Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Es war ein unerquickliches Geschäft, was der Rittmeister mit Herrn Felchner abzuthun hatte. Er trug auch hier seinen alten grauen Hausrock -- diese Misachtung aller conventionellen Sitte im Haus eines Aristokraten war für ihn charakteristisch. "Gehorsamer Diener," sagte er im Eintreten, "wollte mir nur selbst die Antwort auf meine beiden Briefe holen, welche Sie mir schuldig geblieben sind." "Es freut mich, daß ich das Vergnügen habe, Sie selbst persönlich bei mir zu sehen," sagte der Rittmeister höflich, aber Felchner fiel ihm in's Wort: "Sie entschuldigen, daß ich Ihre höflichen Redensarten unterbreche, allein wir Geschäftsleute haben immer nicht viel Zeit, dergleichen zu erwidern und anzuhören, und heute bin ich ganz besonders pressirt. Wir wollen uns einander nicht unnöthig mit höflichen Redensarten aufhalten. Mein Besuch, fürcht' ich, wird Ihnen nicht erwünscht sein, denn Sie werden wohl wissen, weshalb ich komme, sollken Sie sich dessen, was wir zusammen verabredet haben, jedoch gar nicht mehr erinnern, so werde ich mir selbst die Freiheit nehmen." Mit diesen Worten zog Herr Felchner aus seinen großen Rocktaschen einige actenmäßig aussehende Papiere. "Herr Felchner," sagte der Rittmeister vertraulich, "wir haben immer gute Nachbarschaft gehalten, wir wollen nicht um eines solchen Bagatells willen --" Es war ein unerquickliches Geschäft, was der Rittmeister mit Herrn Felchner abzuthun hatte. Er trug auch hier seinen alten grauen Hausrock — diese Misachtung aller conventionellen Sitte im Haus eines Aristokraten war für ihn charakteristisch. „Gehorsamer Diener,“ sagte er im Eintreten, „wollte mir nur selbst die Antwort auf meine beiden Briefe holen, welche Sie mir schuldig geblieben sind.“ „Es freut mich, daß ich das Vergnügen habe, Sie selbst persönlich bei mir zu sehen,“ sagte der Rittmeister höflich, aber Felchner fiel ihm in’s Wort: „Sie entschuldigen, daß ich Ihre höflichen Redensarten unterbreche, allein wir Geschäftsleute haben immer nicht viel Zeit, dergleichen zu erwidern und anzuhören, und heute bin ich ganz besonders pressirt. Wir wollen uns einander nicht unnöthig mit höflichen Redensarten aufhalten. Mein Besuch, fürcht’ ich, wird Ihnen nicht erwünscht sein, denn Sie werden wohl wissen, weshalb ich komme, sollken Sie sich dessen, was wir zusammen verabredet haben, jedoch gar nicht mehr erinnern, so werde ich mir selbst die Freiheit nehmen.“ Mit diesen Worten zog Herr Felchner aus seinen großen Rocktaschen einige actenmäßig aussehende Papiere. „Herr Felchner,“ sagte der Rittmeister vertraulich, „wir haben immer gute Nachbarschaft gehalten, wir wollen nicht um eines solchen Bagatells willen —“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0182" n="172"/> <p> Es war ein unerquickliches Geschäft, was der Rittmeister mit Herrn Felchner abzuthun hatte.</p> <p>Er trug auch hier seinen alten grauen Hausrock — diese Misachtung aller conventionellen Sitte im Haus eines Aristokraten war für ihn charakteristisch.</p> <p>„Gehorsamer Diener,“ sagte er im Eintreten, „wollte mir nur selbst die Antwort auf meine beiden Briefe holen, welche Sie mir schuldig geblieben sind.“</p> <p>„Es freut mich, daß ich das Vergnügen habe, Sie selbst persönlich bei mir zu sehen,“ sagte der Rittmeister höflich, aber Felchner fiel ihm in’s Wort: „Sie entschuldigen, daß ich Ihre höflichen Redensarten unterbreche, allein wir Geschäftsleute haben immer nicht viel Zeit, dergleichen zu erwidern und anzuhören, und heute bin ich ganz besonders pressirt. Wir wollen uns einander nicht unnöthig mit höflichen Redensarten aufhalten. Mein Besuch, fürcht’ ich, wird Ihnen nicht erwünscht sein, denn Sie werden wohl wissen, weshalb ich komme, sollken Sie sich dessen, was wir zusammen verabredet haben, jedoch gar nicht mehr erinnern, so werde ich mir selbst die Freiheit nehmen.“ Mit diesen Worten zog Herr Felchner aus seinen großen Rocktaschen einige actenmäßig aussehende Papiere.</p> <p>„Herr Felchner,“ sagte der Rittmeister vertraulich, „wir haben immer gute Nachbarschaft gehalten, wir wollen nicht um eines solchen Bagatells willen —“</p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0182]
Es war ein unerquickliches Geschäft, was der Rittmeister mit Herrn Felchner abzuthun hatte.
Er trug auch hier seinen alten grauen Hausrock — diese Misachtung aller conventionellen Sitte im Haus eines Aristokraten war für ihn charakteristisch.
„Gehorsamer Diener,“ sagte er im Eintreten, „wollte mir nur selbst die Antwort auf meine beiden Briefe holen, welche Sie mir schuldig geblieben sind.“
„Es freut mich, daß ich das Vergnügen habe, Sie selbst persönlich bei mir zu sehen,“ sagte der Rittmeister höflich, aber Felchner fiel ihm in’s Wort: „Sie entschuldigen, daß ich Ihre höflichen Redensarten unterbreche, allein wir Geschäftsleute haben immer nicht viel Zeit, dergleichen zu erwidern und anzuhören, und heute bin ich ganz besonders pressirt. Wir wollen uns einander nicht unnöthig mit höflichen Redensarten aufhalten. Mein Besuch, fürcht’ ich, wird Ihnen nicht erwünscht sein, denn Sie werden wohl wissen, weshalb ich komme, sollken Sie sich dessen, was wir zusammen verabredet haben, jedoch gar nicht mehr erinnern, so werde ich mir selbst die Freiheit nehmen.“ Mit diesen Worten zog Herr Felchner aus seinen großen Rocktaschen einige actenmäßig aussehende Papiere.
„Herr Felchner,“ sagte der Rittmeister vertraulich, „wir haben immer gute Nachbarschaft gehalten, wir wollen nicht um eines solchen Bagatells willen —“
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/182>, abgerufen am 22.07.2024. |