Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.allein Schuld, Elisabeth, das will ich Ihnen ein Mal später erklären, da Sie jetzt ungläubig lächeln." Aurelie sagte: "das wäre wirklich so allerliebst, als seltsam -- aber um meine Erzählung fortzusetzen: die Nähe von Hohenthal in dem neuen Badeort wirkte endlich auch entscheidend auf meine Tante und schneller als mit dem Entschluß ging es mit unsrer Abreise, daher erhieltst Du auch keine vorbereitende Nachricht. Gestern am späten Abend sind wir hier eingetroffen und haben uns nothdürftig placirt. Onkel und Tante folgen mir in einem Stündchen zu Euch nach. Unterdeß mag die Doctor Thal -- --" Aurelie unterbrach sich plötzlich: "Ach, das hab' ich Dir noch gar nicht einmal gesagt. Die Gesellschafterin meiner Tante ist nämlich niemand Anders, als die Doctor Thalheim, die Frau unsers Lehrers, welchen Du so schwärmerisch verehrtest und welcher --" Elisabeth fiel ihr in's Wort: "Nicht möglich!" rief sie. "So haben sie sich ganz und für immer getrennt? Und hat er ihr auch sein Kind nicht länger anvertrauen mögen?" Sie war zu sehr überrascht von Aureliens Neuigkeit, zu gespannt auf deren Antwort, als daß sie hätte bemerken sollen, wie ein leises, bitteres Zucken, eine vorübergehende schauernde Blässe der Bestürzung über Jaromirs vorhin so glückstrahlende Züge flog -- auch ward er bald dieser äußern Bewegung Meister; doch Aureliens Blick war zufällig allein Schuld, Elisabeth, das will ich Ihnen ein Mal später erklären, da Sie jetzt ungläubig lächeln.“ Aurelie sagte: „das wäre wirklich so allerliebst, als seltsam — aber um meine Erzählung fortzusetzen: die Nähe von Hohenthal in dem neuen Badeort wirkte endlich auch entscheidend auf meine Tante und schneller als mit dem Entschluß ging es mit unsrer Abreise, daher erhieltst Du auch keine vorbereitende Nachricht. Gestern am späten Abend sind wir hier eingetroffen und haben uns nothdürftig placirt. Onkel und Tante folgen mir in einem Stündchen zu Euch nach. Unterdeß mag die Doctor Thal — —“ Aurelie unterbrach sich plötzlich: „Ach, das hab’ ich Dir noch gar nicht einmal gesagt. Die Gesellschafterin meiner Tante ist nämlich niemand Anders, als die Doctor Thalheim, die Frau unsers Lehrers, welchen Du so schwärmerisch verehrtest und welcher —“ Elisabeth fiel ihr in’s Wort: „Nicht möglich!“ rief sie. „So haben sie sich ganz und für immer getrennt? Und hat er ihr auch sein Kind nicht länger anvertrauen mögen?“ Sie war zu sehr überrascht von Aureliens Neuigkeit, zu gespannt auf deren Antwort, als daß sie hätte bemerken sollen, wie ein leises, bitteres Zucken, eine vorübergehende schauernde Blässe der Bestürzung über Jaromirs vorhin so glückstrahlende Züge flog — auch ward er bald dieser äußern Bewegung Meister; doch Aureliens Blick war zufällig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="16"/> allein Schuld, Elisabeth, das will ich Ihnen ein Mal später erklären, da Sie jetzt ungläubig lächeln.“</p> <p>Aurelie sagte: „das wäre wirklich so allerliebst, als seltsam — aber um meine Erzählung fortzusetzen: die Nähe von Hohenthal in dem neuen Badeort wirkte endlich auch entscheidend auf meine Tante und schneller als mit dem Entschluß ging es mit unsrer Abreise, daher erhieltst Du auch keine vorbereitende Nachricht. Gestern am späten Abend sind wir hier eingetroffen und haben uns nothdürftig placirt. Onkel und Tante folgen mir in einem Stündchen zu Euch nach. Unterdeß mag die Doctor Thal — —“ Aurelie unterbrach sich plötzlich: „Ach, das hab’ ich Dir noch gar nicht einmal gesagt. Die Gesellschafterin meiner Tante ist nämlich niemand Anders, als die Doctor Thalheim, die Frau unsers Lehrers, welchen Du so schwärmerisch verehrtest und welcher —“</p> <p>Elisabeth fiel ihr in’s Wort: „Nicht möglich!“ rief sie. „So haben sie sich ganz und für immer getrennt? Und hat er ihr auch sein Kind nicht länger anvertrauen mögen?“ Sie war zu sehr überrascht von Aureliens Neuigkeit, zu gespannt auf deren Antwort, als daß sie hätte bemerken sollen, wie ein leises, bitteres Zucken, eine vorübergehende schauernde Blässe der Bestürzung über Jaromirs vorhin so glückstrahlende Züge flog — auch ward er bald dieser äußern Bewegung Meister; doch Aureliens Blick war zufällig </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0020]
allein Schuld, Elisabeth, das will ich Ihnen ein Mal später erklären, da Sie jetzt ungläubig lächeln.“
Aurelie sagte: „das wäre wirklich so allerliebst, als seltsam — aber um meine Erzählung fortzusetzen: die Nähe von Hohenthal in dem neuen Badeort wirkte endlich auch entscheidend auf meine Tante und schneller als mit dem Entschluß ging es mit unsrer Abreise, daher erhieltst Du auch keine vorbereitende Nachricht. Gestern am späten Abend sind wir hier eingetroffen und haben uns nothdürftig placirt. Onkel und Tante folgen mir in einem Stündchen zu Euch nach. Unterdeß mag die Doctor Thal — —“ Aurelie unterbrach sich plötzlich: „Ach, das hab’ ich Dir noch gar nicht einmal gesagt. Die Gesellschafterin meiner Tante ist nämlich niemand Anders, als die Doctor Thalheim, die Frau unsers Lehrers, welchen Du so schwärmerisch verehrtest und welcher —“
Elisabeth fiel ihr in’s Wort: „Nicht möglich!“ rief sie. „So haben sie sich ganz und für immer getrennt? Und hat er ihr auch sein Kind nicht länger anvertrauen mögen?“ Sie war zu sehr überrascht von Aureliens Neuigkeit, zu gespannt auf deren Antwort, als daß sie hätte bemerken sollen, wie ein leises, bitteres Zucken, eine vorübergehende schauernde Blässe der Bestürzung über Jaromirs vorhin so glückstrahlende Züge flog — auch ward er bald dieser äußern Bewegung Meister; doch Aureliens Blick war zufällig
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