Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.denn wissen wir selbst etwas? - nur Glauben an das Schema, Bild, Figur, und Vertrauen in die Ehrlichkeit unserer Absicht. §. 20. Die moderne Naturwissenschaft glaubt ohne das Postulat, dass die Dinge der Aussenwelt durch Reize auf uns wirken, und dass wir auf diese Weise Kentnis von ihnen bekommen, nicht, ihre Mission, uns in dieser Welt der Erscheinungen zu orjentiren, ausführen zu können; obwohl man jeden ihrer Vertreter innerhalb weniger Minuten zur Anerkennung des Sazes zwingen kann, dass die gesamte Aussenwelt, so wie wir sie sehen, das Produkt unserer Wahrnehmung ist, und das sogenante "Ding an sich", welches nach Abzug unserer Sinnesqualitäten übrig bleiben soll, für eine weitere Spekulazion dann gänzlich überflüssig bleibt. Trozdem glaubt er an die Aussenwelt und hält seine Psische für ihre lezte Stazion. - "Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden!" - Noch mehr: Der Saz, dass das, was ich ausser mir an Raumgrösse "sehe", ausschliesslich als eigentümliche Qualität im Zentrum meiner Wahrnehmung ruht, und als Konsequenz hiervon die ganze Aussenwelt mit all ihren Dingen in mein Innres rükt, und Alles vor mir ausgelöscht ist - ist für jeden wissenschaftlichen Menschen ein unweigerliches Postulat der Lehre von den Sinnes-Energieen; trozdem ist kein filososofisches Teorem ausgearbeitet, welches die Lehre der Erscheinungen auf diese psichische Basis stüzte, sondern die Naturwissenschaften haben zur Voraussezung die Realität der Aussenwelt. - Weiter: Dass die Dinge der Aussenwelt in meinem Innern anders erscheinen, als sie "draussen" sind - da doch der Baum, den ich sehe, nicht in meinen Kopfe kann - soweit gehen unsre Materjalisten mit; wie aber der Baum, den ich als Wahrnehmung in meinem Innern habe, wieder hinaus in die Aussenwelt komt ("projzirt" wird), und draussen nicht als Wahrnehmung sondern als Baum "existirt", dieses skurrile Verhältnis, zu denn wissen wir selbst etwas? – nur Glauben an das Schema, Bild, Figur, und Vertrauen in die Ehrlichkeit unserer Absicht. §. 20. Die moderne Naturwissenschaft glaubt ohne das Postulat, dass die Dinge der Aussenwelt durch Reize auf uns wirken, und dass wir auf diese Weise Kentnis von ihnen bekommen, nicht, ihre Mission, uns in dieser Welt der Erscheinungen zu orjentiren, ausführen zu können; obwohl man jeden ihrer Vertreter innerhalb weniger Minuten zur Anerkennung des Sazes zwingen kann, dass die gesamte Aussenwelt, so wie wir sie sehen, das Produkt unserer Wahrnehmung ist, und das sogenante „Ding an sich“, welches nach Abzug unserer Sinnesqualitäten übrig bleiben soll, für eine weitere Spekulazion dann gänzlich überflüssig bleibt. Trozdem glaubt er an die Aussenwelt und hält seine Psische für ihre lezte Stazion. – „Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden!“ – Noch mehr: Der Saz, dass das, was ich ausser mir an Raumgrösse „sehe“, ausschliesslich als eigentümliche Qualität im Zentrum meiner Wahrnehmung ruht, und als Konsequenz hiervon die ganze Aussenwelt mit all ihren Dingen in mein Innres rükt, und Alles vor mir ausgelöscht ist – ist für jeden wissenschaftlichen Menschen ein unweigerliches Postulat der Lehre von den Sinnes-Energieen; trozdem ist kein filososofisches Teorem ausgearbeitet, welches die Lehre der Erscheinungen auf diese psichische Basis stüzte, sondern die Naturwissenschaften haben zur Voraussezung die Realität der Aussenwelt. – Weiter: Dass die Dinge der Aussenwelt in meinem Innern anders erscheinen, als sie „draussen“ sind – da doch der Baum, den ich sehe, nicht in meinen Kopfe kann – soweit gehen unsre Materjalisten mit; wie aber der Baum, den ich als Wahrnehmung in meinem Innern habe, wieder hinaus in die Aussenwelt komt („projzirt“ wird), und draussen nicht als Wahrnehmung sondern als Baum „existirt“, dieses skurrile Verhältnis, zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0044" n="43"/> denn wissen wir selbst etwas? – nur Glauben an das Schema, Bild, Figur, und Vertrauen in die Ehrlichkeit unserer Absicht.