Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846."Jetzt endlich sind Sie wieder Sie selbst," rief Jaromir, "und legen die Sentimentalität ab, mit welcher Sie mich vorher empfingen, und die mir an Ihnen so fremd ist. -- Was Sie da von sich selbst gestehen, dacht' ich auch, und noch mehr: wenn ich mir sagte, daß sie keine hingebende Gattin, und als solche auch nicht glücklich sein würden, so sagte ich mir auch noch, daß ich als Gatte vielleicht der unerträglichste, bestimmt aber der unglückseligste aller Menschen sein würde." "Das ist ein sehr naives Geständniß!" sagte Bella. "Gewiß," fuhr Jaromir lebhaft fort, "ich sagte mir, daß ich nicht einmal einige armselige Tage in der Ehe würde glücklich verträumen können, wie es doch die Andern im Stande sind, eben weil ich mir mitten in jedem leidenschaftlichen Rausch sagen konnte: morgen wirst Du nüchtern und ermüdet sein. Ich fühlte, daß Ihr Besitz mit einem elenden, gefesselten Leben zu theuer erkauft sei -- und weil ich dies fühlte, erkannte ich, Sie nicht wahrhaft zu lieben, denn der Liebe ist kein Preis zu theuer! Und dazu, Bella, liebte ich Sie eben zu sehr -- oder, wenn das deutlicher ist: Sie waren mir zu werth, ich stellte Sie zu hoch, um Ihnen Reue und Kummer zu bereiten. -- Bella! Sie sind mir heute so theuer und so werth, ja so unentbehrlich, als irgend einmal -- aber niemals haben Sie wieder jenes stürmische Verlangen in mir erweckt, wie an jenem Abend in „Jetzt endlich sind Sie wieder Sie selbst,“ rief Jaromir, „und legen die Sentimentalität ab, mit welcher Sie mich vorher empfingen, und die mir an Ihnen so fremd ist. — Was Sie da von sich selbst gestehen, dacht’ ich auch, und noch mehr: wenn ich mir sagte, daß sie keine hingebende Gattin, und als solche auch nicht glücklich sein würden, so sagte ich mir auch noch, daß ich als Gatte vielleicht der unerträglichste, bestimmt aber der unglückseligste aller Menschen sein würde.“ „Das ist ein sehr naives Geständniß!“ sagte Bella. „Gewiß,“ fuhr Jaromir lebhaft fort, „ich sagte mir, daß ich nicht einmal einige armselige Tage in der Ehe würde glücklich verträumen können, wie es doch die Andern im Stande sind, eben weil ich mir mitten in jedem leidenschaftlichen Rausch sagen konnte: morgen wirst Du nüchtern und ermüdet sein. Ich fühlte, daß Ihr Besitz mit einem elenden, gefesselten Leben zu theuer erkauft sei — und weil ich dies fühlte, erkannte ich, Sie nicht wahrhaft zu lieben, denn der Liebe ist kein Preis zu theuer! Und dazu, Bella, liebte ich Sie eben zu sehr — oder, wenn das deutlicher ist: Sie waren mir zu werth, ich stellte Sie zu hoch, um Ihnen Reue und Kummer zu bereiten. — Bella! Sie sind mir heute so theuer und so werth, ja so unentbehrlich, als irgend einmal — aber niemals haben Sie wieder jenes stürmische Verlangen in mir erweckt, wie an jenem Abend in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0196" n="186"/> <p> „Jetzt endlich sind Sie wieder Sie selbst,“ rief Jaromir, „und legen die Sentimentalität ab, mit welcher Sie mich vorher empfingen, und die mir an Ihnen so fremd ist. — Was Sie da von sich selbst gestehen, dacht’ ich auch, und noch mehr: wenn ich mir sagte, daß sie keine hingebende Gattin, und als solche auch nicht glücklich sein würden, so sagte ich mir auch noch, daß ich als Gatte vielleicht der unerträglichste, bestimmt aber der unglückseligste aller Menschen sein würde.“</p> <p>„Das ist ein sehr naives Geständniß!“ sagte Bella.</p> <p>„Gewiß,“ fuhr Jaromir lebhaft fort, „ich sagte mir, daß ich nicht einmal einige armselige Tage in der Ehe würde glücklich verträumen können, wie es doch die Andern im Stande sind, eben weil ich mir mitten in jedem leidenschaftlichen Rausch sagen konnte: morgen wirst Du nüchtern und ermüdet sein. Ich fühlte, daß Ihr Besitz mit einem elenden, gefesselten Leben zu theuer erkauft sei — und weil ich dies fühlte, erkannte ich, Sie nicht wahrhaft zu lieben, denn der Liebe ist kein Preis zu theuer! Und dazu, Bella, liebte ich Sie eben zu sehr — oder, wenn das deutlicher ist: Sie waren mir zu werth, ich stellte Sie zu hoch, um Ihnen Reue und Kummer zu bereiten. — Bella! Sie sind mir heute so theuer und so werth, ja so unentbehrlich, als irgend einmal — aber niemals haben Sie wieder jenes stürmische Verlangen in mir erweckt, wie an jenem Abend in </p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0196]
„Jetzt endlich sind Sie wieder Sie selbst,“ rief Jaromir, „und legen die Sentimentalität ab, mit welcher Sie mich vorher empfingen, und die mir an Ihnen so fremd ist. — Was Sie da von sich selbst gestehen, dacht’ ich auch, und noch mehr: wenn ich mir sagte, daß sie keine hingebende Gattin, und als solche auch nicht glücklich sein würden, so sagte ich mir auch noch, daß ich als Gatte vielleicht der unerträglichste, bestimmt aber der unglückseligste aller Menschen sein würde.“
„Das ist ein sehr naives Geständniß!“ sagte Bella.
„Gewiß,“ fuhr Jaromir lebhaft fort, „ich sagte mir, daß ich nicht einmal einige armselige Tage in der Ehe würde glücklich verträumen können, wie es doch die Andern im Stande sind, eben weil ich mir mitten in jedem leidenschaftlichen Rausch sagen konnte: morgen wirst Du nüchtern und ermüdet sein. Ich fühlte, daß Ihr Besitz mit einem elenden, gefesselten Leben zu theuer erkauft sei — und weil ich dies fühlte, erkannte ich, Sie nicht wahrhaft zu lieben, denn der Liebe ist kein Preis zu theuer! Und dazu, Bella, liebte ich Sie eben zu sehr — oder, wenn das deutlicher ist: Sie waren mir zu werth, ich stellte Sie zu hoch, um Ihnen Reue und Kummer zu bereiten. — Bella! Sie sind mir heute so theuer und so werth, ja so unentbehrlich, als irgend einmal — aber niemals haben Sie wieder jenes stürmische Verlangen in mir erweckt, wie an jenem Abend in
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/196>, abgerufen am 22.07.2024. |