Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.es komme, dass ich nie von meinem Kausalgesez etwas spüre. Ich könte höchstens darauf hinweisen, dass in der geschichtlichen Zeit, da ich begann, diese Welt selbsttätig zu kreiren, aus mir zu projziren, ich, naiv, wie der Schöpfer ist, keine Zeit, kein Hirn, und keine Intelligenz hatte, mich zu informiren, eine Super-Intelligenz, ein Dämon, der mich belehren konte, damals, so wenig wie heute, zu meiner Verfügung stund, und ich, vollauf mit meiner Schöpferarbeit beschäftigt, mit analitischen Fragen mich nicht beschäftigen konte; dass aber später, durch die Gewohnheit eingelernt, ich nicht mehr merkte, was ich tat, und, sowenig ich heute den Luftdruck über mir spüre, der gewaltig ist, ich ehedem die Leistung ahnte, die ich mit der Welt-Projekzion vollbrachte, und die gewaltig ist. - §. 12. Was aber gewinne ich durch diese Darlegung?! So schwer die Zumutung an den Erfahrungsmenschen ist, diese Welt als sein Halluzinazionsprodukt anzusehen, was gewinne ich durch diese ganze Darlegung?: Den Schlüssel zu meiner ganzen Posizion. Die Identität von Körper und Geist, das Zusammenfallen von Ausgedehntem und Gedachtem, die Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Aussenwelt. Ich denke und verwirkliche das Gedachte nicht nur a tempo, im gleichen Zeitmoment, sondern auch - bildlich gesprochen - ad un luogo, am gleichen Ort. Und da meine Zeitschäzung nur das Resultat meiner inneren Vermutung ist, zwischen meiner Wahrnehmung und ihrer Projekzion in die Aussenwelt besteht eine Streke, auf der ich zähle. So nehme ich mit meiner falschen Vermutung auch die Zeit zurük, und erkenne sie als ein - zwangsmässiges - aber illudorisches meiner Wahrnehmung anhaftendes Merkmal. Und ich befinde mich in der Situazion jenes Schläfers, der, als in der Frühe an seine Tür geklopft wurde, rasch noch einen Traum träumte (ein Duell u. dergl.), der seinerseits durch das Klopfen ausgelöst wurde und nach mehreren Episoden ebenfalls mit dem Klopfen, das im Traum ein Schuss u. dergl. ist, schliesst; wobei er erwacht; und nun erkent, die Traumstreke, es komme, dass ich nie von meinem Kausalgesez etwas spüre. Ich könte höchstens darauf hinweisen, dass in der geschichtlichen Zeit, da ich begann, diese Welt selbsttätig zu kreïren, aus mir zu projziren, ich, naiv, wie der Schöpfer ist, keine Zeit, kein Hirn, und keine Intelligenz hatte, mich zu informiren, eine Super-Intelligenz, ein Dämon, der mich belehren konte, damals, so wenig wie heute, zu meiner Verfügung stund, und ich, vollauf mit meiner Schöpferarbeit beschäftigt, mit analitischen Fragen mich nicht beschäftigen konte; dass aber später, durch die Gewohnheit eingelernt, ich nicht mehr merkte, was ich tat, und, sowenig ich heute den Luftdruck über mir spüre, der gewaltig ist, ich ehedem die Leistung ahnte, die ich mit der Welt-Projekzion vollbrachte, und die gewaltig ist. – §. 12. Was aber gewinne ich durch diese Darlegung?! So schwer die Zumutung an den Erfahrungsmenschen ist, diese Welt als sein Halluzinazionsprodukt anzusehen, was gewinne ich durch diese ganze Darlegung?: Den Schlüssel zu meiner ganzen Posizion. Die Identität von Körper und Geist, das Zusammenfallen von Ausgedehntem und Gedachtem, die Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Aussenwelt. Ich denke und verwirkliche das Gedachte nicht nur a tempo, im gleichen Zeitmoment, sondern auch – bildlich gesprochen – ad un luogo, am gleichen Ort. Und da meine Zeitschäzung nur das Resultat meiner inneren Vermutung ist, zwischen meiner Wahrnehmung und ihrer Projekzion in die Aussenwelt besteht eine Streke, auf der ich zähle. So nehme ich mit meiner falschen Vermutung auch die Zeit zurük, und erkenne sie als ein – zwangsmässiges – aber illudorisches meiner Wahrnehmung anhaftendes Merkmal. Und ich befinde mich in der Situazion jenes Schläfers, der, als in der Frühe an seine Tür geklopft wurde, rasch noch einen Traum träumte (ein Duell u. dergl.), der seinerseits durch das Klopfen ausgelöst wurde und nach mehreren Episoden ebenfalls mit dem Klopfen, das im Traum ein Schuss u. dergl. ist, schliesst; wobei er erwacht; und nun erkent, die Traumstreke, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="30"/> es komme, dass ich nie von meinem Kausalgesez etwas spüre. Ich könte höchstens darauf hinweisen, dass in der geschichtlichen Zeit, da ich