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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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sie wieder die langen Wimpern, während er rasch das Wort nahm:

"Vergessen?" sagte er mit sanfter Stimme. "Vergessen? Sehen Sie da unten die weiße Blume, welche ihr Haupt der Sonne zugekehrt hat, soll sie auch vergessen, daß der Lichtstrahl auf sie fiel, welcher ihren Kelch erschloß? Soll dort der Wanderer, den Sie von dem höchsten Berge langsam herabsteigen sehen, auch vergessen, daß er einen entzückenden Anblick dieser weiten Frühlingslandschaft genossen, der ihn vielleicht trunken schwärmen machte, wie der Blick in ein seliges Eden? Warum vergessen? Nein, ich werde ewig an diese Stunde denken müssen," rief er schwärmerisch vor sich aussehend, "sie ist ein Theil geworden von meinem Leben."

Elisabeth schlug die Augen nieder und schwieg.

Nach einer Pause begann Jaromir wieder, aber ruhiger: "Sie schweigen -- vielleicht weil Sie die Sprache seltsam, finden, welche ich führe, vielleicht weil Sie Ihnen ungeziemend erscheint -- aber wenn Sie mir vergönnen, aufrichtig fortzufahrrn -- so werden Sie mir vergeben, wenn Sie es nicht schon jetzt thun."

"Sie sind ja Dichter," sagte Elisabeth, "da muß Ihnen schon gestattet werden, Ihre Träume auszusprechen, in welcher Form Sie wollen -- weiß man doch, daß es eben poetische Träumereien sind, was man hört."

sie wieder die langen Wimpern, während er rasch das Wort nahm:

„Vergessen?“ sagte er mit sanfter Stimme. „Vergessen? Sehen Sie da unten die weiße Blume, welche ihr Haupt der Sonne zugekehrt hat, soll sie auch vergessen, daß der Lichtstrahl auf sie fiel, welcher ihren Kelch erschloß? Soll dort der Wanderer, den Sie von dem höchsten Berge langsam herabsteigen sehen, auch vergessen, daß er einen entzückenden Anblick dieser weiten Frühlingslandschaft genossen, der ihn vielleicht trunken schwärmen machte, wie der Blick in ein seliges Eden? Warum vergessen? Nein, ich werde ewig an diese Stunde denken müssen,“ rief er schwärmerisch vor sich aussehend, „sie ist ein Theil geworden von meinem Leben.“

Elisabeth schlug die Augen nieder und schwieg.

Nach einer Pause begann Jaromir wieder, aber ruhiger: „Sie schweigen — vielleicht weil Sie die Sprache seltsam, finden, welche ich führe, vielleicht weil Sie Ihnen ungeziemend erscheint — aber wenn Sie mir vergönnen, aufrichtig fortzufahrrn — so werden Sie mir vergeben, wenn Sie es nicht schon jetzt thun.“

„Sie sind ja Dichter,“ sagte Elisabeth, „da muß Ihnen schon gestattet werden, Ihre Träume auszusprechen, in welcher Form Sie wollen — weiß man doch, daß es eben poetische Träumereien sind, was man hört.“

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[50/0056] sie wieder die langen Wimpern, während er rasch das Wort nahm: „Vergessen?“ sagte er mit sanfter Stimme. „Vergessen? Sehen Sie da unten die weiße Blume, welche ihr Haupt der Sonne zugekehrt hat, soll sie auch vergessen, daß der Lichtstrahl auf sie fiel, welcher ihren Kelch erschloß? Soll dort der Wanderer, den Sie von dem höchsten Berge langsam herabsteigen sehen, auch vergessen, daß er einen entzückenden Anblick dieser weiten Frühlingslandschaft genossen, der ihn vielleicht trunken schwärmen machte, wie der Blick in ein seliges Eden? Warum vergessen? Nein, ich werde ewig an diese Stunde denken müssen,“ rief er schwärmerisch vor sich aussehend, „sie ist ein Theil geworden von meinem Leben.“ Elisabeth schlug die Augen nieder und schwieg. Nach einer Pause begann Jaromir wieder, aber ruhiger: „Sie schweigen — vielleicht weil Sie die Sprache seltsam, finden, welche ich führe, vielleicht weil Sie Ihnen ungeziemend erscheint — aber wenn Sie mir vergönnen, aufrichtig fortzufahrrn — so werden Sie mir vergeben, wenn Sie es nicht schon jetzt thun.“ „Sie sind ja Dichter,“ sagte Elisabeth, „da muß Ihnen schon gestattet werden, Ihre Träume auszusprechen, in welcher Form Sie wollen — weiß man doch, daß es eben poetische Träumereien sind, was man hört.“

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/56>, abgerufen am 24.11.2024.