Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.lebend, schon von Manchem angewidert ward, was dem anmuthigsten und, wenn man so sagen will, ästhetischsten Luxus nicht genügte, daß er, der Alles besaß, was ein Leben beneidenswerth machen kann, Reichthum und Standesvortheil, Ruf und Ruhm, Jugend und Schönheit -- in irgend einem Verhältniß stände zu einer armen, beinah häßlichen Frau, welche jetzt Krankheit und Elend fast zehn Jahre älter erscheinen ließen, als sie wirklich war? -- Bella nahm Amaliens Ohnmacht für ein wahres Zeichen einer noch nicht gehobenen Krankheit, und den bittern Ton ihrer Stimme schob sie auf Rechnung eines kleinbürgerlichen, philiströsen Sinnes, welcher es unschicklich finde, eine Dame an der Seite eines schönen Mannes allein zu treffen -- und ob zwar sich Bella gestehen mußte, daß durch Jaromirs plötzliches Entfernen es wirklich scheinen konnte, als hätte sie Ursache gehabt, sich nicht gern in seiner Nähe überrascht gesehen zu haben, so verdroß sie es doch, daß Amalie, welche gewiß kam, um ihr zu danken, ganz im Gegentheil davon sie mit einer Art von Vorwurf begrüßte. Bella gerieth dadurch selbst unwillkührlich in eine bittere Stimmung gegen Amalien, welche sie gegen diese weniger freundlich erscheinen ließ, als sie außerdem gewesen sein würde. Amalie begann wieder: "Ich kam nur, um Ihnen zu danken --" lebend, schon von Manchem angewidert ward, was dem anmuthigsten und, wenn man so sagen will, ästhetischsten Luxus nicht genügte, daß er, der Alles besaß, was ein Leben beneidenswerth machen kann, Reichthum und Standesvortheil, Ruf und Ruhm, Jugend und Schönheit — in irgend einem Verhältniß stände zu einer armen, beinah häßlichen Frau, welche jetzt Krankheit und Elend fast zehn Jahre älter erscheinen ließen, als sie wirklich war? — Bella nahm Amaliens Ohnmacht für ein wahres Zeichen einer noch nicht gehobenen Krankheit, und den bittern Ton ihrer Stimme schob sie auf Rechnung eines kleinbürgerlichen, philiströsen Sinnes, welcher es unschicklich finde, eine Dame an der Seite eines schönen Mannes allein zu treffen — und ob zwar sich Bella gestehen mußte, daß durch Jaromirs plötzliches Entfernen es wirklich scheinen konnte, als hätte sie Ursache gehabt, sich nicht gern in seiner Nähe überrascht gesehen zu haben, so verdroß sie es doch, daß Amalie, welche gewiß kam, um ihr zu danken, ganz im Gegentheil davon sie mit einer Art von Vorwurf begrüßte. Bella gerieth dadurch selbst unwillkührlich in eine bittere Stimmung gegen Amalien, welche sie gegen diese weniger freundlich erscheinen ließ, als sie außerdem gewesen sein würde. Amalie begann wieder: „Ich kam nur, um Ihnen zu danken —“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0098" n="88"/> lebend, schon von Manchem angewidert ward, was dem anmuthigsten und, wenn man so sagen will, ästhetischsten Luxus nicht genügte, daß er, der Alles besaß, was ein Leben beneidenswerth machen kann, Reichthum und Standesvortheil, Ruf und Ruhm, Jugend und Schönheit — in irgend einem Verhältniß stände zu einer armen, beinah häßlichen Frau, welche jetzt Krankheit und Elend fast zehn Jahre älter erscheinen ließen, als sie wirklich war? — Bella nahm Amaliens Ohnmacht für ein wahres Zeichen einer noch nicht gehobenen Krankheit, und den bittern Ton ihrer Stimme schob sie auf Rechnung eines kleinbürgerlichen, philiströsen Sinnes, welcher es unschicklich finde, eine Dame an der Seite eines schönen Mannes allein zu treffen — und ob zwar sich Bella gestehen mußte, daß durch Jaromirs plötzliches Entfernen es wirklich scheinen konnte, als hätte sie Ursache gehabt, sich nicht gern in seiner Nähe überrascht gesehen zu haben, so verdroß sie es doch, daß Amalie, welche gewiß kam, um ihr zu danken, ganz im Gegentheil davon sie mit einer Art von Vorwurf begrüßte.</p> <p>Bella gerieth dadurch selbst unwillkührlich in eine bittere Stimmung gegen Amalien, welche sie gegen diese weniger freundlich erscheinen ließ, als sie außerdem gewesen sein würde.</p> <p>Amalie begann wieder: „Ich kam nur, um Ihnen zu danken —“</p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0098]
lebend, schon von Manchem angewidert ward, was dem anmuthigsten und, wenn man so sagen will, ästhetischsten Luxus nicht genügte, daß er, der Alles besaß, was ein Leben beneidenswerth machen kann, Reichthum und Standesvortheil, Ruf und Ruhm, Jugend und Schönheit — in irgend einem Verhältniß stände zu einer armen, beinah häßlichen Frau, welche jetzt Krankheit und Elend fast zehn Jahre älter erscheinen ließen, als sie wirklich war? — Bella nahm Amaliens Ohnmacht für ein wahres Zeichen einer noch nicht gehobenen Krankheit, und den bittern Ton ihrer Stimme schob sie auf Rechnung eines kleinbürgerlichen, philiströsen Sinnes, welcher es unschicklich finde, eine Dame an der Seite eines schönen Mannes allein zu treffen — und ob zwar sich Bella gestehen mußte, daß durch Jaromirs plötzliches Entfernen es wirklich scheinen konnte, als hätte sie Ursache gehabt, sich nicht gern in seiner Nähe überrascht gesehen zu haben, so verdroß sie es doch, daß Amalie, welche gewiß kam, um ihr zu danken, ganz im Gegentheil davon sie mit einer Art von Vorwurf begrüßte.
Bella gerieth dadurch selbst unwillkührlich in eine bittere Stimmung gegen Amalien, welche sie gegen diese weniger freundlich erscheinen ließ, als sie außerdem gewesen sein würde.
Amalie begann wieder: „Ich kam nur, um Ihnen zu danken —“
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/98>, abgerufen am 28.07.2024. |