Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Fräulein, es sind Menschen, wie Sie, aber es ist eben ihr Unglück, daß man diesen Tausenden ihre Menschenrechte genommen, und deshalb sogar auch die Fähigkeit, sich über das Thier, zu dem man sie herabgestoßen, zu erheben.< Ich fühlte, daß in diesen Worten eine große Wahrheit lag, ja, ich empfand auch zugleich, daß ich ihm eine Abbitte, und für seine Klage ein tröstliches Wort schuldig war, und ich erwiderte: >Mich jammert jede Noth, und was ich thun kann, um ihr abzuhelfen, will ich versuchen.< Er lächelte kummervoll bei diesen Worten, und statt der Antwort gab er mir eine dünne Broschüre. >Ich bitte Sie, das zu lesen, wenn Sie einmal ein Wenig Zeit haben für diese Unglücklichen alle, welche Sie hier umgeben.< Dann trat er ehrerbietig mit einem Gruße zurück und sprach mit einer Frau, welche zwei kleine Kinder auf den Armen hatte. Diese kam dann auf mich zu und dankte mir, ihrem Beispiel folgten dann noch viele der Leute; Manche thaten es unmuthig und förmlich. Andere herzlich und mit Thränen, ich glaube, es geschah nur auf Franz Thalheims Aufforderung, daß sie mir dankten -- ich hätte es ihnen gerne erspart, obwohl ich mir dabei sagte, daß es auch Hochmuth sei, ihren Dank nicht annehmen zu wollen, so gut als es Hochmuth sei, ihn zu fordern, -- denn was mir bei diesem Dank unwillkührlich lästig war, waren die vielen unreinen, derben und schwieligen Hände, welche die meinen drückten, Fräulein, es sind Menschen, wie Sie, aber es ist eben ihr Unglück, daß man diesen Tausenden ihre Menschenrechte genommen, und deshalb sogar auch die Fähigkeit, sich über das Thier, zu dem man sie herabgestoßen, zu erheben.‹ Ich fühlte, daß in diesen Worten eine große Wahrheit lag, ja, ich empfand auch zugleich, daß ich ihm eine Abbitte, und für seine Klage ein tröstliches Wort schuldig war, und ich erwiderte: ›Mich jammert jede Noth, und was ich thun kann, um ihr abzuhelfen, will ich versuchen.‹ Er lächelte kummervoll bei diesen Worten, und statt der Antwort gab er mir eine dünne Broschüre. ›Ich bitte Sie, das zu lesen, wenn Sie einmal ein Wenig Zeit haben für diese Unglücklichen alle, welche Sie hier umgeben.‹ Dann trat er ehrerbietig mit einem Gruße zurück und sprach mit einer Frau, welche zwei kleine Kinder auf den Armen hatte. Diese kam dann auf mich zu und dankte mir, ihrem Beispiel folgten dann noch viele der Leute; Manche thaten es unmuthig und förmlich. Andere herzlich und mit Thränen, ich glaube, es geschah nur auf Franz Thalheims Aufforderung, daß sie mir dankten — ich hätte es ihnen gerne erspart, obwohl ich mir dabei sagte, daß es auch Hochmuth sei, ihren Dank nicht annehmen zu wollen, so gut als es Hochmuth sei, ihn zu fordern, — denn was mir bei diesem Dank unwillkührlich lästig war, waren die vielen unreinen, derben und schwieligen Hände, welche die meinen drückten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="140"/> Fräulein, es sind Menschen, wie Sie, aber es ist eben ihr Unglück, daß man diesen Tausenden ihre Menschenrechte genommen, und deshalb sogar auch die Fähigkeit, sich über das Thier, zu dem man sie herabgestoßen, zu erheben.‹ Ich fühlte, daß in diesen Worten eine große Wahrheit lag, ja, ich empfand auch zugleich, daß ich ihm eine Abbitte, und für seine Klage ein tröstliches Wort schuldig war, und ich erwiderte: ›Mich jammert jede Noth, und was ich thun kann, um ihr abzuhelfen, will ich versuchen.‹ Er lächelte kummervoll bei diesen Worten, und statt der Antwort gab er mir eine dünne Broschüre. ›Ich bitte Sie, das zu lesen, wenn Sie einmal ein Wenig Zeit haben für diese Unglücklichen alle, welche Sie hier umgeben.‹ Dann trat er ehrerbietig mit einem Gruße zurück und sprach mit einer Frau, welche zwei kleine Kinder auf den Armen hatte. Diese kam dann auf mich zu und dankte mir, ihrem Beispiel folgten dann noch viele der Leute; Manche thaten es unmuthig und förmlich. Andere herzlich und mit Thränen, ich glaube, es geschah nur auf Franz Thalheims Aufforderung, daß sie mir dankten — ich hätte es ihnen gerne erspart, obwohl ich mir dabei sagte, daß es auch Hochmuth sei, ihren Dank nicht annehmen zu wollen, so gut als es Hochmuth sei, ihn zu fordern, — denn was mir bei diesem Dank unwillkührlich lästig war, waren die vielen unreinen, derben und schwieligen Hände, welche die meinen drückten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [140/0150]
Fräulein, es sind Menschen, wie Sie, aber es ist eben ihr Unglück, daß man diesen Tausenden ihre Menschenrechte genommen, und deshalb sogar auch die Fähigkeit, sich über das Thier, zu dem man sie herabgestoßen, zu erheben.‹ Ich fühlte, daß in diesen Worten eine große Wahrheit lag, ja, ich empfand auch zugleich, daß ich ihm eine Abbitte, und für seine Klage ein tröstliches Wort schuldig war, und ich erwiderte: ›Mich jammert jede Noth, und was ich thun kann, um ihr abzuhelfen, will ich versuchen.‹ Er lächelte kummervoll bei diesen Worten, und statt der Antwort gab er mir eine dünne Broschüre. ›Ich bitte Sie, das zu lesen, wenn Sie einmal ein Wenig Zeit haben für diese Unglücklichen alle, welche Sie hier umgeben.‹ Dann trat er ehrerbietig mit einem Gruße zurück und sprach mit einer Frau, welche zwei kleine Kinder auf den Armen hatte. Diese kam dann auf mich zu und dankte mir, ihrem Beispiel folgten dann noch viele der Leute; Manche thaten es unmuthig und förmlich. Andere herzlich und mit Thränen, ich glaube, es geschah nur auf Franz Thalheims Aufforderung, daß sie mir dankten — ich hätte es ihnen gerne erspart, obwohl ich mir dabei sagte, daß es auch Hochmuth sei, ihren Dank nicht annehmen zu wollen, so gut als es Hochmuth sei, ihn zu fordern, — denn was mir bei diesem Dank unwillkührlich lästig war, waren die vielen unreinen, derben und schwieligen Hände, welche die meinen drückten,
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/150>, abgerufen am 22.07.2024. |