wenn man die Armseligkeit der allgemeinen Lebenshaltung ganzer Familien in Erwägung zieht, vielleicht als eine Art mißleiteten Regenerationstriebes zu betrachten, den in gute Bahnen zu lenken, erziehlich auszunützen und umzugestalten mit zu den vornehmsten Aufgaben der künftigen Volkserzieher im Lande gehören wird.

Der Begriff dessen, was man Bedürfnis, was Luxus nennt, schwankt nach den gegebenen Verhältnissen.

Ich wollte, die galizische Bevölkerung hätte bald das unabweisliche Bedürfnis nach dem heute noch als Luxus aufgefaßten Besitz von einigen Hemden und anderen Wäsche- und Kleidungsstücken.

Es wird aber so oft von judenfeindlicher Seite auf die Tatsache „der Usurpirung des Handels durch die Juden“ in einer Weise hingewiesen, daß Außenstehende leicht zu der falschen Vorstellung gelangen, als könnte ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung dadurch große Reichtümer erwerben und im Wohlstand leben.

Abgesehen von einer relativ sehr kleinen Anzahl wohlhabender Kaufleute, gehören die handeltreibenden Juden Galiziens zu dem ärmsten Proletariat, das die Welt aufweist.

Mir ist wiederholt versichert worden, daß der Verdienst manchen Familienvaters wöchentlich eben hinreiche, das Sabbatbrot und die Sabbatkerzen zu kaufen. Die ganze Lebenshaltung jener Juden, im Jargon der Antisemiten „Vampyre, die die christliche Bevölkerung aussaugen“, ist eine solche, daß kein christlicher Bauer oder Handwerker im Hinblick auf dieselbe eine Regung des Neides zu empfinden braucht. Hungerkünstler sind es, deren Bedürfnislosigkeit die einfachsten Existenzbedingungen so sehr herabgedrückt hat, daß bei den meisten ein Zustand dauernder Unterernährung herrscht. „Der Magen hat kein Fenster“ sagen sie, und wo noch nicht alle Energie erloschen ist, da werden Erinnerungen an vergangene gute Tage, an gute Herkunft (Jichus) mit der Hoffnung auf kommende bessere Zeiten, wie zwei Fäden, an denen das Leben hängt, fest verknüpft, und das kostbare Zwischenglied, um das man sie schlingt, sind die Kinder.

Wenn diese armen Menschen nur verstünden, diesen ihren einzigen Reichtum für die Familie und den Staat wertvoll zu gestalten.

Der Hang nach Luxus unter den Mädchen ist, wenn man die Armseligkeit der allgemeinen Lebenshaltung ganzer Familien in Erwägung zieht, vielleicht als eine Art mißleiteten Regenerationstriebes zu betrachten, den in gute Bahnen zu lenken, erziehlich auszunützen und umzugestalten mit zu den vornehmsten Aufgaben der künftigen Volkserzieher im Lande gehören wird.

Der Begriff dessen, was man Bedürfnis, was Luxus nennt, schwankt nach den gegebenen Verhältnissen.

Ich wollte, die galizische Bevölkerung hätte bald das unabweisliche Bedürfnis nach dem heute noch als Luxus aufgefaßten Besitz von einigen Hemden und anderen Wäsche- und Kleidungsstücken.

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[27/0027] Es wird aber so oft von judenfeindlicher Seite auf die Tatsache „der Usurpirung des Handels durch die Juden“ in einer Weise hingewiesen, daß Außenstehende leicht zu der falschen Vorstellung gelangen, als könnte ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung dadurch große Reichtümer erwerben und im Wohlstand leben. Abgesehen von einer relativ sehr kleinen Anzahl wohlhabender Kaufleute, gehören die handeltreibenden Juden Galiziens zu dem ärmsten Proletariat, das die Welt aufweist. Mir ist wiederholt versichert worden, daß der Verdienst manchen Familienvaters wöchentlich eben hinreiche, das Sabbatbrot und die Sabbatkerzen zu kaufen. Die ganze Lebenshaltung jener Juden, im Jargon der Antisemiten „Vampyre, die die christliche Bevölkerung aussaugen“, ist eine solche, daß kein christlicher Bauer oder Handwerker im Hinblick auf dieselbe eine Regung des Neides zu empfinden braucht. Hungerkünstler sind es, deren Bedürfnislosigkeit die einfachsten Existenzbedingungen so sehr herabgedrückt hat, daß bei den meisten ein Zustand dauernder Unterernährung herrscht. „Der Magen hat kein Fenster“ sagen sie, und wo noch nicht alle Energie erloschen ist, da werden Erinnerungen an vergangene gute Tage, an gute Herkunft (Jichus) mit der Hoffnung auf kommende bessere Zeiten, wie zwei Fäden, an denen das Leben hängt, fest verknüpft, und das kostbare Zwischenglied, um das man sie schlingt, sind die Kinder. Wenn diese armen Menschen nur verstünden, diesen ihren einzigen Reichtum für die Familie und den Staat wertvoll zu gestalten. Der Hang nach Luxus unter den Mädchen ist, wenn man die Armseligkeit der allgemeinen Lebenshaltung ganzer Familien in Erwägung zieht, vielleicht als eine Art mißleiteten Regenerationstriebes zu betrachten, den in gute Bahnen zu lenken, erziehlich auszunützen und umzugestalten mit zu den vornehmsten Aufgaben der künftigen Volkserzieher im Lande gehören wird. Der Begriff dessen, was man Bedürfnis, was Luxus nennt, schwankt nach den gegebenen Verhältnissen. Ich wollte, die galizische Bevölkerung hätte bald das unabweisliche Bedürfnis nach dem heute noch als Luxus aufgefaßten Besitz von einigen Hemden und anderen Wäsche- und Kleidungsstücken.

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Zitationshilfe: Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pappenheim_galizien_1904/27>, abgerufen am 21.11.2024.