Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.in eine große Nacht und läge da ringend in Fieberphantasieen mit tausend bleichen, wilden und wesenlosen Spukgespenstern, die ich nicht zu verscheuchen vermögte, die immer wieder sich zu mir herandrängten in ihre wirbelnden Kreise, mich mit fortzureißen, daß ich selbst nicht mehr weiß, wo aus, noch ein. Ich zürnte Wilhelm, daß er den verführerischen Stimmen dieses Schreibens, die mir doch so wahnwitzig, ungerecht und gotteslästerlich sind, ein so williges Ohr lieh, daß er sich ganz von ihnen bethören ließ -- und doch hallten sie auch mir immer wieder, wie harmonisches Getön in den Ohren, in der Seele und wollen mich auch umstricken und überwältigen." -- "Es ist fast vergebens, daß ich sage: hebe Dich von mir, Versucher! Er will nicht gehen -- es ist als habe meine Seele keine Macht mehr über ihn! --" Er lehnte sich wie erschöpft an die Wand zurück und fuhr fort: "Das sind auch die Versuchungen der Armen, von denen die Reichen nichts wissen, sie werden wohl auch oft hart versucht von ihren Schicksalen, von ihren Wünschen -- und selbst aus ihrer eklen Uebersättigung an den Bedürfnissen des lüsternen Lebens, selbst durch ihre Befriedigung, ihre Uebersättigung entspringt ihnen eine neue Quelle der Versuchung -- aber wie unerschöpflich dagegen ist doch die, welche zugleich mit dem Leben des Armen entquillt und es nimmer verlassend durchfluthet." in eine große Nacht und läge da ringend in Fieberphantasieen mit tausend bleichen, wilden und wesenlosen Spukgespenstern, die ich nicht zu verscheuchen vermögte, die immer wieder sich zu mir herandrängten in ihre wirbelnden Kreise, mich mit fortzureißen, daß ich selbst nicht mehr weiß, wo aus, noch ein. Ich zürnte Wilhelm, daß er den verführerischen Stimmen dieses Schreibens, die mir doch so wahnwitzig, ungerecht und gotteslästerlich sind, ein so williges Ohr lieh, daß er sich ganz von ihnen bethören ließ — und doch hallten sie auch mir immer wieder, wie harmonisches Getön in den Ohren, in der Seele und wollen mich auch umstricken und überwältigen.“ — „Es ist fast vergebens, daß ich sage: hebe Dich von mir, Versucher! Er will nicht gehen — es ist als habe meine Seele keine Macht mehr über ihn! —“ Er lehnte sich wie erschöpft an die Wand zurück und fuhr fort: „Das sind auch die Versuchungen der Armen, von denen die Reichen nichts wissen, sie werden wohl auch oft hart versucht von ihren Schicksalen, von ihren Wünschen — und selbst aus ihrer eklen Uebersättigung an den Bedürfnissen des lüsternen Lebens, selbst durch ihre Befriedigung, ihre Uebersättigung entspringt ihnen eine neue Quelle der Versuchung — aber wie unerschöpflich dagegen ist doch die, welche zugleich mit dem Leben des Armen entquillt und es nimmer verlassend durchfluthet.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="90"/> in eine große Nacht und läge da ringend in Fieberphantasieen mit tausend bleichen, wilden und wesenlosen Spukgespenstern, die ich nicht zu verscheuchen vermögte, die immer wieder sich zu mir herandrängten in ihre wirbelnden Kreise, mich mit fortzureißen, daß ich selbst nicht mehr weiß, wo aus, noch ein. Ich zürnte Wilhelm, daß er den verführerischen Stimmen dieses Schreibens, die mir doch so wahnwitzig, ungerecht und gotteslästerlich sind, ein so williges Ohr lieh, daß er sich ganz von ihnen bethören ließ — und doch hallten sie auch mir immer wieder, wie harmonisches Getön in den Ohren, in der Seele und wollen mich auch umstricken und überwältigen.“ —</p> <p>„Es ist fast vergebens, daß ich sage: hebe Dich von mir, Versucher! Er will nicht gehen — es ist als habe meine Seele keine Macht mehr über ihn! —“</p> <p>Er lehnte sich wie erschöpft an die Wand zurück und fuhr fort: „Das sind auch die Versuchungen der Armen, von denen die Reichen nichts wissen, sie werden wohl auch oft hart versucht von ihren Schicksalen, von ihren Wünschen — und selbst aus ihrer eklen Uebersättigung an den Bedürfnissen des lüsternen Lebens, selbst durch ihre Befriedigung, ihre Uebersättigung entspringt ihnen eine neue Quelle der Versuchung — aber wie unerschöpflich dagegen ist doch die, welche zugleich mit dem Leben des Armen entquillt und es nimmer verlassend durchfluthet.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0096]
in eine große Nacht und läge da ringend in Fieberphantasieen mit tausend bleichen, wilden und wesenlosen Spukgespenstern, die ich nicht zu verscheuchen vermögte, die immer wieder sich zu mir herandrängten in ihre wirbelnden Kreise, mich mit fortzureißen, daß ich selbst nicht mehr weiß, wo aus, noch ein. Ich zürnte Wilhelm, daß er den verführerischen Stimmen dieses Schreibens, die mir doch so wahnwitzig, ungerecht und gotteslästerlich sind, ein so williges Ohr lieh, daß er sich ganz von ihnen bethören ließ — und doch hallten sie auch mir immer wieder, wie harmonisches Getön in den Ohren, in der Seele und wollen mich auch umstricken und überwältigen.“ —
„Es ist fast vergebens, daß ich sage: hebe Dich von mir, Versucher! Er will nicht gehen — es ist als habe meine Seele keine Macht mehr über ihn! —“
Er lehnte sich wie erschöpft an die Wand zurück und fuhr fort: „Das sind auch die Versuchungen der Armen, von denen die Reichen nichts wissen, sie werden wohl auch oft hart versucht von ihren Schicksalen, von ihren Wünschen — und selbst aus ihrer eklen Uebersättigung an den Bedürfnissen des lüsternen Lebens, selbst durch ihre Befriedigung, ihre Uebersättigung entspringt ihnen eine neue Quelle der Versuchung — aber wie unerschöpflich dagegen ist doch die, welche zugleich mit dem Leben des Armen entquillt und es nimmer verlassend durchfluthet.“
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