Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen -- aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor -- die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: "Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern." Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte -- diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich: "Ich wünsche wohl zu schlafen!" Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: "Gleichfalls." Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen — aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor — die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: „Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern.“ Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte — diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich: „Ich wünsche wohl zu schlafen!“ Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: „Gleichfalls.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0135" n="125"/> Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen — aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor — die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: „Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern.“</p> <p>Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte — diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich:</p> <p>„Ich wünsche wohl zu schlafen!“</p> <p>Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: „Gleichfalls.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [125/0135]
Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen — aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor — die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: „Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern.“
Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte — diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich:
„Ich wünsche wohl zu schlafen!“
Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: „Gleichfalls.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/135 |
Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/135>, abgerufen am 27.07.2024. |