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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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Widersprüche Dich so packen, so überwältigen könnte! Es klingt freilich schön, wenn sie sagen: die Liebe, die allgemeine Menschenliebe, welche in den Himmel geflohen ist, als die kindische, junge Erde sie noch nicht zu fassen vermogte, wird ihren Wohnsitz wieder an dem Orte, wo sie geboren und genährt ward, in der Menschen Brust haben. Wir werden unser wahres Leben nicht mehr vergebens außer und über uns suchen -- wir werden es in uns tragen, in uns selbst und werden es so wiederfinden in den Andern, in dem Verbande der ganzen Menschheit! -- Ach es klingt wohl sehr schön, wenn man so Etwas liest -- aber es klingt auch nur so -- es ist ein tönendes Erz, es sind Worte ohne Sinn und Verstand. Kannst Du Dir eine menschliche Gesellschaft denken, in welcher Alle zufrieden, Alle in harmonischer Gleichheit leben? -- Du mußt das verneinen, Du kannst Dir nicht einmal eine Vorstellung von einem solchen Zustand machen und willst doch Schritte thun, ihn heraufführen zu helfen? Und jetzt willst Du sie thun -- und wie? Können ein paar Menschen und noch dazu arme, ausgestoßene, zum Theil verwilderte Menschen das Bestehende umstürzen, und eine neue Ordnung der Dinge heraufführen? Verändert können, müssen unsere Zustände werden -- aber nicht durch einen Umsturz aller gegebenen Verhältnisse, sondern durch deren vernünftige Weiterentwicklung und Fortbildung. Ach Wilhelm, ich

Widersprüche Dich so packen, so überwältigen könnte! Es klingt freilich schön, wenn sie sagen: die Liebe, die allgemeine Menschenliebe, welche in den Himmel geflohen ist, als die kindische, junge Erde sie noch nicht zu fassen vermogte, wird ihren Wohnsitz wieder an dem Orte, wo sie geboren und genährt ward, in der Menschen Brust haben. Wir werden unser wahres Leben nicht mehr vergebens außer und über uns suchen — wir werden es in uns tragen, in uns selbst und werden es so wiederfinden in den Andern, in dem Verbande der ganzen Menschheit! — Ach es klingt wohl sehr schön, wenn man so Etwas liest — aber es klingt auch nur so — es ist ein tönendes Erz, es sind Worte ohne Sinn und Verstand. Kannst Du Dir eine menschliche Gesellschaft denken, in welcher Alle zufrieden, Alle in harmonischer Gleichheit leben? — Du mußt das verneinen, Du kannst Dir nicht einmal eine Vorstellung von einem solchen Zustand machen und willst doch Schritte thun, ihn heraufführen zu helfen? Und jetzt willst Du sie thun — und wie? Können ein paar Menschen und noch dazu arme, ausgestoßene, zum Theil verwilderte Menschen das Bestehende umstürzen, und eine neue Ordnung der Dinge heraufführen? Verändert können, müssen unsere Zustände werden — aber nicht durch einen Umsturz aller gegebenen Verhältnisse, sondern durch deren vernünftige Weiterentwicklung und Fortbildung. Ach Wilhelm, ich

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Widersprüche Dich so packen, so überwältigen könnte! Es klingt freilich schön, wenn sie sagen: die Liebe, die allgemeine Menschenliebe, welche in den Himmel geflohen ist, als die kindische, junge Erde sie noch nicht zu fassen vermogte, wird ihren Wohnsitz wieder an dem Orte, wo sie geboren und genährt ward, in der Menschen Brust haben. Wir werden unser wahres Leben nicht mehr vergebens außer und über uns suchen &#x2014; wir werden es in uns tragen, in uns selbst und werden es so wiederfinden in den Andern, in dem Verbande der ganzen Menschheit! &#x2014; Ach es klingt wohl sehr schön, wenn man so Etwas liest &#x2014; aber es <hi rendition="#g">klingt</hi> auch nur so &#x2014; es ist ein tönendes Erz, es sind Worte ohne Sinn und Verstand. Kannst Du Dir eine menschliche Gesellschaft denken, in welcher Alle zufrieden, Alle in harmonischer Gleichheit leben? &#x2014; Du mußt das verneinen, Du kannst Dir nicht einmal eine Vorstellung von einem solchen Zustand machen und willst doch Schritte thun, ihn heraufführen zu helfen? Und jetzt willst Du sie thun &#x2014; und wie? Können ein paar Menschen und noch dazu arme, ausgestoßene, zum Theil verwilderte Menschen das Bestehende umstürzen, und eine neue Ordnung der Dinge heraufführen? Verändert können, müssen unsere Zustände werden &#x2014; aber nicht durch einen Umsturz aller gegebenen Verhältnisse, sondern durch deren vernünftige Weiterentwicklung und Fortbildung. Ach Wilhelm, ich
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[86/0092] Widersprüche Dich so packen, so überwältigen könnte! Es klingt freilich schön, wenn sie sagen: die Liebe, die allgemeine Menschenliebe, welche in den Himmel geflohen ist, als die kindische, junge Erde sie noch nicht zu fassen vermogte, wird ihren Wohnsitz wieder an dem Orte, wo sie geboren und genährt ward, in der Menschen Brust haben. Wir werden unser wahres Leben nicht mehr vergebens außer und über uns suchen — wir werden es in uns tragen, in uns selbst und werden es so wiederfinden in den Andern, in dem Verbande der ganzen Menschheit! — Ach es klingt wohl sehr schön, wenn man so Etwas liest — aber es klingt auch nur so — es ist ein tönendes Erz, es sind Worte ohne Sinn und Verstand. Kannst Du Dir eine menschliche Gesellschaft denken, in welcher Alle zufrieden, Alle in harmonischer Gleichheit leben? — Du mußt das verneinen, Du kannst Dir nicht einmal eine Vorstellung von einem solchen Zustand machen und willst doch Schritte thun, ihn heraufführen zu helfen? Und jetzt willst Du sie thun — und wie? Können ein paar Menschen und noch dazu arme, ausgestoßene, zum Theil verwilderte Menschen das Bestehende umstürzen, und eine neue Ordnung der Dinge heraufführen? Verändert können, müssen unsere Zustände werden — aber nicht durch einen Umsturz aller gegebenen Verhältnisse, sondern durch deren vernünftige Weiterentwicklung und Fortbildung. Ach Wilhelm, ich

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/92>, abgerufen am 24.11.2024.