Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.sie von Fremden zu sprechen -- und zwar von Paulinen. "Seitdem ich weiß, was Liebe ist," begann sie mit einem unterdrückten Seufzer, "kann mich Paulinens Schicksal auf das Tiefste bekümmern -- was auch ihr Loos sein mag: glücklich wird sie niemals werden können!" "Und fühlt sie das selbst schon, oder sprechen Sie nur aus der Erfahrung theilnehmender Freundschaft?" "Ich habe sie plötzlich besser selbst verstehen lernen, als sie sich versteht -- weil ich zum Bewußtsein der Liebe gekommen bin -- sie ist's vielleicht noch nicht." "So wissen Sie Alles -- und bestätigen die Ahnungen meines Bruders?" "Ja -- ich habe es errathen. -- Und was wird ihr Loos sein?" "Sich dem Herkommen zu fügen -- und die grauen Haare eines zärtlichen Vaters zu ehren." "Eines Tyrannen, dem sie eben deshalb gehorcht, weil sie ihn weder achtet noch liebt -- und er ihr doch das Leben gegeben hat. Und was hat Pauline mit dem andern Tyrannen -- mit dem Herkommen zu thun? Sie lebt hier still und abgeschlossen von der Welt, sie hat keinen Umgang mit ihr -- die Leute wissen nur, daß der reiche Felchner ein Töchterlein hat -- das wieder einen Reichen freien muß! -- Und so soll ihr Leben ein lächerliches Opfer sein, für gar sie von Fremden zu sprechen — und zwar von Paulinen. „Seitdem ich weiß, was Liebe ist,“ begann sie mit einem unterdrückten Seufzer, „kann mich Paulinens Schicksal auf das Tiefste bekümmern — was auch ihr Loos sein mag: glücklich wird sie niemals werden können!“ „Und fühlt sie das selbst schon, oder sprechen Sie nur aus der Erfahrung theilnehmender Freundschaft?“ „Ich habe sie plötzlich besser selbst verstehen lernen, als sie sich versteht — weil ich zum Bewußtsein der Liebe gekommen bin — sie ist’s vielleicht noch nicht.“ „So wissen Sie Alles — und bestätigen die Ahnungen meines Bruders?“ „Ja — ich habe es errathen. — Und was wird ihr Loos sein?“ „Sich dem Herkommen zu fügen — und die grauen Haare eines zärtlichen Vaters zu ehren.“ „Eines Tyrannen, dem sie eben deshalb gehorcht, weil sie ihn weder achtet noch liebt — und er ihr doch das Leben gegeben hat. Und was hat Pauline mit dem andern Tyrannen — mit dem Herkommen zu thun? Sie lebt hier still und abgeschlossen von der Welt, sie hat keinen Umgang mit ihr — die Leute wissen nur, daß der reiche Felchner ein Töchterlein hat — das wieder einen Reichen freien muß! — Und so soll ihr Leben ein lächerliches Opfer sein, für gar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0145" n="141"/> sie von Fremden zu sprechen — und zwar von Paulinen.</p> <p>„Seitdem ich weiß, was Liebe ist,“ begann sie mit einem unterdrückten Seufzer, „kann mich Paulinens Schicksal auf das Tiefste bekümmern — was auch ihr Loos sein mag: glücklich wird sie niemals werden können!“</p> <p>„Und fühlt sie das selbst schon, oder sprechen Sie nur aus der Erfahrung theilnehmender Freundschaft?“</p> <p>„Ich habe sie plötzlich besser selbst verstehen lernen, als sie sich versteht — weil ich zum Bewußtsein der Liebe gekommen bin — sie ist’s vielleicht noch nicht.“</p> <p>„So wissen Sie Alles — und bestätigen die Ahnungen meines Bruders?“</p> <p>„Ja — ich habe es errathen. — Und was wird ihr Loos sein?“</p> <p>„Sich dem Herkommen zu fügen — und die grauen Haare eines zärtlichen Vaters zu ehren.“</p> <p>„Eines Tyrannen, dem sie eben deshalb gehorcht, weil sie ihn weder achtet noch liebt — und er ihr doch das Leben gegeben hat. Und was hat Pauline mit dem andern Tyrannen — mit dem Herkommen zu thun? Sie lebt hier still und abgeschlossen von der Welt, sie hat keinen Umgang mit ihr — die Leute wissen nur, daß der reiche Felchner ein Töchterlein hat — das wieder einen Reichen freien muß! — Und so soll ihr Leben ein lächerliches Opfer sein, für gar </p> </div> </body> </text> </TEI> [141/0145]
sie von Fremden zu sprechen — und zwar von Paulinen.
„Seitdem ich weiß, was Liebe ist,“ begann sie mit einem unterdrückten Seufzer, „kann mich Paulinens Schicksal auf das Tiefste bekümmern — was auch ihr Loos sein mag: glücklich wird sie niemals werden können!“
„Und fühlt sie das selbst schon, oder sprechen Sie nur aus der Erfahrung theilnehmender Freundschaft?“
„Ich habe sie plötzlich besser selbst verstehen lernen, als sie sich versteht — weil ich zum Bewußtsein der Liebe gekommen bin — sie ist’s vielleicht noch nicht.“
„So wissen Sie Alles — und bestätigen die Ahnungen meines Bruders?“
„Ja — ich habe es errathen. — Und was wird ihr Loos sein?“
„Sich dem Herkommen zu fügen — und die grauen Haare eines zärtlichen Vaters zu ehren.“
„Eines Tyrannen, dem sie eben deshalb gehorcht, weil sie ihn weder achtet noch liebt — und er ihr doch das Leben gegeben hat. Und was hat Pauline mit dem andern Tyrannen — mit dem Herkommen zu thun? Sie lebt hier still und abgeschlossen von der Welt, sie hat keinen Umgang mit ihr — die Leute wissen nur, daß der reiche Felchner ein Töchterlein hat — das wieder einen Reichen freien muß! — Und so soll ihr Leben ein lächerliches Opfer sein, für gar
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