Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846."Und das waren Ausländer oder --" "Herr!" fiel ihm Adam in's Wort und seine Stirn ward plötzlich zornroth -- aber eben so schnell, als er das eine Wort gesagt, brach er auch ab und schwieg wieder. -- Der Geheimrath hatte Recht; Adam war wirklich so pfiffig als treuherzig; bei der letzten Frage errieth er plötzlich, daß man ihm zum Angeber machen wollte, und dagegen empörte sich seine redliche, Deutsche Natur. Adam war ein echter Typus Deutschen Charakters. Er war nicht gerade unzufrieden, aber da man ihm gesagt hatte: er verdiene es eigentlich, bessere Arbeit zu haben, als eben diese, so dachte er, ein höherer Lohn sei freilich mitzunehmen und eine schöne Sache -- aber er fürchtete sich, dazu einen entscheidenden Schritt zu thun, ein Mal, weil er überhaupt träge zur That war und lieber geduldig wartete, bis, wie ihm die Ausländer höhnend zuriefen: die gebratenen Tauben ihm einmal aus der Luft in den Mund geflogen kämen; -- und dann aus angestammter Liebe zu Frieden und zur Ordnung, aus christlicher Ergebung in die einmal bestehenden nothwendigen Uebel, aus angeborner Unterwürfigkeit und treuem Gehorsam gegen Vorgesetzte, aus Achtung einmal übernommener Pflichten. Dazu gesellte sich ihm die Furcht der Erfahrung, daß eben, wer die Macht habe, immer Recht behalte, und daß einige arme Arbeiter gegen diese Macht, welche sie beherrschte, „Und das waren Ausländer oder —“ „Herr!“ fiel ihm Adam in’s Wort und seine Stirn ward plötzlich zornroth — aber eben so schnell, als er das eine Wort gesagt, brach er auch ab und schwieg wieder. — Der Geheimrath hatte Recht; Adam war wirklich so pfiffig als treuherzig; bei der letzten Frage errieth er plötzlich, daß man ihm zum Angeber machen wollte, und dagegen empörte sich seine redliche, Deutsche Natur. Adam war ein echter Typus Deutschen Charakters. Er war nicht gerade unzufrieden, aber da man ihm gesagt hatte: er verdiene es eigentlich, bessere Arbeit zu haben, als eben diese, so dachte er, ein höherer Lohn sei freilich mitzunehmen und eine schöne Sache — aber er fürchtete sich, dazu einen entscheidenden Schritt zu thun, ein Mal, weil er überhaupt träge zur That war und lieber geduldig wartete, bis, wie ihm die Ausländer höhnend zuriefen: die gebratenen Tauben ihm einmal aus der Luft in den Mund geflogen kämen; — und dann aus angestammter Liebe zu Frieden und zur Ordnung, aus christlicher Ergebung in die einmal bestehenden nothwendigen Uebel, aus angeborner Unterwürfigkeit und treuem Gehorsam gegen Vorgesetzte, aus Achtung einmal übernommener Pflichten. Dazu gesellte sich ihm die Furcht der Erfahrung, daß eben, wer die Macht habe, immer Recht behalte, und daß einige arme Arbeiter gegen diese Macht, welche sie beherrschte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0137" n="131"/> <p> „Und das waren Ausländer oder —“</p> <p>„Herr!“ fiel ihm Adam in’s Wort und seine Stirn ward plötzlich zornroth — aber eben so schnell, als er das eine Wort gesagt, brach er auch ab und schwieg wieder. — Der Geheimrath hatte Recht; Adam war wirklich so pfiffig als treuherzig; bei der letzten Frage errieth er plötzlich, daß man ihm zum Angeber machen wollte, und dagegen empörte sich seine redliche, Deutsche Natur. Adam war ein echter Typus Deutschen Charakters. Er war nicht gerade unzufrieden, aber da man ihm gesagt hatte: er verdiene es eigentlich, bessere Arbeit zu haben, als eben diese, so dachte er, ein höherer Lohn sei freilich mitzunehmen und eine schöne Sache — aber er fürchtete sich, dazu einen entscheidenden Schritt zu thun, ein Mal, weil er überhaupt träge zur That war und lieber geduldig wartete, bis, wie ihm die Ausländer höhnend zuriefen: die gebratenen Tauben ihm einmal aus der Luft in den Mund geflogen kämen; — und dann aus angestammter Liebe zu Frieden und zur Ordnung, aus christlicher Ergebung in die einmal bestehenden nothwendigen Uebel, aus angeborner Unterwürfigkeit und treuem Gehorsam gegen Vorgesetzte, aus Achtung einmal übernommener Pflichten. Dazu gesellte sich ihm die Furcht der Erfahrung, daß eben, wer die Macht habe, immer Recht behalte, und daß einige arme Arbeiter gegen diese Macht, welche sie beherrschte, </p> </div> </body> </text> </TEI> [131/0137]
„Und das waren Ausländer oder —“
„Herr!“ fiel ihm Adam in’s Wort und seine Stirn ward plötzlich zornroth — aber eben so schnell, als er das eine Wort gesagt, brach er auch ab und schwieg wieder. — Der Geheimrath hatte Recht; Adam war wirklich so pfiffig als treuherzig; bei der letzten Frage errieth er plötzlich, daß man ihm zum Angeber machen wollte, und dagegen empörte sich seine redliche, Deutsche Natur. Adam war ein echter Typus Deutschen Charakters. Er war nicht gerade unzufrieden, aber da man ihm gesagt hatte: er verdiene es eigentlich, bessere Arbeit zu haben, als eben diese, so dachte er, ein höherer Lohn sei freilich mitzunehmen und eine schöne Sache — aber er fürchtete sich, dazu einen entscheidenden Schritt zu thun, ein Mal, weil er überhaupt träge zur That war und lieber geduldig wartete, bis, wie ihm die Ausländer höhnend zuriefen: die gebratenen Tauben ihm einmal aus der Luft in den Mund geflogen kämen; — und dann aus angestammter Liebe zu Frieden und zur Ordnung, aus christlicher Ergebung in die einmal bestehenden nothwendigen Uebel, aus angeborner Unterwürfigkeit und treuem Gehorsam gegen Vorgesetzte, aus Achtung einmal übernommener Pflichten. Dazu gesellte sich ihm die Furcht der Erfahrung, daß eben, wer die Macht habe, immer Recht behalte, und daß einige arme Arbeiter gegen diese Macht, welche sie beherrschte,
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