Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

dem untadelhaften Wandel der meisten aufgeklärten Priester, beschäftigte die Häupter des Jesus-Bundes oft und viel, und er war auch in der That sehr erheblich, denn es steckt dem Menschen einmal in der Natur, daß er in der Austheilung seiner Achtung mehr auf die Werke als auf den Glauben siehet, und jedermann schätzt den Samariter, der in der Wüste Quarantania den Erschlagenen auf sein Thier lud, höher, als den vielleicht sehr orthodoxen Priester, der bey ihm vorüber gieng. Auch ist von dem Einflusse und von der Wirksamkeit der Menschen, die in dem Geruche der Heiligkeit und der Rechtschaffenheit stehen, weit mehr zu hoffen und zu fürchten, als von erklärten Libertinern. Denn man betrachtete alle ihre Handlungen mit einem sehr günstigen Vorurtheile, man entschuldigt das Zweydeutige und das Verdächtige, sobald nur sie es ausüben, und man glaubt im unbedingten Vertrauen auf ihre Redlichkeit, immer gut zu fahren, wenn man sich ihnen zuversichtlich hingiebt, und in allen Dingen ihrer Stimme folgt.

Wir machten beynahe täglich die Erfahrung, wie schwer es ist, den Glauben an eine Tugend

dem untadelhaften Wandel der meisten aufgeklärten Priester, beschäftigte die Häupter des Jesus-Bundes oft und viel, und er war auch in der That sehr erheblich, denn es steckt dem Menschen einmal in der Natur, daß er in der Austheilung seiner Achtung mehr auf die Werke als auf den Glauben siehet, und jedermann schätzt den Samariter, der in der Wüste Quarantania den Erschlagenen auf sein Thier lud, höher, als den vielleicht sehr orthodoxen Priester, der bey ihm vorüber gieng. Auch ist von dem Einflusse und von der Wirksamkeit der Menschen, die in dem Geruche der Heiligkeit und der Rechtschaffenheit stehen, weit mehr zu hoffen und zu fürchten, als von erklärten Libertinern. Denn man betrachtete alle ihre Handlungen mit einem sehr günstigen Vorurtheile, man entschuldigt das Zweydeutige und das Verdächtige, sobald nur sie es ausüben, und man glaubt im unbedingten Vertrauen auf ihre Redlichkeit, immer gut zu fahren, wenn man sich ihnen zuversichtlich hingiebt, und in allen Dingen ihrer Stimme folgt.

Wir machten beynahe täglich die Erfahrung, wie schwer es ist, den Glauben an eine Tugend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="85"/>
dem untadelhaften Wandel der meisten aufgeklärten Priester, beschäftigte die Häupter des Jesus-Bundes oft und viel, und er war auch in der That sehr erheblich, denn es steckt dem Menschen einmal in der Natur, daß er in der Austheilung seiner Achtung mehr auf die Werke als auf den Glauben siehet, und jedermann schätzt den Samariter, der in der Wüste <hi rendition="#g">Quarantania</hi> den Erschlagenen auf sein Thier lud, höher, als den vielleicht sehr orthodoxen Priester, der bey ihm vorüber gieng. Auch ist von dem Einflusse und von der Wirksamkeit der Menschen, die in dem Geruche der Heiligkeit und der Rechtschaffenheit stehen, weit mehr zu hoffen und zu fürchten, als von erklärten Libertinern. Denn man betrachtete alle ihre Handlungen mit einem sehr günstigen Vorurtheile, man entschuldigt das Zweydeutige und das Verdächtige, sobald nur sie es ausüben, und man glaubt im unbedingten Vertrauen auf ihre Redlichkeit, immer gut zu fahren, wenn man sich ihnen zuversichtlich hingiebt, und in allen Dingen ihrer Stimme folgt.</p>
        <p>Wir machten beynahe täglich die Erfahrung, wie schwer es ist, den Glauben an eine Tugend
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0085] dem untadelhaften Wandel der meisten aufgeklärten Priester, beschäftigte die Häupter des Jesus-Bundes oft und viel, und er war auch in der That sehr erheblich, denn es steckt dem Menschen einmal in der Natur, daß er in der Austheilung seiner Achtung mehr auf die Werke als auf den Glauben siehet, und jedermann schätzt den Samariter, der in der Wüste Quarantania den Erschlagenen auf sein Thier lud, höher, als den vielleicht sehr orthodoxen Priester, der bey ihm vorüber gieng. Auch ist von dem Einflusse und von der Wirksamkeit der Menschen, die in dem Geruche der Heiligkeit und der Rechtschaffenheit stehen, weit mehr zu hoffen und zu fürchten, als von erklärten Libertinern. Denn man betrachtete alle ihre Handlungen mit einem sehr günstigen Vorurtheile, man entschuldigt das Zweydeutige und das Verdächtige, sobald nur sie es ausüben, und man glaubt im unbedingten Vertrauen auf ihre Redlichkeit, immer gut zu fahren, wenn man sich ihnen zuversichtlich hingiebt, und in allen Dingen ihrer Stimme folgt. Wir machten beynahe täglich die Erfahrung, wie schwer es ist, den Glauben an eine Tugend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Alle redaktionellen Texte dieses Projektes stehen unter der Lizenz CC-BY-SA 2.0 deutsch



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799/85
Zitationshilfe: [Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799/85>, abgerufen am 24.11.2024.