Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.unwillkührlich einen Augenblick auf ihrem Platze stehen geblieben. Jetzt begegnete ihr Auge dem des Grafen -- sein Blick auf sie ward immer schwärmerischer, leuchtender -- sie senkte schnell ihre Augenlider und eilte die Treppe hinab. Sein Weg führte ja auch hinunter, aber er folgte ihr nur langsam. Für Amalien hatte er Nichts mehr empfinden können, als Mitleid -- er empfand jetzt dasselbe beinahe für sich selbst. Ihr Leben schien vergiftet und elend geworden zu sein von dem Augenblick an, wo sie das Liebesverhältniß zu ihm aufgelös't hatte, und so war es ihm selbst auch ergangen. Von jenem Augenblick an hatte für immer seine glückliche Jugend mit all' ihren glücklichen Zukunftsträumen geendet -- er war ein anderer Mensch geworden. Er dachte jetzt an dieses Jugendglück. -- Da fiel sein Blick auf Elisabeth -- -- auf diese schlanke, weißgekleidete Gestalt mit den schwärmenden Augen, der stolzen Stirn und den ernsten, fest aneinander geschlossenen Lippen, diese ganze Erscheinung, um welche der Zauber der heiligsten Jungfräulichkeit schwebte, einer schönen Unschuld, welche doch nicht mehr die eines spielenden Kindes war -- es war eine Unschuld, die Würde und Grazie zugleich hatte und von hohem Ernst zeigte neben dem Ausdruck unentweihten Engelfriedens. unwillkührlich einen Augenblick auf ihrem Platze stehen geblieben. Jetzt begegnete ihr Auge dem des Grafen — sein Blick auf sie ward immer schwärmerischer, leuchtender — sie senkte schnell ihre Augenlider und eilte die Treppe hinab. Sein Weg führte ja auch hinunter, aber er folgte ihr nur langsam. Für Amalien hatte er Nichts mehr empfinden können, als Mitleid — er empfand jetzt dasselbe beinahe für sich selbst. Ihr Leben schien vergiftet und elend geworden zu sein von dem Augenblick an, wo sie das Liebesverhältniß zu ihm aufgelös’t hatte, und so war es ihm selbst auch ergangen. Von jenem Augenblick an hatte für immer seine glückliche Jugend mit all’ ihren glücklichen Zukunftsträumen geendet — er war ein anderer Mensch geworden. Er dachte jetzt an dieses Jugendglück. — Da fiel sein Blick auf Elisabeth — — auf diese schlanke, weißgekleidete Gestalt mit den schwärmenden Augen, der stolzen Stirn und den ernsten, fest aneinander geschlossenen Lippen, diese ganze Erscheinung, um welche der Zauber der heiligsten Jungfräulichkeit schwebte, einer schönen Unschuld, welche doch nicht mehr die eines spielenden Kindes war — es war eine Unschuld, die Würde und Grazie zugleich hatte und von hohem Ernst zeigte neben dem Ausdruck unentweihten Engelfriedens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="77"/> unwillkührlich einen Augenblick auf ihrem Platze stehen geblieben.</p> <p>Jetzt begegnete ihr Auge dem des Grafen — sein Blick auf sie ward immer schwärmerischer, leuchtender — sie senkte schnell ihre Augenlider und eilte die Treppe hinab. Sein Weg führte ja auch hinunter, aber er folgte ihr nur langsam.</p> <p>Für Amalien hatte er Nichts mehr empfinden können, als Mitleid — er empfand jetzt dasselbe beinahe für sich selbst. Ihr Leben schien vergiftet und elend geworden zu sein von dem Augenblick an, wo sie das Liebesverhältniß zu ihm aufgelös’t hatte, und so war es ihm selbst auch ergangen. Von jenem Augenblick an hatte für immer seine glückliche Jugend mit all’ ihren glücklichen Zukunftsträumen geendet — er war ein anderer Mensch geworden. Er dachte jetzt an dieses Jugendglück. — Da fiel sein Blick auf Elisabeth — — auf diese schlanke, weißgekleidete Gestalt mit den schwärmenden Augen, der stolzen Stirn und den ernsten, fest aneinander geschlossenen Lippen, diese ganze Erscheinung, um welche der Zauber der heiligsten Jungfräulichkeit schwebte, einer schönen Unschuld, welche doch nicht mehr die eines spielenden Kindes war — es war eine Unschuld, die Würde und Grazie zugleich hatte und von hohem Ernst zeigte neben dem Ausdruck unentweihten Engelfriedens.</p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0087]
unwillkührlich einen Augenblick auf ihrem Platze stehen geblieben.
Jetzt begegnete ihr Auge dem des Grafen — sein Blick auf sie ward immer schwärmerischer, leuchtender — sie senkte schnell ihre Augenlider und eilte die Treppe hinab. Sein Weg führte ja auch hinunter, aber er folgte ihr nur langsam.
Für Amalien hatte er Nichts mehr empfinden können, als Mitleid — er empfand jetzt dasselbe beinahe für sich selbst. Ihr Leben schien vergiftet und elend geworden zu sein von dem Augenblick an, wo sie das Liebesverhältniß zu ihm aufgelös’t hatte, und so war es ihm selbst auch ergangen. Von jenem Augenblick an hatte für immer seine glückliche Jugend mit all’ ihren glücklichen Zukunftsträumen geendet — er war ein anderer Mensch geworden. Er dachte jetzt an dieses Jugendglück. — Da fiel sein Blick auf Elisabeth — — auf diese schlanke, weißgekleidete Gestalt mit den schwärmenden Augen, der stolzen Stirn und den ernsten, fest aneinander geschlossenen Lippen, diese ganze Erscheinung, um welche der Zauber der heiligsten Jungfräulichkeit schwebte, einer schönen Unschuld, welche doch nicht mehr die eines spielenden Kindes war — es war eine Unschuld, die Würde und Grazie zugleich hatte und von hohem Ernst zeigte neben dem Ausdruck unentweihten Engelfriedens.
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