Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.In staatsgefährlichen Zeiten ließ sich am Ende Alles entschuldigen -- auch wenn Amalie nicht schwieg -- und sie gelobte Schweigen -- ein heißgeglühtes Federmesser hob mit leichter Mühe das starke Siegel unverletzt ab. Der Brief enthielt an den befreundeten Redacteur eine Empfehlung Franz Thalheims zum Mitarbeiter, da dieser wahrscheinlich sich in Kurzem ganz der Volksschriftstellerei widmen werde. Es hieß darin unter Anderm: "Sein Bruder und ich halten ihn für vollkommen befähigt zu dem neuen Lebensplan, welchen jener für ihn ausgesonnen." Der Polizeirath war befriedigt, der Brief ward notirt und wieder vorsichtig versiegelt. Amalie erfuhr den Inhalt nicht, aber sie las es in seinen Mienen, daß sie einen Schritt zu ihrem Ziel gethan. Ehe er mit ihr ein neues Verhör über Gatten und Schwager anstellte, fand er es gerathen, mit Bordenbrücken Rücksprache zu nehmen. Darum ging er. Von dem Geheimrath erfuhr er alles unterdeß Vorgefallene. Anton, der schon seit jener ersten Bekantschaft mit Schuhmacher, als er den Namen Stiefel angenommen, immer als Aufpasser und Berichterstatter in dessen geheimen Sold geblieben war, hatte angezeigt, daß die Brüder Thalheim mehrfach lange Zwiesprache gehabt, daß seitdem Franz sie Alle meide, immer zur Ruhe und Frieden rede, aber daß hinter dieser Maske jedenfalls die rebellischsten Absichten steckten. In staatsgefährlichen Zeiten ließ sich am Ende Alles entschuldigen — auch wenn Amalie nicht schwieg — und sie gelobte Schweigen — ein heißgeglühtes Federmesser hob mit leichter Mühe das starke Siegel unverletzt ab. Der Brief enthielt an den befreundeten Redacteur eine Empfehlung Franz Thalheims zum Mitarbeiter, da dieser wahrscheinlich sich in Kurzem ganz der Volksschriftstellerei widmen werde. Es hieß darin unter Anderm: „Sein Bruder und ich halten ihn für vollkommen befähigt zu dem neuen Lebensplan, welchen jener für ihn ausgesonnen.“ Der Polizeirath war befriedigt, der Brief ward notirt und wieder vorsichtig versiegelt. Amalie erfuhr den Inhalt nicht, aber sie las es in seinen Mienen, daß sie einen Schritt zu ihrem Ziel gethan. Ehe er mit ihr ein neues Verhör über Gatten und Schwager anstellte, fand er es gerathen, mit Bordenbrücken Rücksprache zu nehmen. Darum ging er. Von dem Geheimrath erfuhr er alles unterdeß Vorgefallene. Anton, der schon seit jener ersten Bekantschaft mit Schuhmacher, als er den Namen Stiefel angenommen, immer als Aufpasser und Berichterstatter in dessen geheimen Sold geblieben war, hatte angezeigt, daß die Brüder Thalheim mehrfach lange Zwiesprache gehabt, daß seitdem Franz sie Alle meide, immer zur Ruhe und Frieden rede, aber daß hinter dieser Maske jedenfalls die rebellischsten Absichten steckten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="152"/> <p> In staatsgefährlichen Zeiten ließ sich am Ende Alles entschuldigen — auch wenn Amalie nicht schwieg — und sie gelobte Schweigen — ein heißgeglühtes Federmesser hob mit leichter Mühe das starke Siegel unverletzt ab.</p> <p>Der Brief enthielt an den befreundeten Redacteur eine Empfehlung Franz Thalheims zum Mitarbeiter, da dieser wahrscheinlich sich in Kurzem ganz der Volksschriftstellerei widmen werde. Es hieß darin unter Anderm: „Sein Bruder und ich halten ihn für vollkommen befähigt zu dem neuen Lebensplan, welchen jener für ihn ausgesonnen.“</p> <p>Der Polizeirath war befriedigt, der Brief ward notirt und wieder vorsichtig versiegelt. Amalie erfuhr den Inhalt nicht, aber sie las es in seinen Mienen, daß sie einen Schritt zu ihrem Ziel gethan. Ehe er mit ihr ein neues Verhör über Gatten und Schwager anstellte, fand er es gerathen, mit Bordenbrücken Rücksprache zu nehmen. Darum ging er.</p> <p>Von dem Geheimrath erfuhr er alles unterdeß Vorgefallene. Anton, der schon seit jener ersten Bekantschaft mit Schuhmacher, als er den Namen Stiefel angenommen, immer als Aufpasser und Berichterstatter in dessen geheimen Sold geblieben war, hatte angezeigt, daß die Brüder Thalheim mehrfach lange Zwiesprache gehabt, daß seitdem Franz sie Alle meide, immer zur Ruhe und Frieden rede, aber daß hinter dieser Maske jedenfalls die rebellischsten Absichten steckten. </p> </div> </body> </text> </TEI> [152/0156]
In staatsgefährlichen Zeiten ließ sich am Ende Alles entschuldigen — auch wenn Amalie nicht schwieg — und sie gelobte Schweigen — ein heißgeglühtes Federmesser hob mit leichter Mühe das starke Siegel unverletzt ab.
Der Brief enthielt an den befreundeten Redacteur eine Empfehlung Franz Thalheims zum Mitarbeiter, da dieser wahrscheinlich sich in Kurzem ganz der Volksschriftstellerei widmen werde. Es hieß darin unter Anderm: „Sein Bruder und ich halten ihn für vollkommen befähigt zu dem neuen Lebensplan, welchen jener für ihn ausgesonnen.“
Der Polizeirath war befriedigt, der Brief ward notirt und wieder vorsichtig versiegelt. Amalie erfuhr den Inhalt nicht, aber sie las es in seinen Mienen, daß sie einen Schritt zu ihrem Ziel gethan. Ehe er mit ihr ein neues Verhör über Gatten und Schwager anstellte, fand er es gerathen, mit Bordenbrücken Rücksprache zu nehmen. Darum ging er.
Von dem Geheimrath erfuhr er alles unterdeß Vorgefallene. Anton, der schon seit jener ersten Bekantschaft mit Schuhmacher, als er den Namen Stiefel angenommen, immer als Aufpasser und Berichterstatter in dessen geheimen Sold geblieben war, hatte angezeigt, daß die Brüder Thalheim mehrfach lange Zwiesprache gehabt, daß seitdem Franz sie Alle meide, immer zur Ruhe und Frieden rede, aber daß hinter dieser Maske jedenfalls die rebellischsten Absichten steckten.
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