begann, diese Welt selbsttätig zu kreïren, aus mir zu projziren, ich, naiv, wie der Schöpfer ist, keine Zeit, kein Hirn, und keine Intelligenz hatte, mich zu informiren, eine Super-Intelligenz, ein Dämon, der mich belehren konte, damals, so wenig wie heute, zu meiner Verfügung stund, und ich, vollauf mit meiner Schöpferarbeit beschäftigt, mit analitischen Fragen mich nicht beschäftigen konte; dass aber später, durch die Gewohnheit eingelernt, ich nicht mehr merkte, was ich tat, und, sowenig ich heute den Luftdruck über mir spüre, der gewaltig ist, ich ehedem die Leistung ahnte, die ich mit der Welt-Projekzion vollbrachte, und die gewaltig ist. –</p> </div> <div n="2"> <head>§. 12.</head><lb/> <p>Was aber gewinne ich durch diese Darlegung?! So schwer die Zumutung an den Erfahrungsmenschen ist, diese Welt als sein Halluzinazionsprodukt anzusehen, was gewinne ich durch diese ganze Darlegung?: Den Schlüssel zu meiner ganzen Posizion. Die Identität von Körper und Geist, das Zusammenfallen von Ausgedehntem und Gedachtem, die Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Aussenwelt. Ich denke und verwirkliche das Gedachte nicht nur a tempo, im gleichen Zeitmoment, sondern auch – bildlich gesprochen – ad un luogo, am gleichen Ort. Und da meine Zeitschäzung nur das Resultat meiner inneren Vermutung ist, zwischen meiner Wahrnehmung und ihrer Projekzion in die Aussenwelt besteht eine Streke, auf der ich zähle. So nehme ich mit meiner falschen Vermutung <hi rendition="#g">auch die Zeit zurük</hi>, und erkenne sie als ein – zwangsmässiges – aber illudorisches meiner Wahrnehmung anhaftendes Merkmal. Und ich befinde mich in der Situazion jenes Schläfers, der, als in der Frühe an seine Tür geklopft wurde, rasch noch einen Traum träumte (ein Duell u. dergl.), der seinerseits durch das Klopfen ausgelöst wurde und nach mehreren Episoden <hi rendition="#g">ebenfalls mit dem Klopfen</hi>, das im Traum ein Schuss u. dergl. ist, schliesst; wobei er erwacht; und nun erkent, die Traumstreke, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0031]
es komme, dass ich nie von meinem Kausalgesez etwas spüre. Ich könte höchstens darauf hinweisen, dass in der geschichtlichen Zeit, da ich begann, diese Welt selbsttätig zu kreïren, aus mir zu projziren, ich, naiv, wie der Schöpfer ist, keine Zeit, kein Hirn, und keine Intelligenz hatte, mich zu informiren, eine Super-Intelligenz, ein Dämon, der mich belehren konte, damals, so wenig wie heute, zu meiner Verfügung stund, und ich, vollauf mit meiner Schöpferarbeit beschäftigt, mit analitischen Fragen mich nicht beschäftigen konte; dass aber später, durch die Gewohnheit eingelernt, ich nicht mehr merkte, was ich tat, und, sowenig ich heute den Luftdruck über mir spüre, der gewaltig ist, ich ehedem die Leistung ahnte, die ich mit der Welt-Projekzion vollbrachte, und die gewaltig ist. –
§. 12.
Was aber gewinne ich durch diese Darlegung?! So schwer die Zumutung an den Erfahrungsmenschen ist, diese Welt als sein Halluzinazionsprodukt anzusehen, was gewinne ich durch diese ganze Darlegung?: Den Schlüssel zu meiner ganzen Posizion. Die Identität von Körper und Geist, das Zusammenfallen von Ausgedehntem und Gedachtem, die Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Aussenwelt. Ich denke und verwirkliche das Gedachte nicht nur a tempo, im gleichen Zeitmoment, sondern auch – bildlich gesprochen – ad un luogo, am gleichen Ort. Und da meine Zeitschäzung nur das Resultat meiner inneren Vermutung ist, zwischen meiner Wahrnehmung und ihrer Projekzion in die Aussenwelt besteht eine Streke, auf der ich zähle. So nehme ich mit meiner falschen Vermutung auch die Zeit zurük, und erkenne sie als ein – zwangsmässiges – aber illudorisches meiner Wahrnehmung anhaftendes Merkmal. Und ich befinde mich in der Situazion jenes Schläfers, der, als in der Frühe an seine Tür geklopft wurde, rasch noch einen Traum träumte (ein Duell u. dergl.), der seinerseits durch das Klopfen ausgelöst wurde und nach mehreren Episoden ebenfalls mit dem Klopfen, das im Traum ein Schuss u. dergl. ist, schliesst; wobei er erwacht; und nun erkent, die Traumstreke,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-04-29T10:04:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-04-29T10:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-04-29T10:04:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |