Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.Und als sie geendet hatte und er noch immer träumend vor sich niederblickte, sagte sie lächelnd: "Nun, mein Lied hat wohl gar das große Kind in Schlummer gesungen?" Und wie sie ihre Wange an die seinige lehnte, sah sie eine helle Thräne in seinem Auge -- sie küßte sie ihm hinweg, und unaussprechlich selig hielten sie einander in den Armen. Sie hatte zwei Guirlanden vollendet und wand sie um die Marmorsäulen. Die schönsten Rosen hatte sie noch zurückbehalten. "Aus diesen winde Dir selbst eine Krone!" bat er. Sie begann das anmuthige Geschäft von Neuem. Er saß neben ihr; sie umschlungen haltend, sah er über ihre Schultern hinweg ihren regen Fingern zu. Da rauschte es plötzlich wie von Tritten und im Grase schleppendem Seidenzeuge -- Elisabeth sah auf, sprang erschrocken empor -- die Rosen fielen von ihrem Schoos zu ihren Füßen -- ein Ausruf der Ueberraschung drang aus ihrem Munde. "Du streust mir Blumen, Elisabeth!" rief lachend eine jugendfrische Stimme. Sie kam von einer jungen Dame mit einem hübschen muntern Gesicht, zu dem schwarze Locken und ein blumengeschmückter Strohhut recht gut paßten. "Aurelie!" rief Elisabeth -- und die jungen Verwandtinnen Und als sie geendet hatte und er noch immer träumend vor sich niederblickte, sagte sie lächelnd: „Nun, mein Lied hat wohl gar das große Kind in Schlummer gesungen?“ Und wie sie ihre Wange an die seinige lehnte, sah sie eine helle Thräne in seinem Auge — sie küßte sie ihm hinweg, und unaussprechlich selig hielten sie einander in den Armen. Sie hatte zwei Guirlanden vollendet und wand sie um die Marmorsäulen. Die schönsten Rosen hatte sie noch zurückbehalten. „Aus diesen winde Dir selbst eine Krone!“ bat er. Sie begann das anmuthige Geschäft von Neuem. Er saß neben ihr; sie umschlungen haltend, sah er über ihre Schultern hinweg ihren regen Fingern zu. Da rauschte es plötzlich wie von Tritten und im Grase schleppendem Seidenzeuge — Elisabeth sah auf, sprang erschrocken empor — die Rosen fielen von ihrem Schoos zu ihren Füßen — ein Ausruf der Ueberraschung drang aus ihrem Munde. „Du streust mir Blumen, Elisabeth!“ rief lachend eine jugendfrische Stimme. Sie kam von einer jungen Dame mit einem hübschen muntern Gesicht, zu dem schwarze Locken und ein blumengeschmückter Strohhut recht gut paßten. „Aurelie!“ rief Elisabeth — und die jungen Verwandtinnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0015" n="11"/> <p> Und als sie geendet hatte und er noch immer träumend vor sich niederblickte, sagte sie lächelnd:</p> <p>„Nun, mein Lied hat wohl gar das große Kind in Schlummer gesungen?“ Und wie sie ihre Wange an die seinige lehnte, sah sie eine helle Thräne in seinem Auge — sie küßte sie ihm hinweg, und unaussprechlich selig hielten sie einander in den Armen.</p> <p>Sie hatte zwei Guirlanden vollendet und wand sie um die Marmorsäulen. Die schönsten Rosen hatte sie noch zurückbehalten.</p> <p>„Aus diesen winde Dir selbst eine Krone!“ bat er.</p> <p>Sie begann das anmuthige Geschäft von Neuem. Er saß neben ihr; sie umschlungen haltend, sah er über ihre Schultern hinweg ihren regen Fingern zu.</p> <p>Da rauschte es plötzlich wie von Tritten und im Grase schleppendem Seidenzeuge — Elisabeth sah auf, sprang erschrocken empor — die Rosen fielen von ihrem Schoos zu ihren Füßen — ein Ausruf der Ueberraschung drang aus ihrem Munde.</p> <p>„Du streust mir Blumen, Elisabeth!“ rief lachend eine jugendfrische Stimme. Sie kam von einer jungen Dame mit einem hübschen muntern Gesicht, zu dem schwarze Locken und ein blumengeschmückter Strohhut recht gut paßten.</p> <p>„Aurelie!“ rief Elisabeth — und die jungen Verwandtinnen </p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0015]
Und als sie geendet hatte und er noch immer träumend vor sich niederblickte, sagte sie lächelnd:
„Nun, mein Lied hat wohl gar das große Kind in Schlummer gesungen?“ Und wie sie ihre Wange an die seinige lehnte, sah sie eine helle Thräne in seinem Auge — sie küßte sie ihm hinweg, und unaussprechlich selig hielten sie einander in den Armen.
Sie hatte zwei Guirlanden vollendet und wand sie um die Marmorsäulen. Die schönsten Rosen hatte sie noch zurückbehalten.
„Aus diesen winde Dir selbst eine Krone!“ bat er.
Sie begann das anmuthige Geschäft von Neuem. Er saß neben ihr; sie umschlungen haltend, sah er über ihre Schultern hinweg ihren regen Fingern zu.
Da rauschte es plötzlich wie von Tritten und im Grase schleppendem Seidenzeuge — Elisabeth sah auf, sprang erschrocken empor — die Rosen fielen von ihrem Schoos zu ihren Füßen — ein Ausruf der Ueberraschung drang aus ihrem Munde.
„Du streust mir Blumen, Elisabeth!“ rief lachend eine jugendfrische Stimme. Sie kam von einer jungen Dame mit einem hübschen muntern Gesicht, zu dem schwarze Locken und ein blumengeschmückter Strohhut recht gut paßten.
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/15>, abgerufen am 16.02.2025. |