</p> </div> <div n="2"> <head>§. 20.</head><lb/> <p>Die moderne Naturwissenschaft glaubt ohne das Postulat, dass die Dinge der Aussenwelt durch Reize auf uns wirken, und dass wir auf diese Weise Kentnis von ihnen bekommen, nicht, ihre Mission, uns in dieser Welt der Erscheinungen zu orjentiren, ausführen zu können; obwohl man jeden ihrer Vertreter innerhalb weniger Minuten zur Anerkennung des Sazes zwingen kann, dass die gesamte Aussenwelt, so wie wir sie sehen, das Produkt unserer Wahrnehmung ist, und das sogenante „Ding an sich“, welches nach Abzug unserer Sinnesqualitäten übrig bleiben soll, für eine weitere Spekulazion dann gänzlich überflüssig bleibt. Trozdem glaubt er an die Aussenwelt und hält seine Psische für ihre lezte Stazion. – „Solchen <hi rendition="#g">Glauben</hi> habe ich in Israel nicht gefunden!“ – Noch mehr: Der Saz, dass das, was ich ausser mir an Raumgrösse „sehe“, ausschliesslich als eigentümliche Qualität im Zentrum meiner Wahrnehmung ruht, und als Konsequenz hiervon die ganze Aussenwelt mit all ihren Dingen in mein Innres rükt, und Alles vor mir ausgelöscht ist – ist für jeden wissenschaftlichen Menschen ein unweigerliches Postulat der Lehre von den Sinnes-Energieen; trozdem ist kein filososofisches Teorem ausgearbeitet, welches die Lehre der Erscheinungen auf diese psichische Basis stüzte, sondern die Naturwissenschaften haben zur Voraussezung die Realität der Aussenwelt. – Weiter: Dass die Dinge der Aussenwelt in meinem Innern anders erscheinen, als sie „draussen“ sind – da doch der Baum, den ich sehe, nicht in meinen Kopfe kann – soweit gehen unsre Materjalisten mit; wie aber der Baum, den ich als Wahrnehmung in meinem Innern habe, wieder hinaus in die Aussenwelt komt („projzirt“ wird), und draussen nicht als Wahrnehmung sondern als Baum „existirt“, dieses skurrile Verhältnis, zu </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0044]
denn wissen wir selbst etwas? – nur Glauben an das Schema, Bild, Figur, und Vertrauen in die Ehrlichkeit unserer Absicht.
§. 20.
Die moderne Naturwissenschaft glaubt ohne das Postulat, dass die Dinge der Aussenwelt durch Reize auf uns wirken, und dass wir auf diese Weise Kentnis von ihnen bekommen, nicht, ihre Mission, uns in dieser Welt der Erscheinungen zu orjentiren, ausführen zu können; obwohl man jeden ihrer Vertreter innerhalb weniger Minuten zur Anerkennung des Sazes zwingen kann, dass die gesamte Aussenwelt, so wie wir sie sehen, das Produkt unserer Wahrnehmung ist, und das sogenante „Ding an sich“, welches nach Abzug unserer Sinnesqualitäten übrig bleiben soll, für eine weitere Spekulazion dann gänzlich überflüssig bleibt. Trozdem glaubt er an die Aussenwelt und hält seine Psische für ihre lezte Stazion. – „Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden!“ – Noch mehr: Der Saz, dass das, was ich ausser mir an Raumgrösse „sehe“, ausschliesslich als eigentümliche Qualität im Zentrum meiner Wahrnehmung ruht, und als Konsequenz hiervon die ganze Aussenwelt mit all ihren Dingen in mein Innres rükt, und Alles vor mir ausgelöscht ist – ist für jeden wissenschaftlichen Menschen ein unweigerliches Postulat der Lehre von den Sinnes-Energieen; trozdem ist kein filososofisches Teorem ausgearbeitet, welches die Lehre der Erscheinungen auf diese psichische Basis stüzte, sondern die Naturwissenschaften haben zur Voraussezung die Realität der Aussenwelt. – Weiter: Dass die Dinge der Aussenwelt in meinem Innern anders erscheinen, als sie „draussen“ sind – da doch der Baum, den ich sehe, nicht in meinen Kopfe kann – soweit gehen unsre Materjalisten mit; wie aber der Baum, den ich als Wahrnehmung in meinem Innern habe, wieder hinaus in die Aussenwelt komt („projzirt“ wird), und draussen nicht als Wahrnehmung sondern als Baum „existirt“, dieses skurrile Verhältnis, zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-04-29T10:04:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-04-29T10:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-04-29T10:04:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |