Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.und zuwerfen, lautes Rufen und leises Murmeln durch einander. Sie sprang auf, öffnete die Thüre und rief nach Friedericke. Dann eilte sie an das nächste Fenster -- draußen lag in schöner Morgendämmerung der Wald dampfend von silberweißen Nebeln, und erste blitzende Sonnenlichter flatterten feeenhaft aus blühenden Himmelsrosen hervor -- denn so zierten den Himmel morgenrothe Wolken wie ein Halbkranz gluthvoller Rosen. Und drunten in den zitternden Thautropfen auf dem sammtnen Rasengrün spiegelte auch dies Roth sich wieder, wie ein farbiger Schleier. Es war ein schöner Anblick -- aber Paulinen faßte ein eigenes Grausen dabei. Waren vielleicht ihre Augen vom Schlummer noch blöde? Dies Morgenroth sah ihr heute aus wie lauter Blut, und sogar im Rasenthau, wo es so sanft und schön sich spiegelte, schienen ihr blutige Bäche darüber hinzufließen. Das seltsame Stimmengewirr, wie sie es noch niemals gehört, hörte sie noch immer -- die ganze Luft zitterte davon. Jetzt trat Friedericke ein, bleich und verstört, nachlässig angezogen und mit herabfallenden Haaren. Sie konnte ihr Schluchzen nicht verbergen. "Um Gottes Willen, was ist denn geschehen, Friedericke?" fragte Pauline. "Ach, liebes Fräulein -- das Unglück! Die ganzen und zuwerfen, lautes Rufen und leises Murmeln durch einander. Sie sprang auf, öffnete die Thüre und rief nach Friedericke. Dann eilte sie an das nächste Fenster — draußen lag in schöner Morgendämmerung der Wald dampfend von silberweißen Nebeln, und erste blitzende Sonnenlichter flatterten feeenhaft aus blühenden Himmelsrosen hervor — denn so zierten den Himmel morgenrothe Wolken wie ein Halbkranz gluthvoller Rosen. Und drunten in den zitternden Thautropfen auf dem sammtnen Rasengrün spiegelte auch dies Roth sich wieder, wie ein farbiger Schleier. Es war ein schöner Anblick — aber Paulinen faßte ein eigenes Grausen dabei. Waren vielleicht ihre Augen vom Schlummer noch blöde? Dies Morgenroth sah ihr heute aus wie lauter Blut, und sogar im Rasenthau, wo es so sanft und schön sich spiegelte, schienen ihr blutige Bäche darüber hinzufließen. Das seltsame Stimmengewirr, wie sie es noch niemals gehört, hörte sie noch immer — die ganze Luft zitterte davon. Jetzt trat Friedericke ein, bleich und verstört, nachlässig angezogen und mit herabfallenden Haaren. Sie konnte ihr Schluchzen nicht verbergen. „Um Gottes Willen, was ist denn geschehen, Friedericke?“ fragte Pauline. „Ach, liebes Fräulein — das Unglück! Die ganzen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="134"/> und zuwerfen, lautes Rufen und leises Murmeln durch einander.</p> <p>Sie sprang auf, öffnete die Thüre und rief nach Friedericke. Dann eilte sie an das nächste Fenster — draußen lag in schöner Morgendämmerung der Wald dampfend von silberweißen Nebeln, und erste blitzende Sonnenlichter flatterten feeenhaft aus blühenden Himmelsrosen hervor — denn so zierten den Himmel morgenrothe Wolken wie ein Halbkranz gluthvoller Rosen. Und drunten in den zitternden Thautropfen auf dem sammtnen Rasengrün spiegelte auch dies Roth sich wieder, wie ein farbiger Schleier. Es war ein schöner Anblick — aber Paulinen faßte ein eigenes Grausen dabei. Waren vielleicht ihre Augen vom Schlummer noch blöde? Dies Morgenroth sah ihr heute aus wie lauter Blut, und sogar im Rasenthau, wo es so sanft und schön sich spiegelte, schienen ihr blutige Bäche darüber hinzufließen. Das seltsame Stimmengewirr, wie sie es noch niemals gehört, hörte sie noch immer — die ganze Luft zitterte davon.</p> <p>Jetzt trat Friedericke ein, bleich und verstört, nachlässig angezogen und mit herabfallenden Haaren. Sie konnte ihr Schluchzen nicht verbergen.</p> <p>„Um Gottes Willen, was ist denn geschehen, Friedericke?“ fragte Pauline.</p> <p>„Ach, liebes Fräulein — das Unglück! Die ganzen </p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0138]
und zuwerfen, lautes Rufen und leises Murmeln durch einander.
Sie sprang auf, öffnete die Thüre und rief nach Friedericke. Dann eilte sie an das nächste Fenster — draußen lag in schöner Morgendämmerung der Wald dampfend von silberweißen Nebeln, und erste blitzende Sonnenlichter flatterten feeenhaft aus blühenden Himmelsrosen hervor — denn so zierten den Himmel morgenrothe Wolken wie ein Halbkranz gluthvoller Rosen. Und drunten in den zitternden Thautropfen auf dem sammtnen Rasengrün spiegelte auch dies Roth sich wieder, wie ein farbiger Schleier. Es war ein schöner Anblick — aber Paulinen faßte ein eigenes Grausen dabei. Waren vielleicht ihre Augen vom Schlummer noch blöde? Dies Morgenroth sah ihr heute aus wie lauter Blut, und sogar im Rasenthau, wo es so sanft und schön sich spiegelte, schienen ihr blutige Bäche darüber hinzufließen. Das seltsame Stimmengewirr, wie sie es noch niemals gehört, hörte sie noch immer — die ganze Luft zitterte davon.
Jetzt trat Friedericke ein, bleich und verstört, nachlässig angezogen und mit herabfallenden Haaren. Sie konnte ihr Schluchzen nicht verbergen.
„Um Gottes Willen, was ist denn geschehen, Friedericke?“ fragte Pauline.
„Ach, liebes Fräulein — das Unglück! Die ganzen
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/138>, abgerufen am 22.07.2024. |