Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Liebhaber zu sein, wenn Sie nur ein desto treuerer Freund sind -- ich werde mir andere Anbeter suchen müssen, sie sind ja auch keine Seltenheit -- aber treue Freundschaft ist eine, und so wollen wir denn davon ein musterhaftes Exemplar zu Stande bringen." So aufrichtig war dies neue Bündniß zwischen diesen Beiden geschlossen worden. Aufrichtig, denn was Jaromir verschwieg, das schlummerte selbst in seiner Seele Tiefen als ein ungelöstes, heiliges Räthsel. Er hatte Elisabeth zum zweiten Male gesehen, er war von diesem Augenblicke an wieder ein begeisterter Dichter geworden. Aber er hatte nicht nach ihr geforscht, er hatte sie nirgends gesucht. Wie ein wunderherrliches Traumbild war sie ihm erschienen, so, sagte er sich, sollte sie in ihm fortleben. Warum auch diese himmlische Erscheinung hereinziehen in die gemeine Wirklichkeit? Sie würde in ihr doch auch in ein leeres Nichts zerfließen, so meinte er, und das wollte er sich ersparen; er wollte nicht auch dieses Ideal vernichten, um es mit zu den andern umgestürzten Göttern seines Innern und seines Lebens zu werfen, deren Fall er schon beweint oder verspottet hatte. Dieselbe Macht, welche sie ihm zwei Mal in den Weg seltsam geführt, die werde es auch noch ein drittes Mal so fügen, er wußte es -- aber er fragte weiter nicht darnach, er bemühte sich nicht darum. Aber wie eine leuchtende Gestalt stand sie immer vor seiner Liebhaber zu sein, wenn Sie nur ein desto treuerer Freund sind — ich werde mir andere Anbeter suchen müssen, sie sind ja auch keine Seltenheit — aber treue Freundschaft ist eine, und so wollen wir denn davon ein musterhaftes Exemplar zu Stande bringen.“ So aufrichtig war dies neue Bündniß zwischen diesen Beiden geschlossen worden. Aufrichtig, denn was Jaromir verschwieg, das schlummerte selbst in seiner Seele Tiefen als ein ungelöstes, heiliges Räthsel. Er hatte Elisabeth zum zweiten Male gesehen, er war von diesem Augenblicke an wieder ein begeisterter Dichter geworden. Aber er hatte nicht nach ihr geforscht, er hatte sie nirgends gesucht. Wie ein wunderherrliches Traumbild war sie ihm erschienen, so, sagte er sich, sollte sie in ihm fortleben. Warum auch diese himmlische Erscheinung hereinziehen in die gemeine Wirklichkeit? Sie würde in ihr doch auch in ein leeres Nichts zerfließen, so meinte er, und das wollte er sich ersparen; er wollte nicht auch dieses Ideal vernichten, um es mit zu den andern umgestürzten Göttern seines Innern und seines Lebens zu werfen, deren Fall er schon beweint oder verspottet hatte. Dieselbe Macht, welche sie ihm zwei Mal in den Weg seltsam geführt, die werde es auch noch ein drittes Mal so fügen, er wußte es — aber er fragte weiter nicht darnach, er bemühte sich nicht darum. Aber wie eine leuchtende Gestalt stand sie immer vor seiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0199" n="189"/> Liebhaber zu sein, wenn Sie nur ein desto treuerer Freund sind — ich werde mir andere Anbeter suchen müssen, sie sind ja auch keine Seltenheit — aber treue Freundschaft ist eine, und so wollen wir denn davon ein musterhaftes Exemplar zu Stande bringen.“</p> <p>So aufrichtig war dies neue Bündniß zwischen diesen Beiden geschlossen worden. Aufrichtig, denn was Jaromir verschwieg, das schlummerte selbst in seiner Seele Tiefen als ein ungelöstes, heiliges Räthsel.</p> <p>Er hatte Elisabeth zum zweiten Male gesehen, er war von diesem Augenblicke an wieder ein begeisterter Dichter geworden. Aber er hatte nicht nach ihr geforscht, er hatte sie nirgends gesucht. Wie ein wunderherrliches Traumbild war sie ihm erschienen, so, sagte er sich, sollte sie in ihm fortleben. Warum auch diese himmlische Erscheinung hereinziehen in die gemeine Wirklichkeit? Sie würde in ihr doch auch in ein leeres Nichts zerfließen, so meinte er, und das wollte er sich ersparen; er wollte nicht auch dieses Ideal vernichten, um es mit zu den andern umgestürzten Göttern seines Innern und seines Lebens zu werfen, deren Fall er schon beweint oder verspottet hatte. Dieselbe Macht, welche sie ihm zwei Mal in den Weg seltsam geführt, die werde es auch noch ein drittes Mal so fügen, er wußte es — aber er fragte weiter nicht darnach, er bemühte sich nicht darum. Aber wie eine leuchtende Gestalt stand sie immer vor seiner </p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0199]
Liebhaber zu sein, wenn Sie nur ein desto treuerer Freund sind — ich werde mir andere Anbeter suchen müssen, sie sind ja auch keine Seltenheit — aber treue Freundschaft ist eine, und so wollen wir denn davon ein musterhaftes Exemplar zu Stande bringen.“
So aufrichtig war dies neue Bündniß zwischen diesen Beiden geschlossen worden. Aufrichtig, denn was Jaromir verschwieg, das schlummerte selbst in seiner Seele Tiefen als ein ungelöstes, heiliges Räthsel.
Er hatte Elisabeth zum zweiten Male gesehen, er war von diesem Augenblicke an wieder ein begeisterter Dichter geworden. Aber er hatte nicht nach ihr geforscht, er hatte sie nirgends gesucht. Wie ein wunderherrliches Traumbild war sie ihm erschienen, so, sagte er sich, sollte sie in ihm fortleben. Warum auch diese himmlische Erscheinung hereinziehen in die gemeine Wirklichkeit? Sie würde in ihr doch auch in ein leeres Nichts zerfließen, so meinte er, und das wollte er sich ersparen; er wollte nicht auch dieses Ideal vernichten, um es mit zu den andern umgestürzten Göttern seines Innern und seines Lebens zu werfen, deren Fall er schon beweint oder verspottet hatte. Dieselbe Macht, welche sie ihm zwei Mal in den Weg seltsam geführt, die werde es auch noch ein drittes Mal so fügen, er wußte es — aber er fragte weiter nicht darnach, er bemühte sich nicht darum. Aber wie eine leuchtende Gestalt stand sie immer vor seiner
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/199>, abgerufen am 22.07.2024. |