Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846."Von ganzem Herzen -- es würde Thalheim freuen, wenn er unsern Entschluß ahnen könnte -- aber wir werden uns bald wiedersehen, wir werden einander bleiben, was wir uns bisher gewesen sind." Die Freundinnen fielen einander noch ein Mal in die Arme, und Pauline fuhr zuerst davon; bald folgte auch Elisabeth. Pauline athmete frei und leicht auf, als sie die Residenz hinter sich hatte. Sie hatte dort außer Elisabeths Freundschaft, welche ihr doch auch erst in der letzten Zeit zu Theil ward, Nichts als Kränkungen erfahren, sie hatte sich überall zurückgesetzt gesehen -- nur weil sie aus bürgerlichem Stande war. Nun war sie geschützt gegen all' die bittern Wirkungen dieser festsitzenden Vorurtheile, denn das traute Vaterhaus erwartete sie. Wie sehnte sie sich nach dem heitern Frieden dieses ländlichen Lebens, wie freute sie sich, in die Arme ihres theuern Vaters zu fliegen, den sie so lange nicht gesehen hatte. Mit welcher Zärtlichkeit und Umsicht gedachte sie seinen Wünschen nachzukommen, wie wollte sie sein Alter erfreuen und erheitern! -- Seit ihren Kinderjahren war sie nicht wieder in die Fabrik des Vaters gekommen, wenn auch dieser selbst sie hier und da besucht hatte. Sie besaß ein großes Bild von dieser Fabrik. Wie schön erschien darauf das von Bäumen umgebene palastartige Wohnhaus -- daneben die nicht minder großen Gebäude mir den vielen hohen hellen Fenstern, hinter „Von ganzem Herzen — es würde Thalheim freuen, wenn er unsern Entschluß ahnen könnte — aber wir werden uns bald wiedersehen, wir werden einander bleiben, was wir uns bisher gewesen sind.“ Die Freundinnen fielen einander noch ein Mal in die Arme, und Pauline fuhr zuerst davon; bald folgte auch Elisabeth. Pauline athmete frei und leicht auf, als sie die Residenz hinter sich hatte. Sie hatte dort außer Elisabeths Freundschaft, welche ihr doch auch erst in der letzten Zeit zu Theil ward, Nichts als Kränkungen erfahren, sie hatte sich überall zurückgesetzt gesehen — nur weil sie aus bürgerlichem Stande war. Nun war sie geschützt gegen all’ die bittern Wirkungen dieser festsitzenden Vorurtheile, denn das traute Vaterhaus erwartete sie. Wie sehnte sie sich nach dem heitern Frieden dieses ländlichen Lebens, wie freute sie sich, in die Arme ihres theuern Vaters zu fliegen, den sie so lange nicht gesehen hatte. Mit welcher Zärtlichkeit und Umsicht gedachte sie seinen Wünschen nachzukommen, wie wollte sie sein Alter erfreuen und erheitern! — Seit ihren Kinderjahren war sie nicht wieder in die Fabrik des Vaters gekommen, wenn auch dieser selbst sie hier und da besucht hatte. Sie besaß ein großes Bild von dieser Fabrik. Wie schön erschien darauf das von Bäumen umgebene palastartige Wohnhaus — daneben die nicht minder großen Gebäude mir den vielen hohen hellen Fenstern, hinter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0126" n="116"/> <p> „Von ganzem Herzen — es würde Thalheim freuen, wenn er unsern Entschluß ahnen könnte — aber wir werden uns bald wiedersehen, wir werden einander bleiben, was wir uns bisher gewesen sind.“ Die Freundinnen fielen einander noch ein Mal in die Arme, und Pauline fuhr zuerst davon; bald folgte auch Elisabeth.</p> <p>Pauline athmete frei und leicht auf, als sie die Residenz hinter sich hatte. Sie hatte dort außer Elisabeths Freundschaft, welche ihr doch auch erst in der letzten Zeit zu Theil ward, Nichts als Kränkungen erfahren, sie hatte sich überall zurückgesetzt gesehen — nur weil sie aus bürgerlichem Stande war. Nun war sie geschützt gegen all’ die bittern Wirkungen dieser festsitzenden Vorurtheile, denn das traute Vaterhaus erwartete sie. Wie sehnte sie sich nach dem heitern Frieden dieses ländlichen Lebens, wie freute sie sich, in die Arme ihres theuern Vaters zu fliegen, den sie so lange nicht gesehen hatte. Mit welcher Zärtlichkeit und Umsicht gedachte sie seinen Wünschen nachzukommen, wie wollte sie sein Alter erfreuen und erheitern! — Seit ihren Kinderjahren war sie nicht wieder in die Fabrik des Vaters gekommen, wenn auch dieser selbst sie hier und da besucht hatte. Sie besaß ein großes Bild von dieser Fabrik. Wie schön erschien darauf das von Bäumen umgebene palastartige Wohnhaus — daneben die nicht minder großen Gebäude mir den vielen hohen hellen Fenstern, hinter </p> </div> </body> </text> </TEI> [116/0126]
„Von ganzem Herzen — es würde Thalheim freuen, wenn er unsern Entschluß ahnen könnte — aber wir werden uns bald wiedersehen, wir werden einander bleiben, was wir uns bisher gewesen sind.“ Die Freundinnen fielen einander noch ein Mal in die Arme, und Pauline fuhr zuerst davon; bald folgte auch Elisabeth.
Pauline athmete frei und leicht auf, als sie die Residenz hinter sich hatte. Sie hatte dort außer Elisabeths Freundschaft, welche ihr doch auch erst in der letzten Zeit zu Theil ward, Nichts als Kränkungen erfahren, sie hatte sich überall zurückgesetzt gesehen — nur weil sie aus bürgerlichem Stande war. Nun war sie geschützt gegen all’ die bittern Wirkungen dieser festsitzenden Vorurtheile, denn das traute Vaterhaus erwartete sie. Wie sehnte sie sich nach dem heitern Frieden dieses ländlichen Lebens, wie freute sie sich, in die Arme ihres theuern Vaters zu fliegen, den sie so lange nicht gesehen hatte. Mit welcher Zärtlichkeit und Umsicht gedachte sie seinen Wünschen nachzukommen, wie wollte sie sein Alter erfreuen und erheitern! — Seit ihren Kinderjahren war sie nicht wieder in die Fabrik des Vaters gekommen, wenn auch dieser selbst sie hier und da besucht hatte. Sie besaß ein großes Bild von dieser Fabrik. Wie schön erschien darauf das von Bäumen umgebene palastartige Wohnhaus — daneben die nicht minder großen Gebäude mir den vielen hohen hellen Fenstern, hinter
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/126>, abgerufen am 27.07.2024. |