Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sie geneigt -- sie bemerkte es erst jetzt, als sie rasch und erbebend aufsprang.

Es war Jaromir von Szariny, welcher sich ihr genähert hatte.

Jaromir war nicht früh aufgestanden -- für ihn war der heutige Tag noch gestern. Er hatte die Nacht mit Bekannten bei einem Trinkgelag zugebracht -- er hatte wieder einmal für die Leere, die Unbefriedigtheit seines Herzens Vergessenheit gesucht in den goldnen Fluthen des Weines -- er hatte sie auch gefunden, er hatte sich einige Stunden unbeschreiblich amüsirt, und wie Einer nach den Andern lärmend oder stumm gegangen war, so war er doch noch geblieben, und hatte Füßly und noch ein paar andere Herren mit zurückgehalten. Endlich waren sie auch aufgebrochen. Drinnen das große, durch geschlossene Laden gegen das Morgengrauen verwahrte Zimmer, in welchem Cigarrenrauch mit hellem Gaslicht kämpfte, in welchem der Dunst starken Weines und dampfenden Grogs eine betäubende warme Luft hervorbrachte, hatte wohl zu dieser nächtlichen Orgie gepaßt. -- Aber wie paßte zu dieser Aufregung derer, welche sie gefeiert, nun die frische Morgenluft, in welche sie traten? Der reine, blaue Himmel mit dem sanften Morgenroth und ziehenden Silberwölkchen über ihnen? -- Die geschäftige Thätigkeit, mit welcher die vom Schlaf noch rothen und frischen Gesichter der Dienstmädchen, welche zum

sie geneigt — sie bemerkte es erst jetzt, als sie rasch und erbebend aufsprang.

Es war Jaromir von Szariny, welcher sich ihr genähert hatte.

Jaromir war nicht früh aufgestanden — für ihn war der heutige Tag noch gestern. Er hatte die Nacht mit Bekannten bei einem Trinkgelag zugebracht — er hatte wieder einmal für die Leere, die Unbefriedigtheit seines Herzens Vergessenheit gesucht in den goldnen Fluthen des Weines — er hatte sie auch gefunden, er hatte sich einige Stunden unbeschreiblich amüsirt, und wie Einer nach den Andern lärmend oder stumm gegangen war, so war er doch noch geblieben, und hatte Füßly und noch ein paar andere Herren mit zurückgehalten. Endlich waren sie auch aufgebrochen. Drinnen das große, durch geschlossene Laden gegen das Morgengrauen verwahrte Zimmer, in welchem Cigarrenrauch mit hellem Gaslicht kämpfte, in welchem der Dunst starken Weines und dampfenden Grogs eine betäubende warme Luft hervorbrachte, hatte wohl zu dieser nächtlichen Orgie gepaßt. — Aber wie paßte zu dieser Aufregung derer, welche sie gefeiert, nun die frische Morgenluft, in welche sie traten? Der reine, blaue Himmel mit dem sanften Morgenroth und ziehenden Silberwölkchen über ihnen? — Die geschäftige Thätigkeit, mit welcher die vom Schlaf noch rothen und frischen Gesichter der Dienstmädchen, welche zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="109"/>
sie geneigt &#x2014; sie bemerkte es erst jetzt, als sie rasch und erbebend aufsprang.</p>
        <p>Es war Jaromir von Szariny, welcher sich ihr genähert hatte.</p>
        <p>Jaromir war nicht früh aufgestanden &#x2014; für ihn war der heutige Tag noch gestern. Er hatte die Nacht mit Bekannten bei einem Trinkgelag zugebracht &#x2014; er hatte wieder einmal für die Leere, die Unbefriedigtheit seines Herzens Vergessenheit gesucht in den goldnen Fluthen des Weines &#x2014; er hatte sie auch gefunden, er hatte sich einige Stunden unbeschreiblich amüsirt, und wie Einer nach den Andern lärmend oder stumm gegangen war, so war er doch noch geblieben, und hatte Füßly und noch ein paar andere Herren mit zurückgehalten. Endlich waren sie auch aufgebrochen. Drinnen das große, durch geschlossene Laden gegen das Morgengrauen verwahrte Zimmer, in welchem Cigarrenrauch mit hellem Gaslicht kämpfte, in welchem der Dunst starken Weines und dampfenden Grogs eine betäubende warme Luft hervorbrachte, hatte wohl zu dieser nächtlichen Orgie gepaßt. &#x2014; Aber wie paßte zu dieser Aufregung derer, welche sie gefeiert, nun die frische Morgenluft, in welche sie traten? Der reine, blaue Himmel mit dem sanften Morgenroth und ziehenden Silberwölkchen über ihnen? &#x2014; Die geschäftige Thätigkeit, mit welcher die vom Schlaf noch rothen und frischen Gesichter der Dienstmädchen, welche zum
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0119] sie geneigt — sie bemerkte es erst jetzt, als sie rasch und erbebend aufsprang. Es war Jaromir von Szariny, welcher sich ihr genähert hatte. Jaromir war nicht früh aufgestanden — für ihn war der heutige Tag noch gestern. Er hatte die Nacht mit Bekannten bei einem Trinkgelag zugebracht — er hatte wieder einmal für die Leere, die Unbefriedigtheit seines Herzens Vergessenheit gesucht in den goldnen Fluthen des Weines — er hatte sie auch gefunden, er hatte sich einige Stunden unbeschreiblich amüsirt, und wie Einer nach den Andern lärmend oder stumm gegangen war, so war er doch noch geblieben, und hatte Füßly und noch ein paar andere Herren mit zurückgehalten. Endlich waren sie auch aufgebrochen. Drinnen das große, durch geschlossene Laden gegen das Morgengrauen verwahrte Zimmer, in welchem Cigarrenrauch mit hellem Gaslicht kämpfte, in welchem der Dunst starken Weines und dampfenden Grogs eine betäubende warme Luft hervorbrachte, hatte wohl zu dieser nächtlichen Orgie gepaßt. — Aber wie paßte zu dieser Aufregung derer, welche sie gefeiert, nun die frische Morgenluft, in welche sie traten? Der reine, blaue Himmel mit dem sanften Morgenroth und ziehenden Silberwölkchen über ihnen? — Die geschäftige Thätigkeit, mit welcher die vom Schlaf noch rothen und frischen Gesichter der Dienstmädchen, welche zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/119
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/119>, abgerufen am 22.11.2024.