Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Durch diesen Vortrag wurden unsre Köpfe mit so vielen sich durchkreuzenden Ideen angefüllt, und so sehr auf dieselben hingehalten, daß wir die weitern gottesdienstlichen Uebungen des Volks, nicht mehr mit Aufmerksamkeit beobachten konnten. "Wir wissen nun so viel als zuvor;" sagte Elafu, als wir auf unser Zimmer zurükgekommen waren. "Ich kann mich, fuhr er fort, unmöglich überzeugen, daß der Redner mit seinen Ausdrüken die nämlichen Begriffe verbindet, die er durch sie in uns geweckt hat: denn wäre unser Sinn der Seinige, so schien ja seine Religion ganz darauf angelegt, alle moralische Thätigkeit in dem Menschen zu unterdrüken, folglich gerade das Gegentheil von dem zu bewirken, was andre vernünftige Geschöpfe durch die Religion bezielen." - Atabu war nicht ganz der Meinung seines Kollegen, und fand es sehr begreiflich, daß sich solche Ideen unter einem Volke, das noch auf einem niedrigen Grade der Kultur stehet, fixiren und eine Zeitlang erhalten; "ja, fuhr er fort, diese Ideen

Durch diesen Vortrag wurden unsre Köpfe mit so vielen sich durchkreuzenden Ideen angefüllt, und so sehr auf dieselben hingehalten, daß wir die weitern gottesdienstlichen Uebungen des Volks, nicht mehr mit Aufmerksamkeit beobachten konnten. „Wir wissen nun so viel als zuvor;“ sagte Elafu, als wir auf unser Zimmer zurükgekommen waren. „Ich kann mich, fuhr er fort, unmöglich überzeugen, daß der Redner mit seinen Ausdrüken die nämlichen Begriffe verbindet, die er durch sie in uns geweckt hat: denn wäre unser Sinn der Seinige, so schien ja seine Religion ganz darauf angelegt, alle moralische Thätigkeit in dem Menschen zu unterdrüken, folglich gerade das Gegentheil von dem zu bewirken, was andre vernünftige Geschöpfe durch die Religion bezielen.“ – Atabu war nicht ganz der Meinung seines Kollegen, und fand es sehr begreiflich, daß sich solche Ideen unter einem Volke, das noch auf einem niedrigen Grade der Kultur stehet, fixiren und eine Zeitlang erhalten; „ja, fuhr er fort, diese Ideen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0050" n="46"/>
        <p>Durch diesen Vortrag wurden unsre Köpfe mit so vielen sich durchkreuzenden Ideen angefüllt, und so sehr auf dieselben hingehalten, daß wir die weitern gottesdienstlichen Uebungen des Volks, nicht mehr mit Aufmerksamkeit beobachten konnten. &#x201E;Wir wissen nun so viel als zuvor;&#x201C; sagte <hi rendition="#g">Elafu</hi>, als wir auf unser Zimmer zurükgekommen waren. &#x201E;Ich kann mich, fuhr er fort, unmöglich überzeugen, daß der Redner mit seinen Ausdrüken die nämlichen Begriffe verbindet, die er durch sie in uns geweckt hat: denn wäre unser Sinn der Seinige, so schien ja seine Religion ganz darauf angelegt, alle moralische Thätigkeit in dem Menschen zu unterdrüken, folglich gerade das Gegentheil von dem zu bewirken, was andre vernünftige Geschöpfe durch die Religion bezielen.&#x201C; &#x2013; <hi rendition="#g">Atabu</hi> war nicht ganz der Meinung seines Kollegen, und fand es sehr begreiflich, daß sich solche Ideen unter einem Volke, das noch auf einem niedrigen Grade der Kultur stehet, fixiren und eine Zeitlang erhalten; &#x201E;ja, fuhr er fort, diese Ideen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0050] Durch diesen Vortrag wurden unsre Köpfe mit so vielen sich durchkreuzenden Ideen angefüllt, und so sehr auf dieselben hingehalten, daß wir die weitern gottesdienstlichen Uebungen des Volks, nicht mehr mit Aufmerksamkeit beobachten konnten. „Wir wissen nun so viel als zuvor;“ sagte Elafu, als wir auf unser Zimmer zurükgekommen waren. „Ich kann mich, fuhr er fort, unmöglich überzeugen, daß der Redner mit seinen Ausdrüken die nämlichen Begriffe verbindet, die er durch sie in uns geweckt hat: denn wäre unser Sinn der Seinige, so schien ja seine Religion ganz darauf angelegt, alle moralische Thätigkeit in dem Menschen zu unterdrüken, folglich gerade das Gegentheil von dem zu bewirken, was andre vernünftige Geschöpfe durch die Religion bezielen.“ – Atabu war nicht ganz der Meinung seines Kollegen, und fand es sehr begreiflich, daß sich solche Ideen unter einem Volke, das noch auf einem niedrigen Grade der Kultur stehet, fixiren und eine Zeitlang erhalten; „ja, fuhr er fort, diese Ideen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/50
Zitationshilfe: [Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/50>, abgerufen am 23.11.2024.