Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.nicht, wenn sie zurückkehren würden, wohin sie ihre Schritte gerichtet hatten -- es war eben so gut möglich, daß sie in den nächsten Minuten, als daß sie erst nach Stunden zurückkommen würden. Sie wollte Jaromir's Besuch abweisen lassen, aber er hatte sie gesehen und gegrüßt, sie konnte sich nicht selbst verleugnen lassen -- in dem Augenblick ihrer Unschlüssigkeit meldete ein Diener den Grafen. "Haben Sie gesagt, daß der Graf und die Gräfin ausgegangen sind?" "Ja, zu Befehl -- der Herr Graf beauftragte mich, ihn bei Ihnen zu melden." Sie sah noch einen Augenblick schweigend vor sich aus, dann sagte sie: "Ich erwarte den Herrn Grafen." Der Diener entfernte sich -- gleich darauf trat Jaromir ein. Die gewöhnlichen Begrüßungen fanden statt. Sie sagte ihm, daß ihre Eltern ausgegangen wären und daß sie nicht wisse, ob sie dieselben bald oder später zurück erwarten dürfe. Er bemerkte, daß er sie, Elisabeth, bei seiner Ankunft auf dem Balkon gesehen, und daß nicht seine Gegenwart Ursache sein solle, die freie Luft mit der des Zimmers zu vertauschen. So traten denn Beide hinaus auf den Balkon. Die Gegend breitete sich malerisch vor ihnen aus in lichter Frühlingsklarheit. Das hochgelegene Schloß beherrschte nicht, wenn sie zurückkehren würden, wohin sie ihre Schritte gerichtet hatten — es war eben so gut möglich, daß sie in den nächsten Minuten, als daß sie erst nach Stunden zurückkommen würden. Sie wollte Jaromir’s Besuch abweisen lassen, aber er hatte sie gesehen und gegrüßt, sie konnte sich nicht selbst verleugnen lassen — in dem Augenblick ihrer Unschlüssigkeit meldete ein Diener den Grafen. „Haben Sie gesagt, daß der Graf und die Gräfin ausgegangen sind?“ „Ja, zu Befehl — der Herr Graf beauftragte mich, ihn bei Ihnen zu melden.“ Sie sah noch einen Augenblick schweigend vor sich aus, dann sagte sie: „Ich erwarte den Herrn Grafen.“ Der Diener entfernte sich — gleich darauf trat Jaromir ein. Die gewöhnlichen Begrüßungen fanden statt. Sie sagte ihm, daß ihre Eltern ausgegangen wären und daß sie nicht wisse, ob sie dieselben bald oder später zurück erwarten dürfe. Er bemerkte, daß er sie, Elisabeth, bei seiner Ankunft auf dem Balkon gesehen, und daß nicht seine Gegenwart Ursache sein solle, die freie Luft mit der des Zimmers zu vertauschen. So traten denn Beide hinaus auf den Balkon. Die Gegend breitete sich malerisch vor ihnen aus in lichter Frühlingsklarheit. Das hochgelegene Schloß beherrschte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="46"/> nicht, wenn sie zurückkehren würden, wohin sie ihre Schritte gerichtet hatten — es war eben so gut möglich, daß sie in den nächsten Minuten, als daß sie erst nach Stunden zurückkommen würden. Sie wollte Jaromir’s Besuch abweisen lassen, aber er hatte sie gesehen und gegrüßt, sie konnte sich nicht selbst verleugnen lassen — in dem Augenblick ihrer Unschlüssigkeit meldete ein Diener den Grafen.</p> <p>„Haben Sie gesagt, daß der Graf und die Gräfin ausgegangen sind?“</p> <p>„Ja, zu Befehl — der Herr Graf beauftragte mich, ihn bei Ihnen zu melden.“</p> <p>Sie sah noch einen Augenblick schweigend vor sich aus, dann sagte sie: „Ich erwarte den Herrn Grafen.“</p> <p>Der Diener entfernte sich — gleich darauf trat Jaromir ein.</p> <p>Die gewöhnlichen Begrüßungen fanden statt. Sie sagte ihm, daß ihre Eltern ausgegangen wären und daß sie nicht wisse, ob sie dieselben bald oder später zurück erwarten dürfe. Er bemerkte, daß er sie, Elisabeth, bei seiner Ankunft auf dem Balkon gesehen, und daß nicht seine Gegenwart Ursache sein solle, die freie Luft mit der des Zimmers zu vertauschen.</p> <p>So traten denn Beide hinaus auf den Balkon.</p> <p>Die Gegend breitete sich malerisch vor ihnen aus in lichter Frühlingsklarheit. Das hochgelegene Schloß beherrschte </p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0052]
nicht, wenn sie zurückkehren würden, wohin sie ihre Schritte gerichtet hatten — es war eben so gut möglich, daß sie in den nächsten Minuten, als daß sie erst nach Stunden zurückkommen würden. Sie wollte Jaromir’s Besuch abweisen lassen, aber er hatte sie gesehen und gegrüßt, sie konnte sich nicht selbst verleugnen lassen — in dem Augenblick ihrer Unschlüssigkeit meldete ein Diener den Grafen.
„Haben Sie gesagt, daß der Graf und die Gräfin ausgegangen sind?“
„Ja, zu Befehl — der Herr Graf beauftragte mich, ihn bei Ihnen zu melden.“
Sie sah noch einen Augenblick schweigend vor sich aus, dann sagte sie: „Ich erwarte den Herrn Grafen.“
Der Diener entfernte sich — gleich darauf trat Jaromir ein.
Die gewöhnlichen Begrüßungen fanden statt. Sie sagte ihm, daß ihre Eltern ausgegangen wären und daß sie nicht wisse, ob sie dieselben bald oder später zurück erwarten dürfe. Er bemerkte, daß er sie, Elisabeth, bei seiner Ankunft auf dem Balkon gesehen, und daß nicht seine Gegenwart Ursache sein solle, die freie Luft mit der des Zimmers zu vertauschen.
So traten denn Beide hinaus auf den Balkon.
Die Gegend breitete sich malerisch vor ihnen aus in lichter Frühlingsklarheit. Das hochgelegene Schloß beherrschte
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