Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.ist, also in den Bereich der Erscheinung fält. Ueber ihr fisiologisches Entstehen sind Alle, Psichiater wie Psichologen, soweit einig, dass sie dieselbe zentral entstehen lassen, in der Hirnrinde, resp. in der Vorstellung; dass selbe - als zentraler Vorgang - fisiologisch indentisch ist mit der durch Sinnesperzepzion, in Folge "äusseren" Reizes entstandenen Wahrnehmung, und dass sie von hier aus nach aussen projzirt wird. Also ein Baum, den ich halluzinire, entsteht als zentraler Prozess in meinem Hirn, resp. in meiner Vorstellung, und wird von hier aus in die Aussenwelt verlegt, wo ich ihn sehe, während ihn meine Nebenmenschen nicht sehen. Aber wie komt es, dass ein Prozess, der in der Regel von aussen nach innen verläuft - der in der Aussenwelt wirklich vorhandene Baum wirkt als Reiz auf mein Auge und pflanzt sich fort bis in mein Hirn, wo er als Baum gesehen wird - nun auf einmal den umgekehrten Weg einschlägt, und, wie die Halluzinazion von Innen nach Aussen geht? Nicht nur wäre dies höchst auffallend und widerspräche allen unseren Kentnissen über Nerven-Fisiologie. Sondern auch das Experiment in Hinsicht der Lokalisazion der Funkzionen der Gehirn-Rinde hat gezeigt, dass Reizung einer sensoriellen Stelle der Hirn-Rinde, z. B. des Sehfeldes niemals perifer einen Seh-Akt oder eine Licht-Empfindung auslöst; während umgekehrt perifere Reizung, z. B. des Nerven-Stumpfes des opticus stets zentral eine optische Wahrnehmung wekt. Woher also der umgekehrte Weg bei der Halluzinazion? - Darauf werden uns die Psichologen vielleicht antworten, dass die Hinausverlegung des halluzinirten Baumes in die Aussenwelt, wo er wirklich gesehen wird, nur funkzionelle Bedeutung habe, nur ein für die Auffassung des Halluzinanten gültiges Ereignis sei, während der wahrhafte Vorgang einzig zentral verlaufe. Der Meinung sind wir auch. Aber wo stekt dann der Unterschied zwischen einem wirklichen und einem halluzinirten Baum, da der zentrale Prozess der Wahrnehmung ja für die Halluzinazion wie für die normale Sinnes-Empfindung der gleiche ist? Wie steht es überhaupt mit dieser Aussenwelt? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt nicht als Innen-Welt empfinde, ist, also in den Bereich der Erscheinung fält. Ueber ihr fisiologisches Entstehen sind Alle, Psichiater wie Psichologen, soweit einig, dass sie dieselbe zentral entstehen lassen, in der Hirnrinde, resp. in der Vorstellung; dass selbe – als zentraler Vorgang – fisiologisch indentisch ist mit der durch Sinnesperzepzion, in Folge „äusseren“ Reizes entstandenen Wahrnehmung, und dass sie von hier aus nach aussen projzirt wird. Also ein Baum, den ich halluzinire, entsteht als zentraler Prozess in meinem Hirn, resp. in meiner Vorstellung, und wird von hier aus in die Aussenwelt verlegt, wo ich ihn sehe, während ihn meine Nebenmenschen nicht sehen. Aber wie komt es, dass ein Prozess, der in der Regel von aussen nach innen verläuft – der in der Aussenwelt wirklich vorhandene Baum wirkt als Reiz auf mein Auge und pflanzt sich fort bis in mein Hirn, wo er als Baum gesehen wird – nun auf einmal den umgekehrten Weg einschlägt, und, wie die Halluzinazion von Innen nach Aussen geht? Nicht nur wäre dies höchst auffallend und widerspräche allen unseren Kentnissen über Nerven-Fisiologie. Sondern auch das Experiment in Hinsicht der Lokalisazion der Funkzionen der Gehirn-Rinde hat gezeigt, dass Reizung einer sensoriellen Stelle der Hirn-Rinde, z. B. des Sehfeldes niemals perifer einen Seh-Akt oder eine Licht-Empfindung auslöst; während umgekehrt perifere Reizung, z. B. des Nerven-Stumpfes des opticus stets zentral eine optische Wahrnehmung wekt. Woher also der umgekehrte Weg bei der Halluzinazion? – Darauf werden uns die Psichologen vielleicht antworten, dass die Hinausverlegung des halluzinirten Baumes in die Aussenwelt, wo er wirklich gesehen wird, nur funkzionelle Bedeutung habe, nur ein für die Auffassung des Halluzinanten gültiges Ereignis sei, während der wahrhafte Vorgang einzig zentral verlaufe. Der Meinung sind wir auch. Aber wo stekt dann der Unterschied zwischen einem wirklichen und einem halluzinirten Baum, da der zentrale Prozess der Wahrnehmung ja für die Halluzinazion wie für die normale Sinnes-Empfindung der gleiche ist? Wie steht es überhaupt mit dieser Aussenwelt? