Johannes schlief so fest, wie vorhin; er war müde von der Reise und hatte ein paar Nächte zuvor, wo er noch allerhand vor seiner Abreise zu thun gehabt, mit Ar beiten durchwacht, so war's wohl kein Wunder, daß er heut' so fest schlief. Wie vorhin der Schein des Lämp- chens, so fiel jetzt der des Mondes auf sein Gesicht. Mutter Eva rückte sich ganz leise einen alten Lehnstuhl neben das Bett des Sohnes und schaute ihn nun immer unverwandt an. Aber nun war sie doch bei ihm, so konnte sie eher Ruhe finden. Endlich fielen ihr die müden Augen zu und der Kopf lehnte sich zurück an die Polsterlehne des Stuhls. So schlief sie bis in den Morgen hinein.
Unser Johannes aber wachte auf, wie unten im Stall die Kühe zu blöcken begannen und die Gänse schnatternd über den Hof flogen. Ueber seinem Kopf war ein Taubenschlag angebracht, von dem ihn nur eine dünne Bretterdecke trennte. Das war auch ein Gurren, Flattern und Zanken da oben unter den Tauben, daß Johannes erst gar nicht wußte, was es eigentlich gäbe, und wundernd auf und um sich schaute. Er hatte lang nicht auf dem Dorfe geschlafen, und er, der ruhig fort- schlafen konnet, wenn Hunderte von Wagen über das harte Steinpflaster unter seinen Fenstern in der lär- menden Stadt vorüberrasselten, oder das widerliche Ge-
Johannes ſchlief ſo feſt, wie vorhin; er war muͤde von der Reiſe und hatte ein paar Naͤchte zuvor, wo er noch allerhand vor ſeiner Abreiſe zu thun gehabt, mit Ar beiten durchwacht, ſo war’s wohl kein Wunder, daß er heut’ ſo feſt ſchlief. Wie vorhin der Schein des Laͤmp- chens, ſo fiel jetzt der des Mondes auf ſein Geſicht. Mutter Eva ruͤckte ſich ganz leiſe einen alten Lehnſtuhl neben das Bett des Sohnes und ſchaute ihn nun immer unverwandt an. Aber nun war ſie doch bei ihm, ſo konnte ſie eher Ruhe finden. Endlich fielen ihr die muͤden Augen zu und der Kopf lehnte ſich zuruͤck an die Polſterlehne des Stuhls. So ſchlief ſie bis in den Morgen hinein.
Unſer Johannes aber wachte auf, wie unten im Stall die Kuͤhe zu bloͤcken begannen und die Gaͤnſe ſchnatternd uͤber den Hof flogen. Ueber ſeinem Kopf war ein Taubenſchlag angebracht, von dem ihn nur eine duͤnne Bretterdecke trennte. Das war auch ein Gurren, Flattern und Zanken da oben unter den Tauben, daß Johannes erſt gar nicht wußte, was es eigentlich gaͤbe, und wundernd auf und um ſich ſchaute. Er hatte lang nicht auf dem Dorfe geſchlafen, und er, der ruhig fort- ſchlafen konnet, wenn Hunderte von Wagen uͤber das harte Steinpflaſter unter ſeinen Fenſtern in der laͤr- menden Stadt voruͤberraſſelten, oder das widerliche Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0072"n="64"/>
Johannes ſchlief ſo feſt, wie vorhin; er war muͤde von<lb/>
der Reiſe und hatte ein paar Naͤchte zuvor, wo er noch<lb/>
allerhand vor ſeiner Abreiſe zu thun gehabt, mit Ar<lb/>
beiten durchwacht, ſo war’s wohl kein Wunder, daß er<lb/>
heut’ſo feſt ſchlief. Wie vorhin der Schein des Laͤmp-<lb/>
chens, ſo fiel jetzt der des Mondes auf ſein Geſicht.<lb/>
Mutter Eva ruͤckte ſich ganz leiſe einen alten Lehnſtuhl<lb/>
neben das Bett des Sohnes und ſchaute ihn nun immer<lb/>
unverwandt an. Aber nun war ſie doch bei ihm, ſo<lb/>
konnte ſie eher Ruhe finden. Endlich fielen ihr die<lb/>
muͤden Augen zu und der Kopf lehnte ſich zuruͤck an<lb/>
die Polſterlehne des Stuhls. So ſchlief ſie bis in den<lb/>
Morgen hinein.</p><lb/><p>Unſer Johannes aber wachte auf, wie unten im<lb/>
Stall die Kuͤhe zu bloͤcken begannen und die Gaͤnſe<lb/>ſchnatternd uͤber den Hof flogen. Ueber ſeinem Kopf war<lb/>
ein Taubenſchlag angebracht, von dem ihn nur eine<lb/>
duͤnne Bretterdecke trennte. Das war auch ein Gurren,<lb/>
Flattern und Zanken da oben unter den Tauben, daß<lb/>
Johannes erſt gar nicht wußte, was es eigentlich gaͤbe,<lb/>
und wundernd auf und um ſich ſchaute. Er hatte lang<lb/>
nicht auf dem Dorfe geſchlafen, und er, der ruhig fort-<lb/>ſchlafen konnet, wenn Hunderte von Wagen uͤber das<lb/>
harte Steinpflaſter unter ſeinen Fenſtern in der laͤr-<lb/>
menden Stadt voruͤberraſſelten, oder das widerliche Ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[64/0072]
Johannes ſchlief ſo feſt, wie vorhin; er war muͤde von
der Reiſe und hatte ein paar Naͤchte zuvor, wo er noch
allerhand vor ſeiner Abreiſe zu thun gehabt, mit Ar
beiten durchwacht, ſo war’s wohl kein Wunder, daß er
heut’ ſo feſt ſchlief. Wie vorhin der Schein des Laͤmp-
chens, ſo fiel jetzt der des Mondes auf ſein Geſicht.
Mutter Eva ruͤckte ſich ganz leiſe einen alten Lehnſtuhl
neben das Bett des Sohnes und ſchaute ihn nun immer
unverwandt an. Aber nun war ſie doch bei ihm, ſo
konnte ſie eher Ruhe finden. Endlich fielen ihr die
muͤden Augen zu und der Kopf lehnte ſich zuruͤck an
die Polſterlehne des Stuhls. So ſchlief ſie bis in den
Morgen hinein.
Unſer Johannes aber wachte auf, wie unten im
Stall die Kuͤhe zu bloͤcken begannen und die Gaͤnſe
ſchnatternd uͤber den Hof flogen. Ueber ſeinem Kopf war
ein Taubenſchlag angebracht, von dem ihn nur eine
duͤnne Bretterdecke trennte. Das war auch ein Gurren,
Flattern und Zanken da oben unter den Tauben, daß
Johannes erſt gar nicht wußte, was es eigentlich gaͤbe,
und wundernd auf und um ſich ſchaute. Er hatte lang
nicht auf dem Dorfe geſchlafen, und er, der ruhig fort-
ſchlafen konnet, wenn Hunderte von Wagen uͤber das
harte Steinpflaſter unter ſeinen Fenſtern in der laͤr-
menden Stadt voruͤberraſſelten, oder das widerliche Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/72>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.