Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Eduin rief: "Vergeben Sie meinem Stolze -- Ihre Freundschaft schien mir ein unerreichbar hohes Gut -- ich sagte mir Tausend Mal, daß es Knabenthorheit sei, darum zu werben -- und im gleichen Maas, als ich Sie liebte, mogt' ich nicht von Ihnen mich lenken lassen -- ich wollte Ihnen gegenüber kein Kind sein, weil ich danach strebte, von Ihnen geliebt zu werden." Diese Stunde, als der liebgewordene Zögling endlich dieses stolze Geständniß an Thalheims Herzen ausweinte, war für diesen die schönste, welche er seit langer Zeit empfunden. Und so hatte von da der stolze, schwärmerische Jüngling sich mit der innigsten Zärtlichkeit an Thalheims Herz gehängt, und oft forderte er in jugendlichem Aufwallen edelster Gefühle das Schicksal heraus, ihm den Augenblick zu schicken, wo er dem geliebten Freund beweisen könne, daß er bereit sei, für ihn zu leben und zu sterben und Alles zu thun und zu dulden und hinzugeben, was das Leben bieten und das Sterben erschweren könne. Monate waren seitdem schon vergangen. Jetzt weilten die Drei in der Schweiz. Nun eben waren sie an dem Ort angekommen, wo sie die nächsten Briefe zu finden erwarten konnten. Karl und Eduin empfingen Briefe aus den väterlichen Häusern mit herzlichen Grüßen und fröhlichen Nachrichten von allseitigem Wohlergehen. Auch Eduin rief: „Vergeben Sie meinem Stolze — Ihre Freundschaft schien mir ein unerreichbar hohes Gut — ich sagte mir Tausend Mal, daß es Knabenthorheit sei, darum zu werben — und im gleichen Maas, als ich Sie liebte, mogt’ ich nicht von Ihnen mich lenken lassen — ich wollte Ihnen gegenüber kein Kind sein, weil ich danach strebte, von Ihnen geliebt zu werden.“ Diese Stunde, als der liebgewordene Zögling endlich dieses stolze Geständniß an Thalheims Herzen ausweinte, war für diesen die schönste, welche er seit langer Zeit empfunden. Und so hatte von da der stolze, schwärmerische Jüngling sich mit der innigsten Zärtlichkeit an Thalheims Herz gehängt, und oft forderte er in jugendlichem Aufwallen edelster Gefühle das Schicksal heraus, ihm den Augenblick zu schicken, wo er dem geliebten Freund beweisen könne, daß er bereit sei, für ihn zu leben und zu sterben und Alles zu thun und zu dulden und hinzugeben, was das Leben bieten und das Sterben erschweren könne. Monate waren seitdem schon vergangen. Jetzt weilten die Drei in der Schweiz. Nun eben waren sie an dem Ort angekommen, wo sie die nächsten Briefe zu finden erwarten konnten. Karl und Eduin empfingen Briefe aus den väterlichen Häusern mit herzlichen Grüßen und fröhlichen Nachrichten von allseitigem Wohlergehen. Auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0150" n="144"/> <p> Eduin rief: „Vergeben Sie meinem Stolze — Ihre Freundschaft schien mir ein unerreichbar hohes Gut — ich sagte mir Tausend Mal, daß es Knabenthorheit sei, darum zu werben — und im gleichen Maas, als ich Sie liebte, mogt’ ich nicht von Ihnen mich lenken lassen — ich wollte Ihnen gegenüber kein Kind sein, weil ich danach strebte, von Ihnen geliebt zu werden.“</p> <p>Diese Stunde, als der liebgewordene Zögling endlich dieses stolze Geständniß an Thalheims Herzen ausweinte, war für diesen die schönste, welche er seit langer Zeit empfunden.</p> <p>Und so hatte von da der stolze, schwärmerische Jüngling sich mit der innigsten Zärtlichkeit an Thalheims Herz gehängt, und oft forderte er in jugendlichem Aufwallen edelster Gefühle das Schicksal heraus, ihm den Augenblick zu schicken, wo er dem geliebten Freund beweisen könne, daß er bereit sei, für ihn zu leben und zu sterben und Alles zu thun und zu dulden und hinzugeben, was das Leben bieten und das Sterben erschweren könne.</p> <p>Monate waren seitdem schon vergangen. Jetzt weilten die Drei in der Schweiz. Nun eben waren sie an dem Ort angekommen, wo sie die nächsten Briefe zu finden erwarten konnten. Karl und Eduin empfingen Briefe aus den väterlichen Häusern mit herzlichen Grüßen und fröhlichen Nachrichten von allseitigem Wohlergehen. Auch </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0150]
Eduin rief: „Vergeben Sie meinem Stolze — Ihre Freundschaft schien mir ein unerreichbar hohes Gut — ich sagte mir Tausend Mal, daß es Knabenthorheit sei, darum zu werben — und im gleichen Maas, als ich Sie liebte, mogt’ ich nicht von Ihnen mich lenken lassen — ich wollte Ihnen gegenüber kein Kind sein, weil ich danach strebte, von Ihnen geliebt zu werden.“
Diese Stunde, als der liebgewordene Zögling endlich dieses stolze Geständniß an Thalheims Herzen ausweinte, war für diesen die schönste, welche er seit langer Zeit empfunden.
Und so hatte von da der stolze, schwärmerische Jüngling sich mit der innigsten Zärtlichkeit an Thalheims Herz gehängt, und oft forderte er in jugendlichem Aufwallen edelster Gefühle das Schicksal heraus, ihm den Augenblick zu schicken, wo er dem geliebten Freund beweisen könne, daß er bereit sei, für ihn zu leben und zu sterben und Alles zu thun und zu dulden und hinzugeben, was das Leben bieten und das Sterben erschweren könne.
Monate waren seitdem schon vergangen. Jetzt weilten die Drei in der Schweiz. Nun eben waren sie an dem Ort angekommen, wo sie die nächsten Briefe zu finden erwarten konnten. Karl und Eduin empfingen Briefe aus den väterlichen Häusern mit herzlichen Grüßen und fröhlichen Nachrichten von allseitigem Wohlergehen. Auch
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/150>, abgerufen am 22.07.2024. |