Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.irgend etwas Geheimnißvolles. Bella konnte sich beruhigen. Eines Tages, als er nach langer Abwesenheit wie der bei ihr eintrat, und wie gewöhnlich neben ihr auf dem Sopha Platz nahm, schmiegte sie sich zärtlich an ihn, und sagte: "Ist es auch Recht, daß Sie jetzt über Ihren Dichtungen das wirkliche Leben ganz vergessen? Ist es Recht, daß Sie über Ihren Traumbildern Ihre Geliebte vernachlässigen?" Er sah sie halb erschrocken an, machte sich von ihr los, stand auf, und sagte sehr ernst: "Also immer noch diesen Traum, Bella? Diesen Traum, aus dem ich längst aufgewacht bin, in dem ich Sie schon lange nicht mehr befangen glaubte." Sie erhob sich rasch, ihr Gesicht glühte. "Und das sagen Sie so ruhig. -- Sie bekennen, daß Sie mich getäuscht haben, daß Sie eine Andere lieben!" rief sie außer sich. Er schüttelte langsam die dunkeln Locken: "Getäuscht? Was sind alle Liebesverhältnisse, ja alle Lebensverhältnisse überhaupt anders, als eine Kette oft gezwungener, immer wenigstens absichtsloser Täuschungen? Ich eine Andere lieben? Nein, das ist für mein Herz vorbei -- das hat gelernt, daß das Glück der Liebe nur ein Traum ist. In der irgend etwas Geheimnißvolles. Bella konnte sich beruhigen. Eines Tages, als er nach langer Abwesenheit wie der bei ihr eintrat, und wie gewöhnlich neben ihr auf dem Sopha Platz nahm, schmiegte sie sich zärtlich an ihn, und sagte: „Ist es auch Recht, daß Sie jetzt über Ihren Dichtungen das wirkliche Leben ganz vergessen? Ist es Recht, daß Sie über Ihren Traumbildern Ihre Geliebte vernachlässigen?“ Er sah sie halb erschrocken an, machte sich von ihr los, stand auf, und sagte sehr ernst: „Also immer noch diesen Traum, Bella? Diesen Traum, aus dem ich längst aufgewacht bin, in dem ich Sie schon lange nicht mehr befangen glaubte.“ Sie erhob sich rasch, ihr Gesicht glühte. „Und das sagen Sie so ruhig. — Sie bekennen, daß Sie mich getäuscht haben, daß Sie eine Andere lieben!“ rief sie außer sich. Er schüttelte langsam die dunkeln Locken: „Getäuscht? Was sind alle Liebesverhältnisse, ja alle Lebensverhältnisse überhaupt anders, als eine Kette oft gezwungener, immer wenigstens absichtsloser Täuschungen? Ich eine Andere lieben? Nein, das ist für mein Herz vorbei — das hat gelernt, daß das Glück der Liebe nur ein Traum ist. In der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0191" n="181"/> irgend etwas Geheimnißvolles. Bella konnte sich beruhigen.</p> <p>Eines Tages, als er nach langer Abwesenheit wie der bei ihr eintrat, und wie gewöhnlich neben ihr auf dem Sopha Platz nahm, schmiegte sie sich zärtlich an ihn, und sagte:</p> <p>„Ist es auch Recht, daß Sie jetzt über Ihren Dichtungen das wirkliche Leben ganz vergessen? Ist es Recht, daß Sie über Ihren Traumbildern Ihre Geliebte vernachlässigen?“</p> <p>Er sah sie halb erschrocken an, machte sich von ihr los, stand auf, und sagte sehr ernst: „Also immer noch diesen Traum, Bella? Diesen Traum, aus dem ich längst aufgewacht bin, in dem ich Sie schon lange nicht mehr befangen glaubte.“</p> <p>Sie erhob sich rasch, ihr Gesicht glühte. „Und das sagen Sie so ruhig. — Sie bekennen, daß Sie mich getäuscht haben, daß Sie eine Andere lieben!“ rief sie außer sich.</p> <p>Er schüttelte langsam die dunkeln Locken: „Getäuscht? Was sind alle Liebesverhältnisse, ja alle Lebensverhältnisse überhaupt anders, als eine Kette oft gezwungener, immer wenigstens absichtsloser Täuschungen? Ich eine Andere lieben? Nein, das ist für mein Herz vorbei — das hat gelernt, daß das Glück der Liebe nur ein Traum ist. In der </p> </div> </body> </text> </TEI> [181/0191]
irgend etwas Geheimnißvolles. Bella konnte sich beruhigen.
Eines Tages, als er nach langer Abwesenheit wie der bei ihr eintrat, und wie gewöhnlich neben ihr auf dem Sopha Platz nahm, schmiegte sie sich zärtlich an ihn, und sagte:
„Ist es auch Recht, daß Sie jetzt über Ihren Dichtungen das wirkliche Leben ganz vergessen? Ist es Recht, daß Sie über Ihren Traumbildern Ihre Geliebte vernachlässigen?“
Er sah sie halb erschrocken an, machte sich von ihr los, stand auf, und sagte sehr ernst: „Also immer noch diesen Traum, Bella? Diesen Traum, aus dem ich längst aufgewacht bin, in dem ich Sie schon lange nicht mehr befangen glaubte.“
Sie erhob sich rasch, ihr Gesicht glühte. „Und das sagen Sie so ruhig. — Sie bekennen, daß Sie mich getäuscht haben, daß Sie eine Andere lieben!“ rief sie außer sich.
Er schüttelte langsam die dunkeln Locken: „Getäuscht? Was sind alle Liebesverhältnisse, ja alle Lebensverhältnisse überhaupt anders, als eine Kette oft gezwungener, immer wenigstens absichtsloser Täuschungen? Ich eine Andere lieben? Nein, das ist für mein Herz vorbei — das hat gelernt, daß das Glück der Liebe nur ein Traum ist. In der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/191 |
Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/191>, abgerufen am 22.07.2024. |