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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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"Das erschreck' Euch nur nicht!" fuhr Johannes
fort, "ich hab' ihm Aehnliches in's Gesicht gesagt --
und was meint Jhr, was er darauf that?"

"Nun, das kann ich nicht wissen -- wenn ich so
was gesagt hätte, könnt' ich darauf rechnen, eine Ohr-
feige bekommen zu haben -- ich weiß nicht, ob er vor
Jhren langen Haaren mehr Respekt hat, als vor meinen
grauen, kurzen --" meinte der Vogt.

"Da wär' er schön angekommen! -- die Ohrfeige
hätt' ich ihm auf der Stelle wieder gegeben --" lachte
Johannes.

"Ach, das würden Sie doch nicht gethan haben --
gerade ihm! er ist unser Herr und Sie sind von seinem
Dorfe --" Aber diese Worte des Vogts unterbrach Jo-
hannes schnell:

"Was, Herr! wir sind keine Leibeignen mehr! wer
auf diesem Dorfe geboren ist, ist doch wahrhaftig nicht
des Grafen Knecht! Selbst unsre Frohn- und Zehnten-
lasten sind abgelöst, schlimm genug, daß wir ihm im-
mer noch Lehensleute sind, aber das giebt ihm kein
Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und selbst
Unterthanen dürfen heutzutage nicht mehr roh und grob
behandelt werden! -- Aber davon sprechen wir schon
noch. Jch wollt' erzählen, was der Graf that, nach-
dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte -- er gab

„Das erſchreck’ Euch nur nicht!“ fuhr Johannes
fort, „ich hab’ ihm Aehnliches in’s Geſicht geſagt —
und was meint Jhr, was er darauf that?“

„Nun, das kann ich nicht wiſſen — wenn ich ſo
was geſagt haͤtte, koͤnnt’ ich darauf rechnen, eine Ohr-
feige bekommen zu haben — ich weiß nicht, ob er vor
Jhren langen Haaren mehr Reſpekt hat, als vor meinen
grauen, kurzen —“ meinte der Vogt.

„Da waͤr’ er ſchoͤn angekommen! — die Ohrfeige
haͤtt’ ich ihm auf der Stelle wieder gegeben —“ lachte
Johannes.

„Ach, das wuͤrden Sie doch nicht gethan haben —
gerade ihm! er iſt unſer Herr und Sie ſind von ſeinem
Dorfe —“ Aber dieſe Worte des Vogts unterbrach Jo-
hannes ſchnell:

„Was, Herr! wir ſind keine Leibeignen mehr! wer
auf dieſem Dorfe geboren iſt, iſt doch wahrhaftig nicht
des Grafen Knecht! Selbſt unſre Frohn- und Zehnten-
laſten ſind abgeloͤſt, ſchlimm genug, daß wir ihm im-
mer noch Lehensleute ſind, aber das giebt ihm kein
Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und ſelbſt
Unterthanen duͤrfen heutzutage nicht mehr roh und grob
behandelt werden! — Aber davon ſprechen wir ſchon
noch. Jch wollt’ erzaͤhlen, was der Graf that, nach-
dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte — er gab

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[75/0083] „Das erſchreck’ Euch nur nicht!“ fuhr Johannes fort, „ich hab’ ihm Aehnliches in’s Geſicht geſagt — und was meint Jhr, was er darauf that?“ „Nun, das kann ich nicht wiſſen — wenn ich ſo was geſagt haͤtte, koͤnnt’ ich darauf rechnen, eine Ohr- feige bekommen zu haben — ich weiß nicht, ob er vor Jhren langen Haaren mehr Reſpekt hat, als vor meinen grauen, kurzen —“ meinte der Vogt. „Da waͤr’ er ſchoͤn angekommen! — die Ohrfeige haͤtt’ ich ihm auf der Stelle wieder gegeben —“ lachte Johannes. „Ach, das wuͤrden Sie doch nicht gethan haben — gerade ihm! er iſt unſer Herr und Sie ſind von ſeinem Dorfe —“ Aber dieſe Worte des Vogts unterbrach Jo- hannes ſchnell: „Was, Herr! wir ſind keine Leibeignen mehr! wer auf dieſem Dorfe geboren iſt, iſt doch wahrhaftig nicht des Grafen Knecht! Selbſt unſre Frohn- und Zehnten- laſten ſind abgeloͤſt, ſchlimm genug, daß wir ihm im- mer noch Lehensleute ſind, aber das giebt ihm kein Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und ſelbſt Unterthanen duͤrfen heutzutage nicht mehr roh und grob behandelt werden! — Aber davon ſprechen wir ſchon noch. Jch wollt’ erzaͤhlen, was der Graf that, nach- dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte — er gab

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/83>, abgerufen am 04.12.2024.