Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Freundin wieder auszusöhnen; zu schnell wollte sie dieselbe aber nicht versöhnen, um sich selbst Nichts von ihrer eignen Würde zu vergeben. Bald jedoch ward ihre Aufmerksamkeit durch Stimmen, welche sich auf der Straße hören ließen, gefesselt. Zwei männliche Gestalten gingen unten vorüber und die Lauschende hörte die Worte: "So viel ist gewiß, dies ist das Institut, welchem sie angehören, aber wie aus einer so scharfbewachten Heerde gerade die Eine herausfinden, die man im Sinne hat und von der man nicht einmal weiß, ob sie Pauline oder Aurelie heißt --" Das Wort "Heerde" klang Aurelien zwar etwas anstößig, sie konnte es nicht ohne Nasenrümpfen hören, doch als sie ihren eignen Namen verstanden hatte, strengte sie ihr Gehör auf's Aeußerste an, um vielleicht noch ein die erregte Neugierde befriedigendes Wort zu vernehmen, und so hörte sie noch eine zweite Stimme sagen: "O, ich habe mir das Engelsgesicht zu deutlich gemerkt, um es je wieder vergessen zu können, wer sie auch sei, wie tyrannisch sie vielleicht auch bewacht sein mag, ich werde Mittel finden, mich ihr zu nähern." Die erste Stimme ließ darauf ein wieherndes Gelächter vernehmen -- darüber schien die vorher friedliche Unterhaltung in ein Gezänk überzugehen, von dem Aurelie, Freundin wieder auszusöhnen; zu schnell wollte sie dieselbe aber nicht versöhnen, um sich selbst Nichts von ihrer eignen Würde zu vergeben. Bald jedoch ward ihre Aufmerksamkeit durch Stimmen, welche sich auf der Straße hören ließen, gefesselt. Zwei männliche Gestalten gingen unten vorüber und die Lauschende hörte die Worte: „So viel ist gewiß, dies ist das Institut, welchem sie angehören, aber wie aus einer so scharfbewachten Heerde gerade die Eine herausfinden, die man im Sinne hat und von der man nicht einmal weiß, ob sie Pauline oder Aurelie heißt —“ Das Wort „Heerde“ klang Aurelien zwar etwas anstößig, sie konnte es nicht ohne Nasenrümpfen hören, doch als sie ihren eignen Namen verstanden hatte, strengte sie ihr Gehör auf’s Aeußerste an, um vielleicht noch ein die erregte Neugierde befriedigendes Wort zu vernehmen, und so hörte sie noch eine zweite Stimme sagen: „O, ich habe mir das Engelsgesicht zu deutlich gemerkt, um es je wieder vergessen zu können, wer sie auch sei, wie tyrannisch sie vielleicht auch bewacht sein mag, ich werde Mittel finden, mich ihr zu nähern.“ Die erste Stimme ließ darauf ein wieherndes Gelächter vernehmen — darüber schien die vorher friedliche Unterhaltung in ein Gezänk überzugehen, von dem Aurelie, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0016" n="6"/> Freundin wieder auszusöhnen; zu schnell wollte sie dieselbe aber nicht versöhnen, um sich selbst Nichts von ihrer eignen Würde zu vergeben. Bald jedoch ward ihre Aufmerksamkeit durch Stimmen, welche sich auf der Straße hören ließen, gefesselt.</p> <p>Zwei männliche Gestalten gingen unten vorüber und die Lauschende hörte die Worte:</p> <p>„So viel ist gewiß, dies ist das Institut, welchem sie angehören, aber wie aus einer so scharfbewachten Heerde gerade die Eine herausfinden, die man im Sinne hat und von der man nicht einmal weiß, ob sie Pauline oder Aurelie heißt —“</p> <p>Das Wort „Heerde“ klang Aurelien zwar etwas anstößig, sie konnte es nicht ohne Nasenrümpfen hören, doch als sie ihren eignen Namen verstanden hatte, strengte sie ihr Gehör auf’s Aeußerste an, um vielleicht noch ein die erregte Neugierde befriedigendes Wort zu vernehmen, und so hörte sie noch eine zweite Stimme sagen:</p> <p>„O, ich habe mir das Engelsgesicht zu deutlich gemerkt, um es je wieder vergessen zu können, wer sie auch sei, wie tyrannisch sie vielleicht auch bewacht sein mag, ich werde Mittel finden, mich ihr zu nähern.“</p> <p>Die erste Stimme ließ darauf ein wieherndes Gelächter vernehmen — darüber schien die vorher friedliche Unterhaltung in ein Gezänk überzugehen, von dem Aurelie, </p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0016]
Freundin wieder auszusöhnen; zu schnell wollte sie dieselbe aber nicht versöhnen, um sich selbst Nichts von ihrer eignen Würde zu vergeben. Bald jedoch ward ihre Aufmerksamkeit durch Stimmen, welche sich auf der Straße hören ließen, gefesselt.
Zwei männliche Gestalten gingen unten vorüber und die Lauschende hörte die Worte:
„So viel ist gewiß, dies ist das Institut, welchem sie angehören, aber wie aus einer so scharfbewachten Heerde gerade die Eine herausfinden, die man im Sinne hat und von der man nicht einmal weiß, ob sie Pauline oder Aurelie heißt —“
Das Wort „Heerde“ klang Aurelien zwar etwas anstößig, sie konnte es nicht ohne Nasenrümpfen hören, doch als sie ihren eignen Namen verstanden hatte, strengte sie ihr Gehör auf’s Aeußerste an, um vielleicht noch ein die erregte Neugierde befriedigendes Wort zu vernehmen, und so hörte sie noch eine zweite Stimme sagen:
„O, ich habe mir das Engelsgesicht zu deutlich gemerkt, um es je wieder vergessen zu können, wer sie auch sei, wie tyrannisch sie vielleicht auch bewacht sein mag, ich werde Mittel finden, mich ihr zu nähern.“
Die erste Stimme ließ darauf ein wieherndes Gelächter vernehmen — darüber schien die vorher friedliche Unterhaltung in ein Gezänk überzugehen, von dem Aurelie,
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