Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.So legte es sich wie ein drückender Alp auf seine Brust. Da drinnen fühlte er es bestimmt: so werde es kommen. Wer so die niedern Arbeiter tagtäglich freiwillig und friedlich sieht an ihre einförmigen und schweren Geschäfte gehen, der ahnt wohl nicht, welch' ungeheuere Kämpfe oft mögen ausgekämpft werden in diesen stummen Herzen, die hinter einem groben grauen Hemd und unter einer zerrissenen Jacke schlagen. -- Und wenn auch öfter noch vielleicht diese Herzen kein Verlangen haben, weil der hungernde Magen daneben eine beredtere Sprache als sie gelernt hat, wenn auch all' diese Sinne durch frühe Gewöhnung thierisch abgestumpft sind und nur aus Gewohnheit ein lästiges Leben fortführen, ohne ein anderes zu begehren, weil ihnen von ihrer Geburt an vorgesagt worden ist: das sei ihr Loos -- und sie für sich niemals ein anderes erstreb'bar hielten: ach, so trifft doch doppelte Qual diejenigen, welche aus ihrer dumpfen Lebensnacht aufgewacht sind und sich doch ausgeschlossen sehen von All' dem, was man eigentlich Leben nennt. Dann beginnt jenes Ringen des innern Menschen wider das Loos, zu dem der äußere Mensch durch seine Geburt verdammt ist. Und wer nun frommer Sieger bleibt in solchen Kämpfen, vielleicht der härtesten von allen, welche den Menschen beschieden sind, dessen wartet dafür kein Wort der Anerkennung, kein So legte es sich wie ein drückender Alp auf seine Brust. Da drinnen fühlte er es bestimmt: so werde es kommen. Wer so die niedern Arbeiter tagtäglich freiwillig und friedlich sieht an ihre einförmigen und schweren Geschäfte gehen, der ahnt wohl nicht, welch’ ungeheuere Kämpfe oft mögen ausgekämpft werden in diesen stummen Herzen, die hinter einem groben grauen Hemd und unter einer zerrissenen Jacke schlagen. — Und wenn auch öfter noch vielleicht diese Herzen kein Verlangen haben, weil der hungernde Magen daneben eine beredtere Sprache als sie gelernt hat, wenn auch all’ diese Sinne durch frühe Gewöhnung thierisch abgestumpft sind und nur aus Gewohnheit ein lästiges Leben fortführen, ohne ein anderes zu begehren, weil ihnen von ihrer Geburt an vorgesagt worden ist: das sei ihr Loos — und sie für sich niemals ein anderes erstreb’bar hielten: ach, so trifft doch doppelte Qual diejenigen, welche aus ihrer dumpfen Lebensnacht aufgewacht sind und sich doch ausgeschlossen sehen von All’ dem, was man eigentlich Leben nennt. Dann beginnt jenes Ringen des innern Menschen wider das Loos, zu dem der äußere Mensch durch seine Geburt verdammt ist. Und wer nun frommer Sieger bleibt in solchen Kämpfen, vielleicht der härtesten von allen, welche den Menschen beschieden sind, dessen wartet dafür kein Wort der Anerkennung, kein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="28"/> So legte es sich wie ein drückender Alp auf seine Brust. Da drinnen fühlte er es bestimmt: so werde es kommen.</p> <p>Wer so die niedern Arbeiter tagtäglich freiwillig und friedlich sieht an ihre einförmigen und schweren Geschäfte gehen, der ahnt wohl nicht, welch’ ungeheuere Kämpfe oft mögen ausgekämpft werden in diesen stummen Herzen, die hinter einem groben grauen Hemd und unter einer zerrissenen Jacke schlagen. — Und wenn auch öfter noch vielleicht diese Herzen kein Verlangen haben, weil der hungernde Magen daneben eine beredtere Sprache als sie gelernt hat, wenn auch all’ diese Sinne durch frühe Gewöhnung thierisch abgestumpft sind und nur aus Gewohnheit ein lästiges Leben fortführen, ohne ein anderes zu begehren, weil ihnen von ihrer Geburt an vorgesagt worden ist: das sei ihr Loos — und sie für sich niemals ein anderes erstreb’bar hielten: ach, so trifft doch doppelte Qual diejenigen, welche aus ihrer dumpfen Lebensnacht aufgewacht sind und sich doch ausgeschlossen sehen von All’ dem, was man eigentlich Leben nennt. Dann beginnt jenes Ringen des innern Menschen wider das Loos, zu dem der äußere Mensch durch seine Geburt verdammt ist. Und wer nun frommer Sieger bleibt in solchen Kämpfen, vielleicht der härtesten von allen, welche den Menschen beschieden sind, dessen wartet dafür kein Wort der Anerkennung, kein </p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0032]
So legte es sich wie ein drückender Alp auf seine Brust. Da drinnen fühlte er es bestimmt: so werde es kommen.
Wer so die niedern Arbeiter tagtäglich freiwillig und friedlich sieht an ihre einförmigen und schweren Geschäfte gehen, der ahnt wohl nicht, welch’ ungeheuere Kämpfe oft mögen ausgekämpft werden in diesen stummen Herzen, die hinter einem groben grauen Hemd und unter einer zerrissenen Jacke schlagen. — Und wenn auch öfter noch vielleicht diese Herzen kein Verlangen haben, weil der hungernde Magen daneben eine beredtere Sprache als sie gelernt hat, wenn auch all’ diese Sinne durch frühe Gewöhnung thierisch abgestumpft sind und nur aus Gewohnheit ein lästiges Leben fortführen, ohne ein anderes zu begehren, weil ihnen von ihrer Geburt an vorgesagt worden ist: das sei ihr Loos — und sie für sich niemals ein anderes erstreb’bar hielten: ach, so trifft doch doppelte Qual diejenigen, welche aus ihrer dumpfen Lebensnacht aufgewacht sind und sich doch ausgeschlossen sehen von All’ dem, was man eigentlich Leben nennt. Dann beginnt jenes Ringen des innern Menschen wider das Loos, zu dem der äußere Mensch durch seine Geburt verdammt ist. Und wer nun frommer Sieger bleibt in solchen Kämpfen, vielleicht der härtesten von allen, welche den Menschen beschieden sind, dessen wartet dafür kein Wort der Anerkennung, kein
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