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt nicht als Innen-Welt empfinde, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0020" n="19"/> ist, also in den Bereich der <hi rendition="#g">Erscheinung</hi> fält. Ueber ihr fisiologisches Entstehen sind Alle, Psichiater wie Psichologen, soweit einig, dass sie dieselbe zentral entstehen lassen, in der Hirnrinde, resp. in der Vorstellung; dass selbe – als zentraler Vorgang – fisiologisch indentisch ist mit der durch Sinnesperzepzion, in Folge „äusseren“ Reizes entstandenen Wahrnehmung, und dass sie von hier aus nach aussen projzirt wird. Also ein Baum, den ich halluzinire, entsteht als zentraler Prozess in meinem Hirn, resp. in meiner Vorstellung, und wird von hier aus in die Aussenwelt verlegt, wo ich ihn sehe, während ihn meine Nebenmenschen nicht sehen. Aber wie komt es, dass ein Prozess, der in der Regel von aussen nach innen verläuft – der in der Aussenwelt wirklich vorhandene Baum wirkt als Reiz auf mein Auge und pflanzt sich fort bis in mein Hirn, wo er als Baum gesehen wird – nun auf einmal den umgekehrten Weg einschlägt, und, wie die Halluzinazion von Innen nach Aussen geht? Nicht nur wäre dies höchst auffallend und widerspräche allen unseren Kentnissen über Nerven-Fisiologie. Sondern <choice><sic>aoch</sic><corr>auch</corr></choice> das Experiment in Hinsicht der Lokalisazion der Funkzionen der Gehirn-Rinde hat gezeigt, dass Reizung einer sensoriellen Stelle der Hirn-Rinde, z. B. des Sehfeldes niemals perifer einen Seh-Akt oder eine Licht-Empfindung auslöst; während umgekehrt perifere Reizung, z. B. des Nerven-Stumpfes des opticus stets zentral eine optische Wahrnehmung wekt. Woher also der umgekehrte Weg bei der Halluzinazion? – Darauf werden uns die Psichologen vielleicht antworten, dass die Hinausverlegung des halluzinirten Baumes in die Aussenwelt, wo er wirklich gesehen wird, nur funkzionelle Bedeutung habe, nur ein für die Auffassung des Halluzinanten gültiges Ereignis sei, während der wahrhafte Vorgang einzig zentral verlaufe. Der Meinung sind wir auch. Aber wo stekt dann der Unterschied zwischen einem wirklichen und einem halluzinirten Baum, da der zentrale Prozess der Wahrnehmung ja für die Halluzinazion wie für die normale Sinnes-Empfindung der gleiche ist? Wie steht es überhaupt mit dieser <hi rendition="#g">Aussenwelt</hi>? Wie komt es, dass ich die <hi rendition="#g">Aussen</hi>welt nicht als <hi rendition="#g">Innen</hi>-Welt empfinde, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0020]
ist, also in den Bereich der Erscheinung fält. Ueber ihr fisiologisches Entstehen sind Alle, Psichiater wie Psichologen, soweit einig, dass sie dieselbe zentral entstehen lassen, in der Hirnrinde, resp. in der Vorstellung; dass selbe – als zentraler Vorgang – fisiologisch indentisch ist mit der durch Sinnesperzepzion, in Folge „äusseren“ Reizes entstandenen Wahrnehmung, und dass sie von hier aus nach aussen projzirt wird. Also ein Baum, den ich halluzinire, entsteht als zentraler Prozess in meinem Hirn, resp. in meiner Vorstellung, und wird von hier aus in die Aussenwelt verlegt, wo ich ihn sehe, während ihn meine Nebenmenschen nicht sehen. Aber wie komt es, dass ein Prozess, der in der Regel von aussen nach innen verläuft – der in der Aussenwelt wirklich vorhandene Baum wirkt als Reiz auf mein Auge und pflanzt sich fort bis in mein Hirn, wo er als Baum gesehen wird – nun auf einmal den umgekehrten Weg einschlägt, und, wie die Halluzinazion von Innen nach Aussen geht? Nicht nur wäre dies höchst auffallend und widerspräche allen unseren Kentnissen über Nerven-Fisiologie. Sondern auch das Experiment in Hinsicht der Lokalisazion der Funkzionen der Gehirn-Rinde hat gezeigt, dass Reizung einer sensoriellen Stelle der Hirn-Rinde, z. B. des Sehfeldes niemals perifer einen Seh-Akt oder eine Licht-Empfindung auslöst; während umgekehrt perifere Reizung, z. B. des Nerven-Stumpfes des opticus stets zentral eine optische Wahrnehmung wekt. Woher also der umgekehrte Weg bei der Halluzinazion? – Darauf werden uns die Psichologen vielleicht antworten, dass die Hinausverlegung des halluzinirten Baumes in die Aussenwelt, wo er wirklich gesehen wird, nur funkzionelle Bedeutung habe, nur ein für die Auffassung des Halluzinanten gültiges Ereignis sei, während der wahrhafte Vorgang einzig zentral verlaufe. Der Meinung sind wir auch. Aber wo stekt dann der Unterschied zwischen einem wirklichen und einem halluzinirten Baum, da der zentrale Prozess der Wahrnehmung ja für die Halluzinazion wie für die normale Sinnes-Empfindung der gleiche ist? Wie steht es überhaupt mit dieser Aussenwelt? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt nicht als Innen-Welt empfinde,
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