Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Aarens wußte auf diese Strenge und Unbefangenheit ihr lange Nichts zu erwidern, bis er sich von der Verwunderung über die letztere ein Wenig erholt, und dazu bedurfte es bei ihm einiger Zeit. Er knüpfte also ein unbedeutendes Gespräch mit der Gräfin an, das nachher allgemein ward. Während dem überzeugte er sich, daß er durch einen beleidigenden und spöttelnden Ton gegen Elisabeth Nichts ausrichte, und er suchte daher so liebenswürdig, sanft und zärtlich als möglich zu erscheinen. Sie blieb ihm gegenüber unverändert.

Das Diner war vorüber, die späteren Nachmittagstunden rückten heran. Elisabeth hatte es zu arrangiren gewußt, daß man den Kaffee in einem hochgelegenen Pavillon des Gartens einnahm, von dem aus man einen Theil der nach dem Schlosse führenden Straße übersehen konnte. Zuweilen warf sie dorthin einen spähenden Blick -- und jetzt schlug ihr Herz höher und sie bemühte sich ein fröhlich aufsteigendes Roth der Wangen zu unterdrücken -- denn sie sah aufwirbelnden Staub -- bei einem zweiten Blick zwei Reiter, und bei einem dritten erkannte sie Jaromir auf seinem Rappen -- sie zerpflückte ein paar Grashalme und hatte Aarens Frage überhört: ob sie die Morgenoder Abendpromenade schöner und genußreicher finde?

Er mußte ihr die Frage noch ein Mal wiederholen und dann sagte sie sinnend: "Die Morgen sind schön,

Aarens wußte auf diese Strenge und Unbefangenheit ihr lange Nichts zu erwidern, bis er sich von der Verwunderung über die letztere ein Wenig erholt, und dazu bedurfte es bei ihm einiger Zeit. Er knüpfte also ein unbedeutendes Gespräch mit der Gräfin an, das nachher allgemein ward. Während dem überzeugte er sich, daß er durch einen beleidigenden und spöttelnden Ton gegen Elisabeth Nichts ausrichte, und er suchte daher so liebenswürdig, sanft und zärtlich als möglich zu erscheinen. Sie blieb ihm gegenüber unverändert.

Das Diner war vorüber, die späteren Nachmittagstunden rückten heran. Elisabeth hatte es zu arrangiren gewußt, daß man den Kaffee in einem hochgelegenen Pavillon des Gartens einnahm, von dem aus man einen Theil der nach dem Schlosse führenden Straße übersehen konnte. Zuweilen warf sie dorthin einen spähenden Blick — und jetzt schlug ihr Herz höher und sie bemühte sich ein fröhlich aufsteigendes Roth der Wangen zu unterdrücken — denn sie sah aufwirbelnden Staub — bei einem zweiten Blick zwei Reiter, und bei einem dritten erkannte sie Jaromir auf seinem Rappen — sie zerpflückte ein paar Grashalme und hatte Aarens Frage überhört: ob sie die Morgenoder Abendpromenade schöner und genußreicher finde?

Er mußte ihr die Frage noch ein Mal wiederholen und dann sagte sie sinnend: „Die Morgen sind schön,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="161"/>
Aarens wußte auf diese Strenge und Unbefangenheit ihr lange Nichts zu erwidern, bis er sich von der Verwunderung über die letztere ein Wenig erholt, und dazu bedurfte es bei ihm einiger Zeit. Er knüpfte also ein unbedeutendes Gespräch mit der Gräfin an, das nachher allgemein ward. Während dem überzeugte er sich, daß er durch einen beleidigenden und spöttelnden Ton gegen Elisabeth Nichts ausrichte, und er suchte daher so liebenswürdig, sanft und zärtlich als möglich zu erscheinen. Sie blieb ihm gegenüber unverändert.</p>
        <p>Das Diner war vorüber, die späteren Nachmittagstunden rückten heran. Elisabeth hatte es zu arrangiren gewußt, daß man den Kaffee in einem hochgelegenen Pavillon des Gartens einnahm, von dem aus man einen Theil der nach dem Schlosse führenden Straße übersehen konnte. Zuweilen warf sie dorthin einen spähenden Blick &#x2014; und jetzt schlug ihr Herz höher und sie bemühte sich ein fröhlich aufsteigendes Roth der Wangen zu unterdrücken &#x2014; denn sie sah aufwirbelnden Staub &#x2014; bei einem zweiten Blick zwei Reiter, und bei einem dritten erkannte sie Jaromir auf seinem Rappen &#x2014; sie zerpflückte ein paar Grashalme und hatte Aarens Frage überhört: ob sie die Morgenoder Abendpromenade schöner und genußreicher finde?</p>
        <p>Er mußte ihr die Frage noch ein Mal wiederholen und dann sagte sie sinnend: &#x201E;Die Morgen sind schön,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0167] Aarens wußte auf diese Strenge und Unbefangenheit ihr lange Nichts zu erwidern, bis er sich von der Verwunderung über die letztere ein Wenig erholt, und dazu bedurfte es bei ihm einiger Zeit. Er knüpfte also ein unbedeutendes Gespräch mit der Gräfin an, das nachher allgemein ward. Während dem überzeugte er sich, daß er durch einen beleidigenden und spöttelnden Ton gegen Elisabeth Nichts ausrichte, und er suchte daher so liebenswürdig, sanft und zärtlich als möglich zu erscheinen. Sie blieb ihm gegenüber unverändert. Das Diner war vorüber, die späteren Nachmittagstunden rückten heran. Elisabeth hatte es zu arrangiren gewußt, daß man den Kaffee in einem hochgelegenen Pavillon des Gartens einnahm, von dem aus man einen Theil der nach dem Schlosse führenden Straße übersehen konnte. Zuweilen warf sie dorthin einen spähenden Blick — und jetzt schlug ihr Herz höher und sie bemühte sich ein fröhlich aufsteigendes Roth der Wangen zu unterdrücken — denn sie sah aufwirbelnden Staub — bei einem zweiten Blick zwei Reiter, und bei einem dritten erkannte sie Jaromir auf seinem Rappen — sie zerpflückte ein paar Grashalme und hatte Aarens Frage überhört: ob sie die Morgenoder Abendpromenade schöner und genußreicher finde? Er mußte ihr die Frage noch ein Mal wiederholen und dann sagte sie sinnend: „Die Morgen sind schön,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/167
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/167>, abgerufen am 23.11.2024.