[Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799.Jesuiten seyn, wenn mir das nur die mindeste Bedenklichkeit hätte erregen können. Denn pro primo ist den Reinen alles rein; zweytens heiliget der Zweck das Mittel; und zum dritten ist alles recht und sittlich gut, was aus Gehorsam gegen priesterliche Befehle geschiehet. Die Fürstinn hatte eine Kammerfrau, die eben so aufgeklärt, so belesen und so kultiviert war, als ihre hohe Gebieterinn, oder vielleicht noch etwas mehr. Sie galt in der Stadt und am Hofe für die Tongeberinn bey der illuminierten Weiberwelt. Sie machte Verse, sprach französisch, englisch und italienisch, schrieb mehrere Stücke für das Liebhaber-Theater, und war Mitarbeiterinn an der Einsiedlerinn aus den Alpen, an der Flora, und an andern lutherischen Frauenzimmer-Journalen: Lucius lebte auf den vertrautesten Fuß mir ihr. Er nannte sie, zum großen Skandale der Glaubigen, öffentlich seine Freundinn; saß Stunden lang bey ihr in der Garderobe, und las ihr Gedichte und Liebes-Historietten vor. Wahrscheinlicher Weise war das Verhältniß dieser beyden Personen ganz unschuldig. Denn die aufgeklärten Leute haben so engelreine Seele, Jesuiten seyn, wenn mir das nur die mindeste Bedenklichkeit hätte erregen können. Denn pro primo ist den Reinen alles rein; zweytens heiliget der Zweck das Mittel; und zum dritten ist alles recht und sittlich gut, was aus Gehorsam gegen priesterliche Befehle geschiehet. Die Fürstinn hatte eine Kammerfrau, die eben so aufgeklärt, so belesen und so kultiviert war, als ihre hohe Gebieterinn, oder vielleicht noch etwas mehr. Sie galt in der Stadt und am Hofe für die Tongeberinn bey der illuminierten Weiberwelt. Sie machte Verse, sprach französisch, englisch und italienisch, schrieb mehrere Stücke für das Liebhaber-Theater, und war Mitarbeiterinn an der Einsiedlerinn aus den Alpen, an der Flora, und an andern lutherischen Frauenzimmer-Journalen: Lucius lebte auf den vertrautesten Fuß mir ihr. Er nannte sie, zum großen Skandale der Glaubigen, öffentlich seine Freundinn; saß Stunden lang bey ihr in der Garderobe, und las ihr Gedichte und Liebes-Historietten vor. Wahrscheinlicher Weise war das Verhältniß dieser beyden Personen ganz unschuldig. Denn die aufgeklärten Leute haben so engelreine Seele, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/> Jesuiten seyn, wenn mir das nur die mindeste Bedenklichkeit hätte erregen können. Denn <hi rendition="#aq">pro primo</hi> ist den Reinen alles rein; zweytens heiliget der Zweck das Mittel; und zum dritten ist alles recht und sittlich gut, was aus Gehorsam gegen priesterliche Befehle geschiehet.</p> <p>Die Fürstinn hatte eine Kammerfrau, die eben so aufgeklärt, so belesen und so kultiviert war, als ihre hohe Gebieterinn, oder vielleicht noch etwas mehr. Sie galt in der Stadt und am Hofe für die Tongeberinn bey der illuminierten Weiberwelt. Sie machte Verse, sprach französisch, englisch und italienisch, schrieb mehrere Stücke für das Liebhaber-Theater, und war Mitarbeiterinn an der <hi rendition="#g">Einsiedlerinn aus den</hi> Alpen, an der <hi rendition="#g">Flora</hi>, und an andern lutherischen Frauenzimmer-Journalen: <hi rendition="#g">Lucius</hi> lebte auf den vertrautesten Fuß mir ihr. Er nannte sie, zum großen Skandale der Glaubigen, öffentlich seine Freundinn; saß Stunden lang bey ihr in der Garderobe, und las ihr Gedichte und Liebes-Historietten vor. Wahrscheinlicher Weise war das Verhältniß dieser beyden Personen ganz unschuldig. Denn die aufgeklärten Leute haben so engelreine Seele, </p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
Jesuiten seyn, wenn mir das nur die mindeste Bedenklichkeit hätte erregen können. Denn pro primo ist den Reinen alles rein; zweytens heiliget der Zweck das Mittel; und zum dritten ist alles recht und sittlich gut, was aus Gehorsam gegen priesterliche Befehle geschiehet.
Die Fürstinn hatte eine Kammerfrau, die eben so aufgeklärt, so belesen und so kultiviert war, als ihre hohe Gebieterinn, oder vielleicht noch etwas mehr. Sie galt in der Stadt und am Hofe für die Tongeberinn bey der illuminierten Weiberwelt. Sie machte Verse, sprach französisch, englisch und italienisch, schrieb mehrere Stücke für das Liebhaber-Theater, und war Mitarbeiterinn an der Einsiedlerinn aus den Alpen, an der Flora, und an andern lutherischen Frauenzimmer-Journalen: Lucius lebte auf den vertrautesten Fuß mir ihr. Er nannte sie, zum großen Skandale der Glaubigen, öffentlich seine Freundinn; saß Stunden lang bey ihr in der Garderobe, und las ihr Gedichte und Liebes-Historietten vor. Wahrscheinlicher Weise war das Verhältniß dieser beyden Personen ganz unschuldig. Denn die aufgeklärten Leute haben so engelreine Seele,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |